NAB2006: Grass Valley – Infinity und mehr
Grass Valley zeigt die weiter entwickelte Infinity-Reihe, ein HD-Drahtlos-Kamerasystem und Zubehör für seine HD-Multiformat-Kameras.
»Welcome to the Thomson and Grass Valley press conference«, diese Begrüßung ließ schon vermuten, dass einiges anders sein würde bei dieser Veranstaltung, als in bisherigen Jahren. Und so kam es auch: Willy Shih, Executive Vice President Technology von Thomson und somit Mitglied des Führungsteams der Mutterfirma von Grass Valley, gab einen Rück- und einen Ausblick auf technische Entwicklungen, an denen sich Thomson maßgeblich beteiligt sieht. Als treibende Kräfte der aktuellen Entwicklungen macht Shih aus, dass Rechnerleistung und Speicher immer günstiger werden, was aus seiner Sicht den Siegeszug von IT unaufhaltsam macht. Als Folge daraus betrachtet Shih, dass sich neue Distributionswege für Content ergeben haben und weiterhin ergeben werden: Wir leben demnach in einer »Multi-Distribution«-Welt.
Anschließend erläuterte Marc Valentin, President von Grass Valley, dass im Medienbereich aus seiner Sicht ein nicht mehr aufzuhaltender Übergang zur Mobilität begonnen habe. Für den Bereich Mobile-TV zeigte Valentin ein Chart, das von einem massiven Umsatzwachstum in den kommenden Jahren von jeweils etwa 100% in diesem Marktsegment ausgeht. Hierbei sieht er Thomson insgesamt und Grass Valley im Besonderen einzigartig gut positioniert, um nahezu die gesamte Wertschöpfungskette dieses neuen, zusätzlichen Markts zu bedienen, der hier für die Broadcaster entstehe. Valentin prognostizierte, dass Mobile-TV für die Broadcaster ein Thema mit hoher Bedeutung werde, besonders was die Markenentwicklung, aber auch wirtschaftliche Faktoren betreffe: Mobile-TV stellt aus seiner Sicht eine »major new opportunity« für die Broadcaster dar.
Die Neuerwerbung Canopus streifte Valentin bei seiner Präsentation denn auch passend zu seinem Themenschwerpunkt nur unter dem Aspekt Video-over-IP.
Außerdem stellte Valentin einen neuen MPEG-4-Codec vor, der als »HD Advanced Compression Chip« verschiedene Formate beherrsche und HD in 4 Mbps verarbeiten könne. Aus Valentins Sicht ein absolutes Schlüsselprodukt.
Beim Thema Infinity, das der Vice President Strategic Market Development Jeff Rosica präsentierte, stellte das Unternehmen ins Zentrum, dass dieses neue Akquisitionssystem von Grass Valley den Anwendern bislang ungeahnte Freiheiten und Wahlmöglichkeiten eröffne: Der Kunde könne wählen, welchen Codec, welches Format und welches Speichermedium er verwenden wolle. In der Tat soll Infinity schon zu Beginn der Markteinführung etwa DV, IMX oder HD in verschiedenen Varianten unterstützen und die Aufzeichnung auf USB-Speichersticks, Compact-Flashcards und das RevPro-Festplattensystem erlauben. Damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Jan Eveleens, Chef der Kameraabteilung des Unternehmens in Breda, erläuterte gegenüber www.film-tv-video.de, dass Infinity prinzipiell auch für andere Formate und Codecs offen sei: »Für uns ist der begrenzende Faktor lediglich die Leistungsaufnahme eines Hardware-Codecs des entsprechenden Formats. Wir können beim Infinity-Camcorder prinzipiell auch andere Boards mit eventuell in der Zukunft kommenden Codecs nachrüsten.«
Die Produkte der Infinity-Baureihe standen im Mittelpunkt des Interesses. Die zur vergangenen IBC angekündigte Infinity-Produktreihe für die bandlose Akquisition besteht zunächst aus einem Camcorder und einem Fieldrecorder. Wie weit ist Grass Valley mit dem System, wann wird es verfügbar sein und wie viele der angekündigten Funktionen sind in der ersten Version schon integriert? Fragen, die vor allem die Gespräche nach der NAB-Pressekonferenz dominierten.
Infinity-Update
Den 2/3-Zoll-Camcorder will Grass Valley im Juni in ersten Mustern ausliefern, ab Juli soll er dann für rund 20.000 Euro auch für Endkunden verfügbar werden. Als Aufzeichnungsmedium nutzt das Gerät Iomega REV, ein Speichermedium aus dem IT-Bereich, für dessen Verwendung Thomson schon im Zusammenhang mit dem Turbo-Server einen OEM-Vertrag abgeschlossen hat. Mit den kompakten REV-Medien (35 GB) sollen sich 2 Stunden SD- oder 45 Minuten HD-Material aufzeichnen lassen — letzteres mit Datenraten bis 110 MB/s, so dass etwa HD also mit Datenraten von bis zu 100 MB/S aufgezeichnet werden kann. Tatsächlich realisiert hat Grass Valley nach eigenen Angaben für die während der NAB2006 gezeigte Entwicklungsstufe des Geräts die Aufnahme von 720p-Signalen mit 75 Mbps. Alternativ zu RevPro es auch möglich, auf CompactFlash-Speicherkarten aufzuzeichnen.
