Medientage München 2021
Die Medientage München verbanden in diesem Jahr erstmals den analogen Kongress in Präsenzform mit einer digitalen Übertragung via Live-Stream. Wichtige Trends im Überblick.
Nachhaltigkeit größer denken
Wie sollen Medien über Nachhaltigkeit berichten und wie können sie selbst nachhaltiger werden? Zwei Fragen, auf die der Nachhaltigkeitsgipfel und das Forum Medienmanagement Antworten gaben. Ein Fazit beider Veranstaltungen: Sowohl bei der Berichterstattung als auch in der Medienproduktion wird viel ausprobiert und werden Lösungsansätze gesucht. Nachhaltigkeit scheint auf dem Weg zum Branchen-Trend.
Andreas Huber, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, skizzierte in seiner Keynote, wie dringend das Problem des Klimawandels angegangen werden müsse. Er forderte Journalisten dazu auf, sich vom Fokus auf schlechte Nachrichten zu verabschieden und die bislang gängigen Narrative zu hinterfragen.
Viele Redaktionen versuchen schon seit einiger Zeit, das Problem Klimawandel mit unterschiedlichsten Formaten so informativ wie konstruktiv zu begleiten. Nachdem die ARD nicht auf das Ansinnen der Initiative »Klima vor acht« eingehen wollte, vor den Hauptnachrichten Informationen zum Klima zu senden, hat sich RTL mit den Aktivisten zusammengetan. Das Format »Klima Update«, das zweimal pro Woche Informationen rund um Klima- und Umweltschutz aufarbeitet, sei ein Erfolg, sagte Gerhard Kohlenbach, Chefredakteur Zentrale Nachrichten bei RTL. Man erreiche direkt nach der Hauptnachrichtensendung einen sehr hohen Marktanteil. Das Format bedeute keinerlei Ausschaltimpuls. Die journalistische Verantwortung liege ganz in seiner Redaktion in Zusammenarbeit mit der Geo-Redaktion. Der Kritik, dass die Beiträge in der Regel nur neunzig Sekunden lang seien, entgegnete er: »Aber das ist unser Handwerk!« Wer, wenn nicht Journalisten, könnten komplexe Zusammenhänge in dieser Kürze verständlich darstellen?
Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, verteidigte hingegen die Entscheidung der ARD-Programmredaktion, nicht auf die Kampagne von »Klima vor acht« einzugehen. Er habe ein Problem mit »Programm nach Auftrag«. Das Klimathema werde in der ganzen ARD flächendeckend behandelt. Er sei allerdings »händeringend auf der Suche«, um mehr wissenschaftsjournalistische Expertise in das Team von ARD-aktuell zu holen.
Axel Bojanowski, Chefreporter Wissenschaft bei der Welt-Gruppe, kritisierte, dass Studien zu wenig von den Medien hinterfragt würden. Die Pressestellen der Institute seien inzwischen »super professionell« ausgestattet, so dass es eine »Selektion zu krawalligen Studien« gebe. Ebenso fehle es in der Berichterstattung an Expertise. »Ich bin der Letzte, der vom Fach ist«, sagte er.
Die freie Journalistin Sara Schurmann widersprach ihm und kritisierte die sogenannte »False Balance« in der Berichterstattung als problematisch. False Balance bedeutet, dass Minderheitenmeinungen ein zu großes Gewicht in der öffentlichen Diskussion haben. Ein Indiz dafür liefere auch die Diskussion auf dem Podium: Für ihre eigene Position, nämlich dass der Klimajournalismus kein eigenes Ressort sein dürfe, sondern in allen Ressorts eine Rolle spielen müsse, könne sie viele andere Kollegen benennen, Bojanowski jedoch stehe mit seiner Position weitgehend alleine da.
Doch was tun Medienbetriebe selbst konkret, um nachhaltiger zu werden? Das Forum Medienmanagement, das im Anschluss vom Bayerischen Rundfunk in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift »Medien-Wirtschaft« veranstaltet wurde, zeigte eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. Die Generalsekretärin der ARD, Susanne Pfab, die gleichzeitig auch die Nachhaltigkeitsbeauftrage der öffentlich-rechtlichen Sendergruppe ist, betonte die besondere »Hebelwirkung«, die die Film- und Fernsehunternehmen zur Verfügung hätten. Einerseits sei die Branche selbst sehr ressourcenintensiv, andererseits erreiche sie auch ein großes Publikum, das man sensibilisieren könne. »Wir Qualitätsmedien sind dafür verantwortlich, dass der menschengemachte Klimawandel nicht mehr geleugnet werden kann«, sagte Pfab. Und man müsse auch nach Lösungen suchen und diese aufzeigen. »Eine Investition in die Ökologie bedeutet auch eine Investition in Ökonomie«, betonte Pfab. Sich an dieser Entwicklung zu beteiligen, mache unglaublich viel Freude.
Positiv deutete auch Sibel Boner, Regional Director Ad Sales Europe & Eurasia bei BBC Global News, die Anstrengungen der BBC, selbst klimaneutral zu werden, aber auch das Thema international zu verbreiten.
»Der Bayerische Rundfunk hat das Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt«, betonte Dr. Markus Riese, beim BR Head of Marketing. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe beim Thema Nachhaltigkeit eine Vorbildfunktion. Dabei definiere der Bayerische Rundfunk den Begriff sehr weit. Das gehe von der Steigerung des Anteils nachhaltiger Medienproduktionen bis hin zur interkulturellen Förderung des Nachwuchses und dem stetigen Kontakt mit dem Publikum.
Auch RTL beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und hat im vergangenen Jahr eigens das Ressort »Sustainability« geschaffen, dem Marie-Fee Taube vorsteht. Sie unterstrich, dass es beim Thema Nachhaltigkeit nicht nur um Klima und Umweltschutz gehe, sondern um ein gesellschaftliches Umdenken. Einzelne Maßnahmen wie das Angebot eines Job-Fahrrades für die Belegschaft, die Bereitstellung von E-Ladesäulen und die Tatsache, dass die Kölner Zentrale zu hundert Prozent mit Ökostrom versorgt werde, seien ebenso wichtig wie »Green Production«. RTL bilde beispielsweise Mitarbeiter zu Green Consultants weiter, um die Produktionen klimaneutral zu machen. »Das alles passiert nicht von heute auf morgen«, betonte Taube. Ziel sei es, eine »Green Culture« zu entwickeln.
Der Regisseur und Produzent Philipp Gassmann hat sich als Verfechter von »Green Production« einen Namen gemacht. Er verneinte das alte Branchen-Credo »Bigger is better«. Grün zu produzieren, sei eine kreative Aufgabe, die sich sehr lohne. So sei etwa die ARD-Serie »Tatort« auf keinen Fall schlechter geworden, seitdem auf den CO2-Abdruck der Produktion geachtet werde. Es sei auch heute technisch nicht mehr nötig, für eine aufwändige Produktion wie die Sky-Serie »Romulus« durch ganz Italien zu reisen. Für die Produktion wurde ein alter Steinbruch in der Nähe von Rom »umgebaut«, inklusive Solaranlage. Auch »Schwarm«, eine ZDF-Produktion, die eigentlich auf der ganzen Welt spiele, wurde nur in Italien gedreht. Nachhaltigkeit, so bilanzierte Gassmann, erfordere ein Umdenken, neue Aus- und Fortbildung – kurz: Der Faktor Mensch sei wichtig.
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