Gimbal-Praxistest: Zhiyun Crane 2S
Der Einhand-Gimbal Crane 2S von Zhiyun bietet sich als Alternative zu den Ronin-Modellen von DJI an — Praxistest und Video.
2020 ist ein interessantes Jahr für Einhand-Gimbals, denn nun kommen einige davon in ihre dritte Phase — und einer davon ist der Zhiyun Crane 2S.
In der ersten Generation musste man sich noch mit komplizierten Einstellungen herumplagen, bis die Motoren vernünftig angepasst waren. Mit der zweiten Generation konnte man dann schon anständiger arbeiten, und die Hersteller gingen dazu über, nützliche neue Features zu implementieren: Erste Follow-Focus-Versuche starteten, und die Anbieter erkannten, dass man die Gimbals mit entsprechendem Zubehör erweitern, besser und vielfältiger nutzen konnte.
Mit den jüngsten Modellen der neuesten Gimbal-Generation wird das alles noch runder, weiter optimiert — und aus den früheren Versionen sind mittlerweile solide Produktionswerkzeuge geworden.
Dazu gehören die neuesten Gimbal-Modelle von Zhiyun und auch von DJI, dem Platzhirsch unter den Drohnen- und Gimbal-Anbietern.
Beide Hersteller versprechen verbesserte Fokusmöglichkeiten, Funkstrecken und Befestigungsoptionen. Im folgenden Test des Einhand-Gimbals Crane 2S von Zhiyun haben wir zu Vergleichszwecken teilweise einen bestehenden Ronin-S (Test) eingesetzt.
Der neue Crane 2S ist der Nachfolger des Crane 2 und fügt sich zu einem Endkunden-Basispreis von rund 600 Euro in der Gimbal-Palette von Zhiyun zwischen dem günstigeren Weebill (Info) und dem teureren Crane 3S (Info) ein.
Neben der Standardversion inklusive Mini-Stativ gibt es auch ein Kombipaket namens »Crane 2S Combo«, das zusätzlich drei Zusatzbatterien und den TransMount Mini-Doppelgriff für 679 Euro mitbringt. Nächste Variante ist eine »Pro«-Version für 949 Euro, die den Follow Focus Motor, Image Transmitter mit Mini Dual Grip sowie einen dritten Satz Akkus beinhaltet.
Das hier verwendete Testmodell ist Crane 2S Combo mit zusätzlichem Griff und einem weiteren Satz Batterien. Das weitere Zubehör ist obligatorisch: Objektivstütze, Kamerakontrollkabel, Quick Release Plate und Riser.
Die Tragkraft des Crane 2S beziffert der Hersteller auf 0,6 kg bis 6,49 kg. Die obere Grenze wurde gegenüber den 3,2 kg des Crane 2 deutlich erhöht.
Die erhöhte Tragkraft wird durch stärkere Motoren und einen weiterentwickelten Algorithmus für deren Ansteuerung erreicht. Zhiyun verweist hier auch auf eine Liste kompatibler Kameras, unter denen sich auch größere Kandidaten finden, wie etwa die Panasonic S1H (Test), Blackmagic PCC 6K (Test) und die Canon 1DX MK2.
Der nackte Gimbal selbst wiegt laut Hersteller 1,88 kg (ohne Akkus) und misst 453 x 230 x 68 mm.
Kontrollieren kann man sowohl die Gimbal- als auch Kameraeinstellungen über das neue 0,96-Zoll-OLED- Display. Unter anderem ist es hier möglich, die Motorparameter direkt über den Gimbal einzustellen, wenn man nicht den Weg über eine App gehen will.
Ganz interessant ist bei den Einstellungen für die Motoren der oberste Menüpunkt »Auto«: In diesem Modus kalibriert der Gimbal die benötigte Motorleistung selbst. Das ist besonders dann praktisch, wenn man mal schnell auf ein anderes Objektiv mit anderem Gewicht wechseln will. Einen Shortcut für diese Funktion, wie sie etwa DJI anbietet, habe ich im Test nicht gefunden — aber das könnte wahrscheinlich schnell mit einem Software-Update durch den Hersteller erledigt werden.
Es gibt beim Crane 2S auch die Möglichkeit, die Motoren manuell selbst auf Low, Mid oder Strong zu stellen. Für viele DSLR-Modelle dürfte Low schon ausreichen. Stellt man die Power hier zu hoch ein, können die Motoren anfangen zu vibrieren.
Wenn die Kamera mit dem entsprechenden Kabel verbunden ist, kann man über das Menü Blende, Verschlusszeit und ISO relativ einfach verändern. Auch digitales Fokussieren ist über das Fokusrad möglich.
Weiterhin fallen gleich die drei USB-Buchsen am Gimbal-Arm auf. Die hintere ist für das Steuerkabel der Kamera, an den vorderen beiden lassen sich die Fokusmotoren anschließen.
