Praxistest Panasonic EVA1: Lückenschließer?
Panasonic liefert seine neue Cine-Kamera EVA1 seit kurzem aus. S35-Sensor mit 5,7 K, EF-Mount und Dual Native ISO bei einem derzeit gängigen Nettopreis von 6.900 Euro, machen die Kamera für viele Anwender interessant. film-tv-video.de hat sie ausprobiert.
Display
Das Display der Panasonic EVA1 gleicht dem der Sony FS5 ziemlich stark. Der Eindruck, dass es aus der gleichen Fabrik stammen könnte und lediglich am Ende der Fertigung ein anderer Name draufgepappt wird, täuscht aber: Gehäuse und Befestigung sind nicht wirklich identisch — und zum Nachteil von Panasonic wirkt es trotz mitgelieferter Sonnenblende so, als habe Panasonic den einen oder anderen Cent zu viel eingespart und die Billigversion des Displays beigelegt.
Das Display kann für Kameraeinsatz auf der Schulter vergleichsweise weit vorne montiert werden, wodurch Kameraleute das Bild auch dann noch gut betrachten können, wenn die Kamera an der Brust abgestützt oder mit einem Schulter-Rig eingesetzt wird.
Wie erwähnt, lassen sich die Griffe, aber auch das Display, ohne zusätzliches Werkzeug montieren. Das ist ein Vorteil. Bei konkurrierenden Camcordern benötigt man oft spezielles Werkzeug, wenn man das Display montieren oder seine Position anpassen möchte. Dass es bei Panasonic ohne Werkzeug geht, hat allerdings den Nachteil, dass man die Schrauben schon ziemlich stark anziehen muss, wenn man etwa das Display wirklich sicher fixieren und verhindern möchte, dass sich das Display im Betrieb lockert und wegdreht. Für wirklich kräftiges Festdrehen sind die Rändelschrauben aber nicht ausgelegt: Man hat dafür weder das Vertrauen, noch die notwendige Hebelwirkung und Griffigkeit. Kur gesagt: die Halterung ist suboptimal.
Mit all dem kann man sich vielleicht noch arrangieren, aber das Display enttäuscht leider auch in anderen Aspekten, etwa weil es enorm stark spiegelt. Bei einigermaßen schwachem Licht fällt das noch nicht übermäßig ins Gewicht, aber spätestens bei hellem Umgebungslicht ist das extrem störend und ein echter Nachteil. Dann hilft auch der ausklappbare Sonnenschutz wenig. Er schützt das Display in geschlossenem Zustand, bringt aber aufgeklappt bei Sonnenlicht in der Praxis herzlich wenig, weil er kurz und klein ausgelegt ist und sozusagen einen Taschenspiegel einrahmt.
Indoor und im Stativbetrieb kann man die starken Spiegelungen noch einigermaßen beherrschen und dann kann man mit dem Display auch ganz ordentlich arbeiten, etwa um Schärfe und Belichtung einzustellen. Befriedigend ist das aber nicht – andere Hersteller bieten beim Display eindeutig bessere Lösungen. Am besten sollte man gleich beim Kauf der EVA1 auch noch den Erwerb eines separaten, externen Suchers oder eines kleinen Fieldmonitors einplanen.
Ohne einen solchen Monitor/Sucher ist vernünftiges Arbeiten kaum möglich, denn einen integrierten Sucher hat Panasonic der EVA1 ja ebenfalls nicht spendiert. Schade drum, denn so addieren sich zum Einstiegspreis für die EVA1 gleich wieder einige Hundert Euro für letztlich unabdingbares Zubehör.
Einen handfesten Vorteil bietet das Display der Panasonic EVA1 aber: die Aufnahmeparameter werden jeweils ober- und unterhalb des eigentlichen Bildes eingeblendet. Das Bild kann so frei von Overlays bleiben und lässt sich besser beurteilen. Das Display ist übrigens als Touchscreen ausgelegt, die Menüs können somit auch komplett über das Display gesteuert werden.
