Messe: 07.05.2014

NAB2014: Dolby Vision — mehr Bildqualität beim Endkunden

Ein großer Teil der Bildqualität, die man mit modernen Kameras aufnehmen kann, kommt beim Endkunden niemals an — und das, obwohl Technologien verfügbar wären, um hierbei einen großen Schritt nach vorne zu kommen. Dolby will mit dem neuen System Dolby Vision einige Hindernisse aus dem Weg räumen.

Mehr aus bestehenden Systemen herauszuholen, das hat Dolby im Tonbereich schon mehrfach erfolgreich umgesetzt: Rauschunterdrückung und Surround-Ton sind hier die Stichworte. Nun will das Unternehmen dieses Kunststück auch im Bildbereich realisieren.

Die Ausgangssituation könnte man so umschreiben: Die Kameras am Anfang der Bildverarbeitungskette werden immer besser und auch am Ende der Kette, bei den Displays, hat sich einiges getan. Dabei sprechen wir aber gar nicht über kommende, noch weit entfernte, zukünftige Entwicklungen, sondern über das, was heute schon in großer Bandbreite an Produkten im Handel und in den Haushalten verfügbar ist.

Man könnte also schon jetzt sehr viel bessere Bildqualität in die Haushalte bringen. Und warum geschieht das dann nicht? Weil die Standards, die bei der Postproduktion und Distribution gelten, aus einer anderen Ära stammen und nicht mit den aktuellen Entwicklungen Schritt halten.

Das klingt rückständig und negativ, hat aber durchaus auch eine gewisse Berechtigung: Schließlich kann man nicht alle Nase lang ein neues TV-System einführen und alle, die dann noch »altes« TV-Equipment besitzen, haben halt Pech gehabt — da würden sowohl diejenigen, die Inhalte produzieren, wie auch die Broadcaster und die Endkunden auf die Barrikaden gehen. So behindert der berechtigte Wunsch nach Kompatibilität die technische Weiterentwicklung im Bewegtbildbereich.

Natürlich würde ein radikaler Schnitt die größten Möglichkeiten eröffnen, den Endkunden ein zeitgemäßes neues und viel besseres Bewegtbilderlebnis zu ermöglichen. Manche sehen in Ultra HD diesen nächsten Sprung, andere sind skeptisch. Außerdem wird es viele Jahre dauern, bis Ultra HD auf breiter Basis etabliert ist und es wäre sehr schade, die Zeit bis dahin ungenutzt verstreichen zu lassen.

Und Dolby? Dolby hält sich raus, akzeptiert die Realität und versucht unter den aktuellen Rahmenbedingungen ein besseres Bewegtbilderlebnis zu realisieren. Ganz so, wie Dolby keinen besseren Tonträger als die Audiokassette erfunden hat, sondern mit seinen Rauschunterdrückungsverfahren das mit der Audiokassette mögliche Klangerlebnis verbesserte.

So ähnlich soll es nun also auch mit Dolby Vision laufen: Ganz vereinfacht gesprochen, erfasst dieses Verfahren die Bildqualität am Anfang der Kette und führt diese Information bis zum Endgerät mit, wo dann das Maximale an dort verfügbarer Bildqualität rausgekitzelt wird. Dabei soll auch berücksichtig werden, was die Intention derer war, die an der Aufnahme und Postproduktion der Inhalte beteiligt waren, die nun auf dem jeweiligen Gerät angesehen werden. Das Ganze soll über Metadaten realisiert werden und erfordert in den Endgeräten einen Algorithmus, der diese Metadaten lesen kann und die Darstellungsmöglichkeiten des jeweiligen Endgeräts dann entsprechend optimal nutzt. Prinzipiell ist Dolby Vision auflösungsunabhängig, kann also mit HD und Ultra HD verwendet werden, in der Praxis dürfte es aber wohl, wenn die Display-Hersteller darauf anspringen, als Zusatztechnologie in den neuesten 4K-Monitoren auf den Markt kommen.

Firmenvideo von Dolby zu Dolby Vision.

Am besten ist es, wenn man den Unterschied selbst sieht, der damit heute schon möglich ist. Um das Ganze aber wenigstens der Spur nach auch verstehen zu können, muss man zunächst einen Schritt zurückgehen und sich ein paar Grundlagen verdeutlichen. Aber keine Angst: Der folgende Abschnitt geht nicht ans Eingemachte, sondern will leicht verständlich und in bewährter, aber letztlich unwissenschaftlicher Weise darstellen, worum es im Grunde geht.

