IBC2018: Trendreport
Die interessantesten Neuheiten und Trends der IBC2018 – film-tv-video.de war vor Ort und stellt sie hier zusammen.
Dass Artificial Intelligence, IP, HDR, Vollformat und die digitale Transformation bei der IBC eine große Rolle spielen würden, hatte sich schon vor der Messe abgezeichnet. Es gab bei der IBC aber noch mehr zu entdecken. Ein Überblick.
eSport: die neue Hoffnung
eSport-Übertragungen sind ein Markt, den mittlerweile auch die klassischen Broadcaster überaus ernstnehmen. Die Live-Übertragung solcher Wettbewerbe läuft meist ähnlich aufwändig ab, wie man das in Europa vom Fußball aus der Champions League kennt. Manche eSport-Ligen füllen etwa in Asien (und nicht nur dort) in den Finalrunden riesige Stadien und ziehen Gamer weltweit vor ihre Computermonitore. Die Zuschauerzahlen, die sie dabei erreichen, sind so hoch, dass die Hersteller klassischen Broadcast-Equipments den Schulterschluss mit den Gamern suchen.
Grass Valley etwa tat sich bei der IBC mit dem britischen eSport-Veranstalter Faceit zusammen und integrierte am Stand einen Bereich, in dem professionelle Gamer gegeneinander antreten konnten. Der Broadcast-Hersteller prognostiziert für eSport bis zum Jahr 2020 ein Marktvolumen von 1,65 Milliarden US-Dollar. eSports habe sich aus der Nische in den Mainstream bewegt. »Das Marktwachstum von eSports ist einfach unglaublich, und es hat noch nicht einmal sein volles Potenzial erreicht«, konstatiert Mark Hilton, Vice President of Live Production für Grass Valley, und will dafür sorgen, dass Grass Valley der bevorzugte Partner bei der Produktion von eSports-Matches wird.
Auch der belgische Hersteller EVS ist längst im eSports-Bereich aktiv. In Zusammenarbeit mit ESL waren am EVS-Stand ebenfalls Gamer vertreten. Um sie herum wurde gezeigt, wie ESL die EVS-Technologie für Live-Switching, Live-Wiedergabe und Fast Turnaround Content-Produktion einsetzt, um ansprechende Live-Inhalte auf mehreren Online-Plattformen auszugeben.
OTT
Während der Pressekonferenzen der großen klassischen Broadcast-Hersteller gab es kaum einen Sprecher, der nicht darauf abhob, dass immer mehr Zuschauer OTT-Angebote nutzten – also Videoinhalte per Abruf – und das klassische, lineare Fernsehen rückläufig sei. Grass-Valley-Chef Tim Shoulders etwa führte einige Zahlen auf, nach denen Broadcaster im OTT-Bereich 35%ige Zuwächse verzeichneten, im linearen Bereich hingegen lediglich nur 2%. Doch auch wenn diese Zahlen den aktuellen Trend hin zu OTT untermauern, nannte er noch eine weitere eindrucksvolle Zahl: 87% der Umsätze werden nach wie vor mit linearen Fernsehen gemacht. Allerdings, so Shoulders, stiegen auch die Produktionskosten für die Inhalte, weil Broadcaster mittlerweile ganz unterschiedliche Plattformen bedienen müssten. Dem begegnet Grass Valley mit einer Strategie, die den Kunden viel Flexibilität bei den Produkten bieten soll – etwa dank eLicences. Auch anderer Hersteller gehen diesen Weg, der dafür steht, dass viele Funktionen nachrüstbar oder gänzlich als Software-Service zu haben sind.
IP und 12G-SDI
Wie wird die AV-Schnittstelle der Zukunft aussehen? Eine Frage, die schon seit geraumer Zeit in der Luft schwebt und für die es unterschiedliche Antworten gibt. Etliche in der Branche vertreten die Auffassung, dass schlussendlich zwar alles in IP-basierte Strukturen münden werde, SDI aber nach wie vor eine wichtige Rolle spiele – und das wohl auch noch für einen längeren Zeitraum.
So konnte man bei der IBC – nicht zuletzt getrieben durch den US-Markt – eine wahre Flut an ganz unterschiedlichen 12G-SDI-Produkten unterschiedlichster Art entdecken. Dahinter steht der Wunsch, UHD-Signale über ein Koaxkabel übertragen zu können. Das leistet die 12G-SDI-Schnittstelle.
