Branche, Top-Story, Veranstaltung: 25.11.2021

Medientage München 2021

Die Medientage München verbanden in diesem Jahr erstmals den analogen Kongress in Präsenzform mit einer digitalen Übertragung via Live-Stream. Wichtige Trends im Überblick.





Demokratie braucht Inklusion

In Deutschland leben 13 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen. Der gesetzliche Auftrag, ihnen barrierefreie Zugänge unter anderem zu Medien zu verschaffen, wird zwar immer besser umgesetzt, dennoch bleibt noch viel zu tun. 

Barrierefreie Zugänge im Medienbereich zu schaffen ist nicht nur wichtig, sondern auch gesetzlich gefordert.

Als »absolut überfällig« bezeichnete Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, die flächendeckende Audiodeskription von Kino- und Fernsehprogrammen, außerdem Video-Untertitel und Angebote in Gebärden- und in leichter Sprache. Barrierefreier Zugang sei kein »Nice-to-have«, sondern ein »verbrieftes Recht«, betonte Dusel. Vor zwölf Jahren bereits unterzeichnete Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention, die die Staaten verpflichtet, Menschen mit Behinderungen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Nach Ansicht von Dusel hat Barrierefreiheit nicht nur eine soziale Dimension. »Demokratie braucht Inklusion«, sagte er. Wer keine zugänglichen Angebote auf die Beine stellen könne, kritisierte er mit Bezug auf die Medienbranche, der arbeite schlicht »unprofessionell«. Das betreffe im Übrigen nicht nur die Informationsangebote, sondern auch die Unterhaltungsformate. Er forderte Medienunternehmen dazu auf, Personen mit Behinderungen sichtbarer zu machen.

Frauke Langguth (RBB) ist Leiterin von ARD Text.

Frauke Langguth (RBB) ist Leiterin von ARD Text. Sie kümmert sich innerhalb des öffentlich-rechtlichen Senderverbundes unter anderem um die Themen Untertitelung und Audiodeskription und verwies in ihrem Vortrag auf die gesetzlichen Grundlagen: Der European Accessibility Act schreibe die Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen vor und Vorgaben der EU-Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste würden die Verpflichtung zur stetigen und schrittweisen Verbesserung von Dienstleistungen erfordern.

Seit 2013, so berichtete Langguth, hätten die Bemühungen um Barrierefreiheit innerhalb der ARD an Fahrt aufgenommen. 97 Prozent der Sendungen im TV-Programm »Das Erste« seien inzwischen untertitelt. 52 Prozent der Sendungen im Hauptabendprogramm würden von Audiodeskription begleitet. 16.000 Sendeminuten im vergangenen Jahr wurden in Deutsche Gebärdensprache übersetzt, darunter alle Corona-Sondersendungen. Im Zuge der Bemühungen um leichte/einfache Sprache gebe es Angebote bei NDR, MDR und im ARD Text.

Als besonders gelungenes Beispiel für Informationen in einfacher Sprache bezeichnete Frauke Langguth das »Tagesschau Special« zur Bundestagswahl.

Eine große Hilfe bei der Entwicklung von Barrierefreiheit ist nach Ansicht der Leiterin von ARD Text der Gerätestandard HbbTV.

Eine große Hilfe bei der Entwicklung von Barrierefreiheit ist nach Ansicht der Leiterin von ARD Text der Gerätestandard HbbTV. Mit seiner Hilfe kann beispielsweise die Untertitelung angepasst und positioniert werden. In ganz Europa allerdings, so lautete die Einschätzung von Frauke Langguth, müssten die öffentlichen Programmanbieter eine Gratwanderung hinsichtlich der Einrichtung von Services für Menschen mit Handicap vollführen. Man stehe unter einem enormen Kostendruck und hoffe auf Automatisierung und die Hilfe Künstlicher Intelligenz.

Dr. Georg Tschare, Gründer und Geschäftsführer der Sign Time. 

Während die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter in Deutschland intensiv an Barrierefreiheit arbeiten, besteht bei den privatwirtschaftlichen Angeboten noch Nachholbedarf. Wie die Präsentation von Cornelia Holsten zeigte, wird beispielsweise die Untertitelung der Programme noch unterschiedlich intensiv vorangetrieben. Unter den großen Sendergruppen zeichnet sich ProSiebenSat1 mit einem stetigen Anstieg in Sachen Barrierefreiheit aus: Cornelia Holsten berichtete, dass zum Beispiel das vergangene Staffel-Finale von »Germany´s Next Top Model« komplett audiodeskribiert worden sei.

Bei der Meinungsbildung der privatwirtschaftlichen Programmverantwortlichen habe eine Studie geholfen, so Cornelia Holsten.

Bei der Meinungsbildung der privatwirtschaftlichen Programmverantwortlichen habe eine Studie geholfen, die die Landesmedienanstalten unter anderem mit der TU Dortmund durchgeführt hätten, erklärte Holsten. Dort wurde gezeigt, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Interessen auch an Entertainment-Formaten wie Nicht-Behinderte hatten. Eine Neuauflage des Medienstaatsvertrages, die gerade in Vorbereitung ist, könne dazu führen, sagte Holsten, dass es künftig als Ordnungswidrigkeit eingestuft werde, wenn Barrierefreiheit nicht gewährleistet sei, dies aber eigentlich zumutbar wäre.

Wie die Umsetzung von Barrierefreiheit durch Avatare vereinfacht werden könnte, präsentierte Dr. Georg Tschare, Gründer und Geschäftsführer der Sign Time. 

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