Bedienung
Vor einigen Jahren etablierte sich vor allem bei den Single-Sensor-Kameras die Blockbauform, die wir heute von vielen Camcordern und Kameras kennen. Auch Panasonics EVA1 greift die kompakte Würfelbauweise auf. Dass die EVA1 dabei so leicht ist, empfinden viele Kameraleute als Vorteil.
Die Bedienung wirkt auf den ersten Blick schlüssig: Panasonic hat übers Gehäuse neun User-Tasten verteilt, mit denen es möglich ist, die Kamera sehr individuell einzustellen und Funktionen an jenen Stellen zu platzieren, an denen man sie gerne haben möchte. Auch die fix belegten Tasten befinden sich überwiegend da, wo man sie erwarten würde.
Ganz stringent durchgehalten und logisch aufgebaut hat der Hersteller die Bedienung der EVA1 aus Sicht der Tester aber leider nicht: Selten kam in den vergangenen Dekaden in der Redaktion ein Testgerät an, bei dem es so lange gedauert hätte, bis die Tester in der Lage waren, etwa einen manuellen Weißabgleich einzustellen oder den Shutter anzupassen, wie bei der EVA1.
Klar, mit der Bedienungsanleitung lässt sich alles herausfinden und es gibt wahrscheinlich auch Kameraleute, die sich deutlich schneller mit dem Bedienkonzept der EVA1 anfreunden oder sich zumindest daran gewöhnen können, als die Tester. Es stellt sich aber dennoch die Frage, weshalb Panasonic in puncto Bedienung das Rad an etlichen Stellen unbedingt neu erfinden wollte. Und es ist eben auch wahr, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht wenige Kameraleute von Dreh zu Dreh mit unterschiedlichen Kameras arbeiten (müssen) und die Geräte dabei teilweise auch nur noch oberflächlich kennen. Da dürfte die insgesamt etwas umständliche und vom üblichen Fahrwasser abweichende Bedienung der EVA1 wohl eher nerven.
Ein Beispiel: Individuelle Shutter- und Weißabgleichswerte müssen bei der EVA1 zunächst im entsprechenden Menüpunkt »eingetragen« oder hinzugefügt werden. Anschließend lassen sich diese Werte dann auch ohne den Umweg übers Menü auswählen. Hierfür gibt es definitiv bessere, schnellere und komfortablere Bedienmöglichkeiten. Es gibt ja auch Panasonic-Geräte, bei denen sich der jeweils benötigte Wert einfach und direkt einstellen lässt – ohne ihn zuvor erst per Menü speichern zu müssen.
Hometaste / Menü
Als Arri vor vielen Jahren die Alexa vorstellte, präsentierte der Hersteller ein Display, das seitlich an der Kamera angebracht und von klar zugeordneten Tasten umgeben war. Der Anwender hat dadurch auf einen Blick eine Übersicht der wichtigsten Einstellparameter und kann direkt auf diese zugreifen. Vielleicht hat Arri dieses Konzept nicht erfunden, aber es zumindest optimiert und so umgesetzt, dass sehr viele Kameraleute damit bestens zurechtkommen. In der Folge setzten auch andere Hersteller verstärkt auf ähnliche Bedienkonzepte — in mehr oder weniger stark abgeänderter Form. Auch Panasonic setzt bei der EVA1 auf dieses Pferd – zumindest teilweise.
Ein separates Parameter-Display gibt es bei der Panasonic EVA1 aber nicht. Der Hersteller hat stattdessen einen Home-Button in die Kamera eingebaut. Drückt man ihn, erscheint auf dem an der Sucherbuchse angeschlossenen Display eine Übersicht der Punkte fps, Bildprofil, Shutter, ISO, Audio und Weißabgleich. Die Home-Taste ist schon allein deshalb so extrem nützlich, weil sie direkten Zugang zu Funktionen bietet, die sich sonst nur mühselig und teilweise auch umständlich übers Menü aufrufen lassen. In vielen Fällen ist die Home-Taste die Rettung: Nämlich immer dann, wenn man unter Drehbedingungen partout nicht mehr findet, in welchem Untermenü sich die gerade benötigte Funktion befindet – beispielsweise der manuelle Weißabgleich.