Während der Pressekonferenz betonte Grass Valley, wie robust insbesondere die REV-Medien seien: Sie sollen selbst dann überleben und sofort abspielbereit sein, wenn sie auf 65 Grad erhitzt oder im Schnee bei extrem kalten Umgebungen verwendet wurden. Selbst das Gewicht eines darüberfahrenden LKWs sollen die Medien aushalten, ohne zu zerbrechen.
Im Endeffekt soll der Infinity-Camcorder folgende Formate beherrschen: 525i /60, 625i /50, 1080i / 50, 1080i / 60, 720P / 50, 720P / 60.
SD-Formate sollen sich in 16:9, 4:3 oder Letterbox aufzeichnen lassen. Weiter sollen im SD-Bereich diverse Formate und KompressionsCodecs auswählbar sein, unter anderem DVCAM, DVCPRO. Zusätzlich wird der Camcorder JPEG2000 unterstützen. Dieser Codec biete den Vorteil, dass er effektiver arbeite und Artefakte wie etwa Blockbildung nicht mehr auftreten. JPEG2000 bietet Bilder in 10-Bit/4:2:2.
Insgesamt hat Grass Valley nach eigenen Angaben 10 funktionsfähige Camcorder zur NAB mitgebracht, die laut Jan Eveleeens von Hardware und Mechanik den endgültigen Stand der ersten Baureihe darstellen, bei denen es aber noch Software-Änderungen geben wird.
Den Camcorder ergänzt Grass Valley mit einem kompakten Fieldrecorder (Digital Media Recorder, DMR) mit Aufklapp-Display, der ungefähr 10.000 Euro kosten soll und ebenso wie der Camcorder über verschiedene IT-Schnittstellen verfügt (USB, FireWire). Der DMR soll sich direkt an NLE-Stationen anschließen lassen. Er soll ab September 2006 ausgeliefert werden und in zwei Varianten erhältlich sein: mit oder ohne in den Deckel integriertes LC-Display.
Das eigentliche REVPro-Laufwerk sei schon jetzt verfügbar und lasse sich über USB2 oder Firewire anschließen.
Erste Partner für Infinity konnte Grass Valley mit Avid und HP auch schon gewinnen: HP wird demnach interne RevPro-Laufwerke als Option seiner Workstations anbieten und Avid will dafür sorgen, dass es möglich wird, JPEG2000-komprimiertes Material direkt mit einem Avid-Editing-System verarbeiten zu können. Als weitere Kooperationspartner nannte Grass Valley MainConcept und Telestream.
Drahtlos-Kamerasystem
Eine andere Grass-Valley-Neuheit ist ein HD-Drahtlos-Kamerasystem, das auf JPEG2000-Kompression basiert. Bei einer Bandbreite von 55 bis 75 Mbps soll es möglich sein, JPEG2000-komprimierte HD-Bilder mit einer Verzögerung von nur einem Frame zu übertragen. Das System soll zudem auch eine geringere Bitrate, einen robusten Übertragungs-Modus und einen Booster für Außenübertragungen mit langen Übertragungsdistanzen bieten. Die Übertragung basiere auf dem 802.16-Standard, einem Subset des WiMax-Formats. Die Nutzung dieses Standards habe überhaupt erst die zügige Entwicklung dieses Systems ermöglicht und erlaube zudem ein robustes System auch über längere Distanzen hinweg – mit einem optionalen Roaming-Kit bis zu einem Kilometer. Das Drahtlos-Kamerasystem ist andockbar mit der LDK-6000-Series von HD-Kameras. Ein komplettes System soll zu Nettopreisen ab 116.000 Euro und ab dem dritten Quartal 2006 angeboten werden.
Zubehör für HD-Multiformat-Kameras
Grass Valley bietet für seine Multiformat-Kameras einen neuen Viewfinder an: den SuperExpander (7 Zoll). Der Schwarzweißsucher soll kontrastreiche, scharfe Bilder liefern und gerade bei Sportaufzeichnungen das Einstellen der Schärfe erleichtern. SuperExpander kann mit Triax-, Hyprid-Fiber oder Dual-Fiber genutzt werden und soll im Sommer ausgeliefert werden.
Ebenfalls neu ist die »Mixed Operation Box« (MOBox), die für Ü-Wagenbetreiber gedacht ist, die sowohl in Triax- wie in Glasfaser-verkabelten Umgebungen arbeiten (etwa in Stadien) und quasi eine schnelle Übersetzungs-Möglichkeit brauchen, um von Triax auf Glasfaser zu gehen und umgekehrt.
Weiter stellt Grass Valley eine neue Version seines HD-Triax-Übertragungssystems vor, das nun bessere S/N-Werte liefert und Distanzen von bis zu 1.500 Metern ermöglicht.