Kann man mit Prosumer-Kameras Greenscreen-Produktionen umsetzen?
film-tv-video.de hat praktisch ausprobiert, ob man mit Kameras für 2.000 bis 5.000 Euro eine Greenscreen-Produktion umsetzen kann. Das Ergebnis barg durchaus Überraschungen.
Wie »billig« darf die Kamera sein?
Klar ist: Je besser die Kamera und das jeweils gewählte Aufzeichnungsformat sind, desto bessere Chromakey-Ergebnisse kann man sich erhoffen. Leider kann aber eben nicht jeder mit einer Alexa LF in Arriraw drehen.
Wenn man also ein eng begrenztes Budget hat, muss man eben meist schon bei der Kamera Kompromisse eingehen. Es kann sich also heutzutage durchaus die Frage stellen, ob auch günstigere Kameras reichen, um damit Chromakey-Aufnahmen umsetzen zu können.
Ein erster Indikator, ob man überhaupt vernünftige Ergebnisse erwarten kann, gibt das Datenblatt der Kamera her. Damit kann man schon in etwa abschätzen, was wohl möglich ist. Im Test ging es aber darum, jenseits der Papierform auszuprobieren, was man erreichen kann und wo es Problemquellen gibt. So viel sei schon gesagt: Nicht alles, was man beim Blick auf die reine Papierform vermutet hätte, entsprach auch der Praxis.
Dabei konnte unser Test eines der Hauptprobleme ausschalten, das im Low-Budget-Bereich auftreten kann: Wir konnten vor einem perfekt ausgeleuchteten Greenscreen drehen: Studio Hamburg erlaubte uns freundlicherweise, deren Greenscreenstudio für den Test zu nutzen.
Raw is King, oder?
Generell würde man annehmen, die höchste Bit-Rate mit der geringsten Kompression sollte auch das beste Ergebnis ermöglichen. 10-Bit Farbtiefe wird besser sein als 8-Bit. ProRes 422 und 444 sind großartig, aber wenn es eine Raw-Option gibt, würde man natürlich diese verwenden.
Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Raw-Files liefern, selbst wenn sie mit milder Kompression arbeiten, allermeistens auch das beste Base-Material. Damit kann man später alles Mögliche machen. Im Prosumer-Bereich stellt sich aber durchaus auch eine andere Frage: Brauche ich das überhaupt?
Die Datenraten von Raw-Footage sind exorbitant hoch. Das kann die Peripherie verteuern und den Speicherbedarf explodieren lassen. Außerdem kann der ganze Spaß im Vergleich zu normalen Video-Codecs den Postproduction-Workflow unnötig verkomplizieren: die einzelnen Arbeitsschritte brauchen sehr leistungsfähige Hardware oder viel Zeit.
Die Erfahrung — nicht nur dieses Tests — zeigt: Bei optimalen Chromascreen-Verhältnissen reicht in der Regel tatsächlich ProRes 422 aus — und man bekommt dann trotzdem mit den meisten Tools einen 1-Klick-Key zustande. Was will man mehr? Vor allem dann, wenn Zeit und Geld eben doch eine Rolle spielen.
Hinzu kommt, dass Kameras in der Preiskategorie, die hier eingesetzt wurden, Raw–4:4:4 oder -4:2:2 meistens einen Kompromiss erfordern. Sprich: reduzierte Möglichkeiten im Bereich Bildrate — zumindest, wenn man die Bordmittel in der Aufzeichnung verwenden will. Etliche Kameras bieten mit externen Recordern mehr Aufnahmequalität oder Funktionalität als mit den internen Speichermedien, das erhöht aber wiederum die Investitionskosten, macht das Handling komplizierter und steigert den apparativen Aufwand, aber auch die Zeit, die man vor Ort benötigt.
Kompression
Augen auf bei der Kompression: Gerade hier kann sich die reine Zahlenform von der Praxiserfahrung unterscheiden. Ein Beispiel: Bei manchen Kameras erzielt man mit 4:1-Kompression bessere Ergebnisse als mit 2:1. Wie kann das sein? Kameras können unterschiedliche Algorithmus-Varianten verwenden, je nachdem, welche Qualität eingestellt wird. Dadurch kann es passieren, dass beim Einstellen von 2:1 mehr Artefakte auftreten als beim Einstellen von 4:1. Diese Thematik bietet jedoch Stoff für einen separaten Artikel – und für allerlei technische Diskussionen.