Das Auge als Maß

Das menschliche Auge kann einen bestimmten Bereich an Farben und Helligkeitsstufen erfassen.

Die Farben, die der Mensch sehen kann, kann man auf verschiedene Weise darstellen. Eine der gängigen Methoden dafür ergibt ein zungenförmiges Diagramm: Hier sind — grob gesagt — alle Farben enthalten, die der Mensch wahrnehmen kann.

Keines der derzeit existierenden Bildverfahren kann aber dieses gesamte Farbspektrum darstellen, das der Mensch sehen kann — nur in der Natur sind alle Farben vorhanden. Ein Monitor oder Projektor zeigt immer nur einen Ausschnitt aus dem Farbspektrum.

Um eine gemeinsame Basis für Vergleiche, Messungen und technische Verfahren zu haben, wurden im Lauf der Jahre verschiedene, meist dreieckige Ausschnitte aus dem Farbspektrum definiert. Sie werden Farbraum genannt und tragen Zusatzbezeichnungen wie BT.701 (auch Rec.701 genannt) oder BT.2020. Je größer diese Farbräume, um so mehr Farben und um so natürlichere Bilder können damit dargestellt werden.

Die zweite wichtige Größe ist der Helligkeitsbereich, den man abbbilden, darstellen und sehen kann. Das Auge kann sich, wenn man ihm etwas Zeit gibt, auf eine enorme Spanne zwischen dunkel/schwarz und hell/weiß einstellen: Dazu wird die Pupillengröße verändert, es finden biochemische Anpassungen auf der Netzhaut und Änderungen in der Verarbeitung der ankommenden Reize im Gehirn statt.

Am wichtigsten für die Bildwiedergabe unter kontrollierten Bedingungen, wie sie in Büros oder Wohnzimmern herrschen, ist aber letztlich, wie groß der Helligkeitsbereich ist, den das Auge spontan verarbeiten kann. Hierfür gibt es verschiedene Messgrößen: etwa das Kontrastverhältnis von 100.000:1 oder den Kontrastumfang von 100 dB. Was auch immer man als Maß ansetzt: Die momentan für den Massenmarkt verfügbaren Systeme können am Ende der Kette nur einen Bruchteil davon darstellen.

Wenn der Kontrastumfang eines Geräts oder eines Bildsystems aber kleiner ist, als der des menschlichen Auges, wie etwa bei den derzeit üblichen TV-Systemen, dann weicht das wiedergegebene Bild in Bezug auf den Kontrastumfang von dem ab, was man vor Ort sehen würde: Für die Bildschirmdarstellung wird der tatsächlich in der Realität vorhandene Kontrastumfang entweder insgesamt gestaucht, oder man wählt einen bestimmten Abschnitt aus, der möglichst gut dargestellt werden soll und lässt den Rest im Schwarz »absaufen« oder im Weiß »überstrahlen«.

Ein weiterer Aspekt ist die vom Auge maximal verarbeitbare Leuchtdichte die jenseits von 20.000 cd/m2 (Nits) liegt. Zum Vergleich: Computer-Bildschirme erreichen typischerweise 200 bis 300 Nits. Kinoprojektoren schaffen 48 Nits.

Stand der Technik

Die beste Bildqualität, die derzeit auf breiter Basis im Markt verfügbar ist, stellt immer noch die Blu-ray Disc dar. Die Blu-ray Disc arbeitet im Farbraum Rec.701 und ist auf Displays mit 100 Nits optimiert. Die gleichen Eckwerte gelten im Grunde auch für Live-HD-Fernsehprogramm.

In der Praxis sind aber aufgrund der technischen Weiterentwicklung mittlerweile Displays verfügbar, die deutlich mehr können, sowohl was die Helligkeit, als auch was den Farbraum angeht — und das wollen die TV-Gerätehersteller natürlich auch ausnutzen und zeigen, um die Kunden zu überzeugen. Also wird das auf der BD vorliegende oder vom Sender ankommende Bildsignale »aufgeblasen« und mit jeweils herstellereigenen Techniken und Verfahren an die Möglichkeiten des Geräts »angepasst«. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die künstlerische, gestalterische Intention der Macher. Die haben möglicherweise sehr viel Zeit im Color Grading dafür verwendet, einen besonderen Look zu erzielen und so die Wirkung des Films zu unterstützen und zu verstärken. Wenn nun aber in Wahrheit am Ende der Produktionskette, bei der Vorführung des Films, der Look durch irgendwelche Funktionen im Fernsehgerät bestimmt und damit letztlich das Bildmaterial so verfälscht wird, dass es ganz anders rüberkommt, dann ist das letztlich weder im Sinne der Macher, noch der Zuschauer.