Die Batterien liefern Power für zwölf Stunden. Um die Stromversorgung muss man sich bei aktuellen Gimbals eigentlich keine Sorgen mehr machen — ein zweites Set Akkus ist trotzdem sinnvoll, weil Akkus ja altern und von Außenbedingungen abhängen. Was ganz praktisch ist: Das Ladegerät der Batterien kann man auch mit einer Powerbank betreiben.
Die wechselbaren Akkus werden im Griff untergebracht, die Hülse des Griffes besteht aus Carbon.
Die Möglichkeit, die Achsen mechanisch zu blockieren, ist ein tolles, praktisches Feature, das man bei vielen neuen Gimbals sieht. Damit lässt sich auch der Crane 2S sicher und klapperfrei transportieren. Er verfügt hier über je zwei Arretierungseinstellungen, bei der Tilt-Achse sogar über drei.
Im Auslieferungszustand ist der Crane 2S eher für größer dimensionierte Kameras vorkonfiguriert. Daher hat er auch keinen um 45 Grad geneigten Pan-Arm und bietet eine gute Sicht auf das Kamera-Display.
Wenn man aber eine kleinere Kamera verwenden will, kann man den Arm über acht Schrauben lösen und verkürzen. Die Rollachse sitzt dann tiefer, und der Arm steht im 45-Grad-Winkel. Das ist letztlich ein fast schon geniales Feature, das man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so leicht erkennt.
Auffällig ist der voluminösere Arm an der Tilt-Achse. Dieser ist zum einen länger, um auch höhere Kameras wie die 1DX tragen zu können.
Zum anderen kann man die Kamera auch im Vertikalmodus befestigen, wenn man das braucht.
Zur eingangs erwähnten »neuen Generation« der Gimbals zählt auch, dass oft eine funktionierende Funkübertragung und Remote-Steuerung separat angeboten wird. Bei Zhiyun heißt das Ganze »TransMount System« und bewerkstelligt die Bildübertragung sowie die Motoren für Fokus und Zoom.
Über einen Sender, der unter der Quick-Release-Plate befestigt wird, lässt sich das Bild an einen Fokuspuller/Assistenten übertragen, der gleichzeitig den Gimbal bedienen kann. Das Bild wird entweder am Handy kontrolliert, oder man investiert zusätzlich noch in den Empfänger und kann einen separaten Monitor anschließen. Was bei großen Produktionen Standard ist, hält jetzt also auch Einzug in tieferen Budgetregionen.
Praxis
Was beim Crane 2S sofort auffällt, wenn man ihn in die Hand nimmt, ist der Griff. Der erinnert stark an den Crane 2 und hat— zumindest nach meinem Geschmack — einen etwas zu großen Durchmesser, um ihn gut greifen zu können.
Außerdem dauert es wirklich lang, bis man den Griff aufgeschraubt hat, wenn man an die Akkus will: das Gewinde ist superlang. Zum Glück muss man die Akkus nicht häufig während des Drehens wechseln, weil die Akkukapazität im Vergleich zur Leistungsaufnahme groß dimensioniert ist.
Die Arme des Gimbals machen einen sehr stabilen Eindruck, lediglich das Arretieren des Rollarmes verlangt, wie schon bei den Vorgängern, etwas mehr Einsatz. Diesen sollte man lieber immer doppelt kontrollieren. Ansonsten flext nichts, auch die Verschlüsse sind sehr solide und können in ihrer Spannkraft verstellt werden.
Ein großes und häufiges Problem von Gimbals sind Vibrationen — oder waren es zumindest. Die Hersteller bauen hier jetzt aber auf stärkere Motoren mit intelligenterer Ansteuerung, um dem entgegenzuwirken. Um Vibrationen im Bild besser sichtbar zu machen, verwende ich in Tests gern Teleobjektive.
Aber auch hier leistete der neue Crane gute Arbeit. Im angefügten Testvideo wurden diese Passagen ohne Stabilisierung in der Postproduction im Schnitt aneinandergereiht.
Unter anderem kommt dabei auch eine 400-mm-Brennweite zum Einsatz, und selbst mit dieser langen Brennweite — die man in der Gimbal-Drehpraxis außerhalb eines Tests kaum verwenden würde — kommt der Crane 2S wirklich gut zurecht.
Selbst beim Gehen und Laufen mit so langer Brennweite bleibt das Bild den Umständen entsprechend stabil, wenn man den Deadband etwas weiter einstellt, der Gimbal also nicht sofort mitschwenkt.
Was mir beim Laufen und während des Filmens aus dem Auto aufgefallen ist, war ein Horizontdrift. Das Bild neigte sich also durch die Fliehkräfte etwas. Auch hier ist es aber bestimmt möglich, dies Software-mäßig per Update nachzubessern.
Neben der Stabilisierung der Kamera haben die Gimbals heutzutage ja noch eine Fülle an weiteren Funktionen. Beim Crane 2S stehen hier sechs verschiedene Modi zur Verfügung: Pan Following, Locking, Following, POV, Vortex und Go-Modus.