Was die Bitrate angeht, ist in aller Regel eine variable Bitrate zu empfehlen. CBR (Constant-Bitrate) behält die gleiche Bitrate über den gesamten Clip hinweg, limitiert dabei aber die Bildqualität – zumindest in den meisten Fällen und speziell in komplexen Video-Segmenten. CBR ist beispielsweise auch für Streaming nicht optimal, da es nicht genug Headroom für die komplexen Segmente freihält. Das Resultat kann eine geringere Durchschnittsqualität und ungenutzte Kapazität bei simplen Segmenten sein. Also: Hände weg von CBR, es sei denn, es gibt eine konkrete, besondere Anforderung an das jeweilige Projekt, das CBR erfordert.
Geringere ISO/Native ISO
Je höher das ISO-Level, desto höhere Rauschanteile entstehen. Vor allem auf einfarbigen Flächen — die es beim Greenscreen logischerweise massig gibt — können diese sichtbar störend werden. Die »Off-Color«-Spots können aber den Keying-Prozess erschweren. Die native ISO-Empfindlichkeit sollte so gering wie möglich sein. Beim Dreh selbst sollte man die ISO-Werte dann logischerweise niedrig halten.
Dynamic Range / Bit-Depth: Lieber Log?
Der Kontrastumfang oder die Dynamic Range ist der Unterschied zwischen dem hellsten und dunkelsten Punkt innerhalb eines Bildes. Je mehr Abstufungen zwischen diesen Punkten eine Kamera abbilden kann, umso besser.
Den Kontrastumfang kann man in dB messen, aber auch in Blendenstufen, weil das etwas mehr Bezug zu einer Kamera herstellt: 8, 10, 12, 14 F-Stops. Je mehr die Kamera kann, um so besser. Der Kontrastumfang sollte also möglichst groß sein.
Wichtig ist auch die Zahl der einzelnen Abstufungen innerhalb des jeweiligen Kontrastumfangs, das ist die Quantisierung. Je mehr Bit-Tiefe man hat, um so mehr Abstufungen stehen bereit.
Kurz gesagt: Die Kamera soll möglichst viele Blendenstufen/Kontrastumfang mitbringen und die Bildverarbeitung sollte das mit möglichst großer Bit-Tiefe/Quantisierung/Abstufungen verarbeiten.
Und was ist mit den Log-Modi, die man bei vielen Kameras auswählen kann? Sie sind ein schöner Weg in moderneren Kameras, einen höheren Kontrastumfang in ein Standard-Videosignal zu pressen. Sie sind aber leider nicht immer die beste Wahl für Chromascreen-Aufnahmen. Warum? Die praktische Erfahrung zeigt, dass man oft einen besseren Key bekommt, wenn man mit einem Standard Video-Gamma dreht. In einem Studio, in dem man in der Regel die volle Kontrolle über die Dynamic Range hat, sollte man also in der Regel keinen Log-Modus verwenden.
Der Hintergrund: Im Log-Modus bleibt — vereinfacht gesprochen — immer ein gewisser Headroom frei, der über große Strecken gar nicht für Bildinformationen/Daten genutzt wird, sondern frei bleibt. Diese »Verschwendung« sollte man lieber für Farb-Informationen nutzen. Man könnte sagen: Mehr Dynamic Range bedeutet weniger Farben pro Helligkeits-Level. Weniger Dynamic Range in einem Standard-Gamma bedeutet mehr Daten pro Farb-Level. Und mehr Farbinformationen bedeuten einfach einen besseren Key.
Das soll nicht heißen, dass man niemals im Log-Modus filmen sollte. Manchmal muss man nämlich auch Plates matchen, die in Log gedreht wurden, dann ist es eventuell besser, alles in Log zu drehen. Wenn man aber Log für Greenscreens benutzt, sollte man sicherstellen, dass man hell genug beleuchtet: Log-Recordings können mehr Bildrauschen aufweisen, wenn sie unterbelichtet wurden.
Seite 1: Einleitung, Test-Setup, Vorbemerkungen
Seite 2: Preisfrage, Parameter/Einflussgrößen
Seite 3: Balance der Parameter
Seite 4: Kameras und Objektive, Test im Greenscreen-Studio
Seite 5: Zwischenwertung, erste Keying-Ergebnisse
Seite 6: Einzelkritik, Fazit, Danksagung