Der Starship-Macher
Michael Poliza ist die treibende Kraft hinter der Starship Millenium Voyage. Dieses Interview mit ihm, am Anfang der Reise im September 1998 geführt, gibt Auskunft über Ausgangspunkte, persönliche Motivation und Ziele dieses Projekts. Weitere Informationen zum Starship finden Sie innerhalb von www.film-tv-video.de, wenn Sie auf den Link am Textende klicken.
Die Idee ist faszinierend: 1000 Tage will Michael Poliza auf Weltreise gehen, mit seinem eigenen Schiff, dem Starship. An Bord: Abenteuerlustige Menschen, umfangreiche Computer- und Videotechnik, um das Projekt mit Filmen, Print-Projekten und Filmen zu dokumentieren. Im September 1998 begann die Reise in Seattle, das Interview entstand während der ersten Tage nach dem offiziellen Reisestart.
www.film-tv-video.de: Was war vor dem Starship?
Michael Poliza: Ich war unternehmerisch tätig, hatte verschiedene Firmen, überwiegend im Computer- und Multimedia-Bereich, Unternehmen für Distribution, Marketing, Direkt-Marketing, Beratung, Multimedia-Entwicklung für CD-ROMs und Internet. Irgendwann habe ich mich dann entschieden, gleichzeitig drei dieser Firmen an ein amerikanisches Unternehmen in Cupertino zu verkaufen und bin dann Anfang 1997 selbst in die USA gegangen.
www.film-tv-video.de: Das klingt nach Ausstieg. Was war der Grund dafür?
Michael Poliza: Ich bin sehr lange ˜ und eigentlich völlig blind ˜ dem wirtschaftlichen Erfolg meiner Unternehmen gefolgt, ohne mich ernsthaft zu fragen, ob das, was ich da machte, auch das war, was ich gerne machen wollte. Irgendwann war dann der Punkt erreicht, da wollte ich nicht einfach unternehmerisch noch erfolgreicher werden, sondern etwas anderes machen. So entschloß ich mich, zu verkaufen und erstmal in die USA zu gehen.
www.film-tv-video.de: Ist das ursprüngliche Aussteigerprojekt nicht mittlerweile auch zu einem Business geworden?
Michael Poliza: Von außen betrachtet könnte man das denken. Aber finanziell kann man mit so einem Projekt nur verlieren. Erfahrung kann man gewinnen, aber mit Profit hat das alles hier für mich nichts zu tun.
www.film-tv-video.de: Wie kommt man als Computer-Unternehmer auf die Idee, Unterwasser-Filme zu produzieren?
Michael Poliza: Ich wollte ˜ vor etlichen Jahren ˜ unbedingt Walhaie sehen. Das sind bis zu 18 m lange, vollkommen friedliche Haie. Die Chance, diese Tiere zu sehen, bot eine Tauchexpedition in Australien. Ich wollte unbedingt mit, hörte aber bei jedem Anruf die gleiche Absage: »Alles voll.«
Drei Tage vor Expeditionsbeginn, bei meinem x-ten Anruf, gaben die Organisatoren dann entnervt nach: »Verdammt noch mal, dann komm halt und schlaf auf dem Boden.« Ich sagte nur: »Okay, das ist mir scheißegal, ich schlaf überall, wenn ich nur mit kann.«
Zuhause hatte ich einen Hi8-Camcorder und mit einem Gutschein von einem Fotoladen kaufte ich mir schnell noch so ein gelbes Tauchgehäuse. In Australien habe ich dann einfach für mich gefilmt. Ich hatte selbst noch nie einen richtigen Film gemacht, wollte einfach mal kucken was draus wird. Unter Wasser hatten wir dann wirklich unglaubliche Erlebnisse und ich brachte relativ schöne Bilder mit, obwohl ich etliche Probleme mit der Technik hatte.
Wieder zuhause, wollte ich einen Film aus dem Material machen. Eine befreundete Cutterin sagte mir glatt: »Das ist völlig unmöglich, das kannst du vergessen.« Mit einer anderen Freundin habe ich dann doch einen 23-Minuten-Film gemacht und für 20.000 Mark an Vox verkauft. Da dachte ich mir: »Das ist ja einfach. Du hattest einen schönen Urlaub, hast einen schönen Film gemacht und die ganze Reise hat sich auch noch gelohnt. Wunderbar.«
Das wollte ich gleich nochmal wiederholen und organisierte eine Papua-Neuguinea-Expedition. Um das Ganze professioneller aufzuziehen, nahm ich einen Kameramann und Betacam-Equipment mit. Unterwegs konnten wir nicht sichten und als ich das Material in Deutschland sah, wurde klar, dass ich mir den Kameramann nicht richtig angeschaut hatte: Das Material war so schlecht, ich war am Flennen und am Heulen. Das war einfach gründlich schiefgegangen.
Das hat mich dann ernüchtert und ich musste feststellen: »So einfach ist es dann doch nicht.«
Nach diesen beiden extremen Erfahrungen hat sich das dann eingependelt. Wann immer ich in den letzten Jahren Gelegenheit und Zeit hatte, habe ich mich mit dem Thema Unterwasser-Video beschäftigt. Für die Nachbearbeitung hatte ich mir ein Schnittsystem von Avid gekauft und damit schon etliche Tauchfilme gemacht.
www.film-tv-video.de: Das lief aber alles parallel zu den Computer-Unternehmen?
Michael Poliza: Ja, das lief so nebenbei. Ich habe immer versucht, verschiedene Dinge parallel zu machen.
www.film-tv-video.de: Welche Art von Film soll denn an Bord des Starships entstehen?
Michael Poliza: Die Grundidee ist so eine Art Real-Life-Doku. Nicht wie ein klassischer dokumentarischer Reisebericht, sondern nah dran am echten Geschehen. Es soll möglichst wenig inszeniert werden, die Kamera soll dann laufen, wenn ohnehin was passiert. Irgendwann sollen die Leute an Bord die Kamera gar nicht mehr beachten, es muß den Leuten völlig egal sein, ob eine Kamera mitläuft oder nicht. Dann kommt die Art von Gesprächen, O-Tönen, Erlebnissen, Atmosphären und Situationen zustande, die das Ganze einzigartig machen. Zusätzlich zu den schönen und aufregenden Bildern, die wir von tollen Natur- und Tierbegegnungen ohnehin machen wollen, bringt das eine weitere, authentische Ebene in den Film.
Wir wollen ganz nah dran sein. Das setzt aber beim Drehen natürlich einen gewissen inneren Abstand voraus: Wer selbst voll im Geschehen steckt, merkt gar nicht, daß man eigentlich gerade dokumentieren müßte. Das Abenteuer muß sich entwickeln können. Das hat dann seinen eigenen Reiz.
www.film-tv-video.de: Bei der Technik an Bord fällt auf, dass auch sehr viel Consumer-Geräte dabei sind. Warum?
Michael Poliza: Ich habe mal eine Dschungeltour durch Costa Rica gemacht. Da sind wir in drei Tagen auf Styropor-Brettern 75 Meilen auf einem tosenden Fluß heruntergedonnert. Da einen Betacam-Camcorder mitzunehmen, ist der reine Wahnsinn, das Equipment ist viel zu groß und umständlich. Es hat gegossen, man brauchte eineinhalb Stunden um das Equipment unter einem Regenschirm ein- und auszupacken. Dann kommt eine Welle und Equipment im Wert von vielleicht 80 000 Mark ist im Eimer.
Deshalb nehme ich lieber fünf DV-Camcorder mit und wenn einer kaputt ist, nehmen wir einfach den nächsten. Das klingt jetzt ein bisschen nach Materialschlacht, so ist es aber nicht gemeint. Aber wir können dadurch einfach näher dran sein. Man kann hemmungsloser drehen, und zudem sind die Leute ungehemmter, wenn der Camcorder kleiner ist.
www.film-tv-video.de: Sollen an Bord fertige Filme produziert werden?
Michael Poliza: Ja, teilweise schon. Die komplette Technik dafür haben wir schließlich an Bord. Ein wichtiger Punkt ist aber natürlich auch das Archivieren und Katalogisieren des Materials. Wenn man drei Jahre lang Material zusammenträgt, ist das einfach essentiell. Der Schnittplatz bietet uns dabei viele Möglichkeiten. Wir können nicht nur Sichten, sondern die Sony-Technik bietet uns mit Clip-Link auch viele unterstützende Funktionen hierfür. Momentan nutzen wir zwar noch nicht alle davon, aber die Reise hat ja auch eben erst angefangen.
www.film-tv-video.de: Was ist der Antrieb, ein solches Projekt durchzuziehen?
Michael Poliza: Es ist der Wunsch die Welt zu sehen. Je mehr ich gereist bin, um so mehr wurde mir klar, daß ich noch gar nichts gesehen habe. Es reizt mich einfach, dahin zu fahren, wo andere Leute noch nicht waren, Dinge zu entdecken. Und es macht mir einen riesigen Spaß, unforced encounters, also natürliche, freiwillige Begegnungen mit Tieren zu haben. Das ist etwas, worauf ich mich sehr freue. Diese Erfahrungen zu dokumentieren und mit anderen zu teilen, das finde ich auch einen schönen Gedanken.
www.film-tv-video.de: High-Tech und Natur, ist das kein Widerspruch?
Michael Poliza: Nein. Wenn High-Tech zwecklos ist ˜ im wahrsten Sinne des Wortes ˜ dann ist das für mich völlig uninteressant. Aber ich mag Werkzeug jeder Art: Ein Computer, eine Videokamera und jedes andere Gerät, das wir hier an Bord haben, ist letztlich nur ein Werkzeug. Wenn Technik nicht zum Selbstzweck wird, sondern wenn sie mir hilft, dann finde ich das wunderbar. Wenn mir die Technik mehr Zeit gibt, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich eigentlich machen möchte, finde ich das total Klasse.
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