Während bei den ersten drei Modi jeweils verschiedene Achsen gelockt werden, bieten die anderen eher kreative Lösungen. Beim Vortex-Modus, also dem Taschenlampenmodus, lässt sich die Kamera in der Horizontalen drehen. POV bedeutet, dass jede Bewegung des Handgriffes auf die Kamera übertragen wird, also auch das Kippen nach links und rechts. Der Go-Modus ist auch als Sportmodus bekannt, hier reagiert der Gimbal sehr schnell auf Bewegungen.
Die diversen Modi lassen sich alle bequem über mehrmaliges Tippen der M-Taste durchschalten und laufen sehr stabil. Auch beim Go- und Sportmodus stören keine Vibrationen. Der Crane 2S hat übrigens während des gesamten Testzeitraumes keinerlei Aussetzer oder Störungen gezeigt.
Bedienung
Der Fokus lässt sich digital über das Fokusrad steuern. Da es sich dabei lediglich um eine USB-Verbindung handelt, ist das — wie bei anderen Herstellern in einer ähnlichen Preisregion auch — letztlich nur als Notlösung zu betrachten.
Richtig akkurate, punktgenaue Schärfeverlagerungen sind damit eher schwer hinzubekommen. Hier ist mir beim Zhiyun als auch bei DJI-Modellen aufgefallen, dass man etwas bessere Ergebnisse erzielt, wenn man die Fokusgeschwindigkeit etwas höher einstellt. Wenn der Fokus auf sehr niedrig steht, tut sich der Crane zumindest mit einer GH5 sehr schwer. Ich habe die Geschwindigkeit in diesem Fall auf »Medium« gestellt.
Möchte man die ganze Sache akkurater angehen, bietet Zhiyun hier externe Fokusmotoren an, die über den Gimbal mit Strom versorgt werden. Hier lassen sich dann auch AB-Stops einstellen.
Mit der Bedienung des Crane 2S konnte ich mich nicht in allen Aspekten anfreunden. Ein Beispiel: Hält man den M-Knopf des Crane 2S für drei Sekunden gedrückt, springt der Gimbal in den Schlafmodus.
Da es aber beim Bedienen des Joysticks schon mal vorkommen kann, dass man auch das Bedienrad oder den M- und Ein/Aus-Knopf versehentlich anfasst, kann das durchaus auch unerwünscht passieren.
Was aber noch sehr viel nerviger ist: Verbindet man die Kamera per Kabel, dient der Ein/Aus-Knopf des Gimbal gleichzeitig auch zum Starten der Aufnahme. Man startet also jedes mal die Kamera, wenn man eigentlich nur den Gimbal ausschalten will. Das passierte zumindest bei meinem Testmodell in Kombination mit der GH5. Das sollte Zhiyun ebenfalls in einem Software-Update beheben.
Vorne besitzt der Crane einen weiteren Knopf, über den man in den Follow-Modus kommt. Hierbei lässt sich einstellen, ob der Knopf nur kurz angetippt oder gedrückt gehalten werden muss.
Natürlich lässt sich auch das Smartphone mit dem Gimbal verbinden. Über dieses hat man Zugriff auf einen virtuellen Joystick und kann Einstellungen am Gimbal vornehmen. Der Zugriff auf die Kreativmodi ist über das Fotoapparatsymbol zu finden.
Hierüber lassen sich Panoramen und Zeitraffer erstellen. Auch bewegte Zeitraffer sind über Motionlapse möglich. Ein richtiges Point-Shoot-Point, also das Schwenken und dann erst Auslösen, habe ich nicht hinbekommen (Infos). Hier hat das Timing nie richtig gestimmt. Daher würde ich empfehlen, das Ganze im Videomodus zu realisieren.
Gibt man mehr als zwei Punkte bei der Motionlapse ein, bleibt der Gimbal an den mittleren Punkten kurz stehen, was zu Rucklern im Bild führt: Ein weiches Ein- und Ausschwenken wäre wünschenswerter.
Weiterhin gibt es noch Synchmotion, bei dem die Handybewegung auf den Gimbal übertragen wird. Dabei sollte man das Handy aber insbesondere bei schweren Kamerasetups auf ein Stativ bauen, damit es nicht unabsichtlich schnell bewegt wird.
Fazit
Man merkt dem Crane S2 seine stärkeren Motoren und den besseren Algorithmus zur Ansteuerung sehr positiv an. Er führt die Kamera sehr ruhig und stabil.
Durch das optionale Zubehör zur Bildbegutachtung und Fokussteuerung kann sich eine Person voll aufs Laufen konzentrieren und die andere auf das Videobild und die Gimbal-Steuerung.
Natürlich muss man auch Abstriche machen, aber betrachtet man die Preisklasse, in der dieser Gimbal spielt, ist das auch okay. Mir ist nichts großartig Negatives aufgefallen, das sich nicht durch ein Software-Update beheben ließe.
Produktionen, bei denen mehr Budget im Spiel ist, werden aber wohl trotzdem eher auf einen der neuen Ronins zurückgreifen.
Mehr Infos zum Thema Kamerasupport finden Sie bei film-tv-video.de hier. Wenn Sie noch enger filtern wollen, können Sie auch Gimbal anklicken. Andere Kategorien können Sie hier durchsuchen.
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