Ein weiteres Problemfeld besteht darin, was man denn heutzutage in der Postproduction, im Grading und Mastering als Maß der Dinge annehmen soll: Welche Vorführmöglichkeiten stehen denn beim Endkunden zur Verfügung? Welchen Sinn ergibt es, wenn man das Grading und Mastering mit Projektoren oder Monitoren realisiert, die mit dem, was in Kinos und in Wohnzimmern verfügbar ist, nur wenig gemeinsam haben? Oder wenn man andererseits die neuesten Möglichkeiten nicht nutzen kann, weil man kompatibel zum kleinsten gemeinsamen Nenner bleiben muss?

Dolby Vision

Hier setzt Dolby Vision an. Das Verfahren soll dafür sorgen, dass die jeweils im Display oder Projektor vorhandenen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden, und so die jeweils maximal mögliche Bildqualität bei der Vorführung erzielt wird — ohne dabei die Intentionen der Macher in puncto Bildgestaltung zu verfälschen.

Dazu sollen Metadaten vom Anfang der Produktionskette bis zum Ende mitgeführt werden, die Auskunft über die ursprüngliche Signalqualität und die intendierte Darstellung enthalten. Diese Metadaten werden im Grading und Mastering in einem halbautomatischen Prozess, der manuelle Eingriffe erlaubt, so fortgeschrieben, dass das Vorführgerät am Ende der Kette ein Bild darstellt, das die maximal im Gerät verfügbare Qualität in puncto Helligkeit, Kontrastwiedergabe und Farbraum ausnutzt und dennoch dem von den Machern gewollten Look möglichst nahe kommt.

Man kann also im Grading und Mastering mit der vollen Qualität des Bildmaterials in puncto Dynamikumfang und Farbraum auf den besten High-Brightness-Displays arbeiten, ohne befürchten zu müssen, dass das Endergebnis auf »normalen« Displays oder Kinoleinwänden schrecklich aussieht, sondern man hat im Gegenteil die Gewähr, dass man das Maximum aus dem jeweiligen Endgerät herausholt.

Das soll so gehen, dass die maximale Helligkeit, der lokale Kontrast und der Farbraum des Vorführgeräts definiert und im Gerät gespeichert sind. Diesen Eckdaten entsprechend wird dann das Bild anhand der Dolby-Vision-Metadaten optimal dargestellt. Dolby Vision sorgt nach einem festgelegten, immer gleichen, den Machern bekannten Algorithmus, für das entsprechende »Mapping«.

Natürlich agiert Dolby dabei als Wirtschaftsunternehmen und nicht als uneigennütziger Wohltäter der Menschheit: TV-Gerätehersteller, die Dolby Vision in ihre Geräte integrieren wollen, müssen dafür Lizenzgebühr an Dolby bezahlen.

Dolby Vision ist derzeit für Displays bis zu einer Helligkeit von 10.000 Nits und für den für Ultra HD definierten Farbraum BT.2020 konzipiert. Das sollte für viele Jahre ausreichen, denn TV-Displays mit dieser oder höherer Helligkeit sind derzeit nicht in Sicht — und Dolby Vision kollidiert auch nicht mit Ultra HD, sondern kann damit kombiniert werden.

Demo im Rahmen der NAB

Am Dolby-Stand konnte man während der NAB2014 im direkten Vergleich sehen, was wir als Endkunden haben und was wir haben könnten: Ein nach heutigen Maßstäben normales TV-Gerät, das mit einem normalen HD-Signal gespeist wurde, wie man es von einer Blu-ray Disc wiedergeben kann, gab dort die gleichen Szenen wieder, die daneben auf einem Display mit rund 40 mal größerer Maximalhelligkeit dargestellt wurden, das mit Dolby-Vision-Material gefüttert wurde. Der Unterschied sprang dabei sofort ins Auge und ist nur schwer in Worte zu fassen: Viele Endkunden dürften diesen Unterschied als größer und eindrucksvoller wahrnehmen, als den bloßen Auflösungssprung von HD zu Ultra HD.

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