Und wenn wir schon dabei sind: Wer mit der EVA1 nicht ausschließlich V-Log aufzeichnet – und das werden defacto ganz sicher nicht wenige sein – der kann sich die Zähne daran ausbeißen, was er denn nun für einen Look einstellen soll und welchen er tatsächlich eingestellt hat. Die Bedienungsanleitung liefert hier nämlich nur bedingt Aufschluss: Die Scene-Files heißen an einer Stelle in der Bedienungsanleitung »V-255570L1«, »V-504580L1«, »Video« und »HLG«. Das ist nicht besonders selbsterklärend, aber immerhin, man bekommt eine Ahnung, was sich dahinter verbergen könnte. Genau diese Scene-Files heißen im Einstellmenü der Kamera jedoch »Szene 1«, »Szene 2«, »Szene 3«, »Szene 4« und »Szene 5«. Wer so etwas programmiert oder durchgehen lässt, dessen oberste Priorität ist es ganz offenbar nicht, die Bedienung der Kamera zu vereinfachen.
Es wird auch dadurch nicht besser, dass sich diese einzelnen Settings noch in gefühlt 100 Unterpunkten individuell anpassen lassen. Für DoPs, die dafür bezahlt werden, im Vorfeld einer Produktion einen ganz besonderen, individuellen Look zu schaffen, ist das natürlich eine schöne Funktion. Aber werden das die Hauptnutzer der EVA1 sein? Werden es sehr viele sein? Oder werden die nicht eher mit einer anderen Kamera arbeiten?
Die EVA1 braucht aus Sicht der Tester definitiv eine Überarbeitung der Bedienung, vielleicht eine Aufspaltung in einen Simple- und einen Advanced-Modus. So wie das momentan umgesetzt wurde, ist der Frust vorprogrammiert und es werden sehr viele potenzielle Nutzer dieser Kamera defacto ausgeschlossen und es wird zumindest ein unnötiger Hürdenlauf von ihnen verlangt.
Auf so etwas wie eine Full-Auto-Taste — in Run-and-Gun-Anwendungen nicht selten die Rettung in der Not — hat Panasonic bei der EVA1 übrigens verzichtet. Will man das den anspruchsvolleren Bildgestaltern nicht zumuten, weil es als semi-professionelles Ausstattungsmerkmal wahrgenommen werden könnte?
Kurzum: Das Bedienkonzept der EVA1 passt nicht so recht zur aktuellen Vermarktung der Kamera. Es gibt viele tolle Gestaltungsmöglichkeiten, die man nutzen kann, wenn man einerseits Zeit für die Vorbereitung und andererseits geplante, geordnete Verhältnisse am Set hat. Sehr gut, wenn man die EVA1 bei szenischen Produktionen, etwa ergänzend zu einer Varicam einsetzt, oder auch als Hauptkamera im Zusammenspiel mit GH5-DSLRs.
Für sehr schnelles, sehr flexibles Arbeiten ist die EVA1 hingegen de facto derzeit nicht vorbereitet. Wer in der EVA1 einen kompakten Handheld mit großen Sensor und einfacher ENG-Bedienung erwartet oder sieht, der könnte enttäuscht werden — und sollte sich zumindest derzeit vielleicht besser bei anderen Herstellern umschauen.
Seite 1: Erster Eindruck, Anmutung, Eckdaten
Seite 2: Sensor, Auflösungen, Dual Native ISO
Seite 3: Objektiv-Mount, ND-Filter, EIS, Zeitlupe
Seite 4: Looks, Scene-Files, V-Log
Seite 5: Bauform, Handgriff, Griff
Seite 6: Display, Bedienung, Hometaste/Menü
Seite 7: Autofokus, Gehäuse, Audio, Ausgänge, Laufzeit
Seite 8: Bild, Fazit, Kommentar
Anzeige: