Messe: 08.09.2012

IBC2012: Toptrends zeichnen sich ab

Zur IBC2012 haben die Hersteller insgesamt wieder mehr echte Neuheiten mitgebracht, als bei den vergangenen drei oder vier großen Messen zu sehen waren. Nach dem ersten Messetag in Amsterdam zeichnen sich die ersten Trends zunehmend klarer ab.

Natürlich bietet eine Messe wie die IBC in vielen Bereichen ganz unterschiedliche Trends, aber es kristallisieren sich doch in jedem Jahr ein paar übergreifende Themen heraus, die in verschiedenen Zusammenhängen hochpoppen und bei diversen Herstellern zu sehen sind.

4K

Was Sony schon seit einigen Jahren mit dem Slogan »Beyond HD« umschreibt, war bisher mehr oder weniger auf den Digital-Cinematography-Bereich beschränkt. Nun wird dieses Thema aber in Form von 4K-Produkten und Workflows auch außerhalb dieses kleinen Spezialistenmarkts immer greifbarer. Das zeigt sich zum einen in Produkten wie dem 4K-Handheld GY-HMQ10 von JVC, aber etwa auch darin, dass nun an immer mehr Ständen zumindest Prototypen von 4K-Monitoren zu sehen sind: neben Firmen, die auf Monitore spezialisiert sind, gehören auch JVC und Panasonic dazu. Sony sticht hier aber definitiv besonders heraus und zeigt am Stand einen 84-Zoll-4K-Monitor. Gleichzeitig dient dieser Monitor dazu, 4K-Material vorzuführen, das via Satellit empfangen wird: Sony und die Astra-Mutter SES kooperieren bei einem 4K-to-Home-Projekt und wollen hier Maßstäbe setzen.

IP-basierte Professional-Video- und Broadcast-Produkte

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren IP-basierte Produkte im Professional-Video- und Broadcast-Bereich noch einigermaßen exotisch und wenigen Spezialisten auf der Hersteller- und Anwenderseite vorbehalten. Das hat sich mit der Zeit stark verändert und Firmen wie Teracue zeigten immer wieder, dass das Potenzial dieser Technik weit darüber hinausreicht, Videoprogramme in Hotels oder Konferenzzentren zu verteilen.

Nun kommen nicht nur verstärkt Contribution-Lösungen auf IP-Basis, also Systeme, mit denen sich vor Ort gedrehtes Material in Form von Files in eine Zentrale übertragen lässt. Auch für die Fernsteuerung von Kameras werden auf immer breiterer Basis IP-Lösungen eingesetzt — und zwar keineswegs nur in der Überwachungstechnik. Live-Video IP-basiert über ganz normale Netzwerk-Infrastrukturen, also letztlich über Ethernet-Kabel zu übertragen, das zeigt Sony mit einem System, das zur NAB als Prototyp gezeigt wurde und das nun nur noch wenige Monate vor der Markteinführung steht.

Letztlich ist ja auch Quantels QTube-System eine IP-basierte Lösung, die ganze Produktions-Workflows ortsübergreifend und sogar ortsunabhängig macht. Dass IP-Systeme einen großen Einfluss auf die Videowelt haben werden, ist also im Grunde schon länger klar — aber nun kommt diese Technologie auch außerhalb dessen zum Einsatz, was bisher als file-basierte Produktion beschrieben wurde.

Live-Video via Handynetz

Nicht mehr flammneu, aber immer noch mit hohem Innovationstakt versehen, ist die Technik, Live-Videosignale mit relativ geringer Latenz via Handy-Netz zu übertragen. Im Rahmen der IBC2012 zeigen LiveU, Code One, Dejero und TVU Networks hier ihre neuesten Entwicklungen.

W-LAN-Remote, Proxies

Vom Smartphone oder Tablet aus Kameras kabellos steuern, kabellos Metadaten eingeben und Proxies sehen, das ist auch nicht mehr ganz neu — aber in diesem Jahr gibt es eine wahre Explosion solcher Lösungen zu sehen. Einen eigenen Weg, ohne dass eine App nötig wäre, geht dabei JVC: Die Geräte der kommenden 600er-Camcorder-Serie können browser-gesteuert von jedem Smartphone, Tablet oder Laptop aus fernbedient werden, ohne dass man spezielle Software installieren müsste und auch das Kamerabild kann man sehen.

Channel in a Box

Dass es einen Bedarf an immer mehr Spartensendern gebe, das wird in der Branche schon seit Jahren gepredigt. Dabei wird oft der Vergleich zum Zeitschriftenkiosk gezogen: Die Vielfalt der Special-Interest-Zeitschriften werde sich auch in der TV-Landschaft spiegeln, lautet die Prognose. Für viele Experimente in dieser Richtung waren bisher die Kosten allerdings noch zu hoch, aber seit etwa zwei oder drei Jahren kommen immer wieder Systeme auf den Markt, die den sehr preisgünstigen Betrieb eines Senders ermöglichen sollen, meist unter dem Stichwort »Channel in a Box«.

Anbieter wie Playbox sind hier aktiv, oder auch Tools-On-Air und Snell. Nun wollen aber auch Harris und Grass Valley in diesem Markt aktiv werden und stellen zur IBC2012 Channel-in-a-Box-Lösungen vor: Es soll also insgesamt immer günstiger werden, einen TV-Sender on Air zu bringen.

Systemkomplexität steigt

Während die Sendeabwicklung eines Spartensenders immer einfacher und billiger werden soll, steigt gleichzeitig die Komplexität der Produktionssysteme immer weiter an. Ein vernetztes, file-basiertes Produktionssystem eröffnet viele Möglichkeiten, effizient zu arbeiten, erfordert aber auch die Verknüpfung und Integration vieler Komponenten, die Definition von Workflows und die Schaffung einer Systemarchitektur, die sich keineswegs von allein ergibt, sondern die intensiver Planung bedarf.

Wurden früher mehr oder weniger lauter Standalone-Systeme über klar definierte Videoschnittstellen verknüpft, etwa Videorecorder, Mischer, Messgerät und Sende-Encoder, so müssen heute oft erst Schnittstellen und Workflows definiert, Softwares angepasst und integriert werden, bevor man vernünftig arbeiten kann. Zweifellos eröffnen sich viel mehr Möglichkeiten, wenn man diese Hürden erstmal genommen hat, aber der Weg dahin ist keineswegs einfacher als früher, weil man eben nicht nur im positiven, sondern auch im negativen Sinn viel mehr Möglichkeiten hat — mit allen Inkompatibilitäten und ungeahnten Problemen mit Formaten, Codecs, Files, Wrappern und Schnittstellen.

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