IP-Technik auf Basis von ST2110 wird wohl verstärkt dort eine Rolle spielen, wo es Sinn ergibt, Speicher, Router und Bedieneinheiten räumlich verteilt zu installieren und da zu nutzen, wo man Remote-Production-Workflows umsetzen möchte. Die ersten IP-Projekte wurden mittlerweile umgesetzt, manche dauerten länger als geplant, manche lieferten auch nicht die erwünschte Kostenersparnis, aber das ist in dieser Phase auch nicht zu erwarten.
Die Branche wird sich darauf einstellen müssen, noch für einen langen Zeitraum in einem Paralleluniversum zu leben, in dem IP- und SDI-basierte Strukturen koexistieren.
Artificial Intelligence
AI und Machine Learning gehören schon seit einigen Messen zu den angesagten Buzzwords, doch während der IBC2018 konnte man bei etlichen Systemen endlich ganz konkrete Anwendungen sehen: etwa Asset-Managementsysteme, die per Gesichtserkennung in der Lage sind, Personen zu identifizieren; oder die vorhandene Metadaten analysieren und auf dieser Basis den Nutzern zusätzliche Infos und Daten liefern können.
Arvato Systems etwa zeigte anhand seiner Produkte, welche Dienste AI hier mittlerweile übernommen hat, und Avid stellte vor, wie AI Services im Zusammenspiel mit Media Central funktionieren können.
Adobe hat in seine Produkte mittlerweile ebenfalls etliches an Artificial-Intelligence-Funktionalität integriert. Das hat für die Anwender ganz konkreten Nutzen, wenn es etwa um die Optimierung von Bild und Ton geht. Aber auch bei Software-Funktionen, die arbeitsintensive Jobs übernehmen können – wie etwa beim automatisierten Befüllen von Bauchbinden oder Grafiken anhand der Informationen oder Zahlen aus einer Exceltabelle – leistet AI Erstaunliches.
All das sind nützliche Anwendungen, die tatsächlich jenen Fortschritt bringen, den Hersteller oft in Aussicht stellen, wenn sie neue Technologien oder neue Software-Versionen vorstellen. Wenn dann auch noch alles stabil läuft, dürfte es nicht allzu schwer werden, Kunden von den Vorteilen von AI überzeugen.
Digitale Transformation
Viele Unternehmen befinden sich aus der Sicht von Qvest-Chef Peter Noethen aktuell in einem Prozess der digitalen Transformation und möchten ihre bestehenden Setups, die oft auf lokalen Installationen und Lösungen basieren, perspektivisch cloud-fähig machen. Dazu brauche es ein Tool, mit dem es möglich sei, vorhandene, lokale Lösungen (OnPremise) ebenso zu verwalten wie weitere Lösungen, die in Private und Public Clouds betrieben würden. »Letztlich haben wir diese Arbeit schon in der Vergangenheit als Systemintegrator geleistet, und jetzt tun wir das wieder, aber eben mit einer anderen Technologie,« sagt Noethen.
Andere Hersteller und Anbieter setzen ebenfalls auf Software- und Managementlösungen, um die Anforderungen dieses Transformations-Prozesses zu bewältigen – wenn auch in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. So hat etwa Broadcast Solutions mit »Hi« eine intuitive und einfach zu bedienende Steuerungsebene für Medieninfrastrukturen entwickelt.
Gemeinsam ist all diesen Lösungen die Idee, dass die Orchestrierung unterschiedlichster Systeme in Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen wird.
Intercom
Die Übertragung von großen Sportveranstaltungen wird immer anspruchsvoller, und das nicht nur beim Bild, sondern auch beim Ton und insbesondere im Bereich Intercom. Riedel hat hier mit Bolero S ein System entwickelt, in das nicht nur Tests und Erfahrungen aus dem Labor eingeflossen sind, sondern auch Erkenntnisse aus der praktischen Anwendung in großen Stadien. Bolero S wird künftig für den DFL-Schiedsrichterfunk eingesetzt.
5G
Bisher war es nicht oder nur sehr aufwändig möglich, Fernsehen komplett per Mobilfunk zu verbreiten. Mit Mobilfunktechnik der neuesten Generation könnte sich das ändern. In Deutschland gibt es dazu mit »5G Today« einen Feldversuch, der aktuell läuft. International wird vor allem den Märkten in China, Japan und Korea sowie Nordamerika ein hohes 5G-Wachstum für die kommenden fünf Jahre attestiert. Die Übertragung von Video, so die weiteren Prognosen, werde dabei rund 75% des künftigen 5G-Traffics ausmachen. Das sind Zahlen, die keinen Broadcaster kalt lassen dürften.
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