Praxistest Ursa Mini Pro: Eine für alles?
Die Ursa Mini Pro erweitert die Ursa-Kameralinie von Blackmagic. Sie bietet Wechsel-Mount, eingebaute ND-Filter, Dual-Recorder für CFast- und SD-Karten, sowie etliche weitere Funktionen. film-tv-video.de hat die Kamera im Praxistest ausprobiert.
Bildqualität und Low-Light-Fähigkeiten
Ein großes Plus der Ursa Mini Pro ist ihre Bildqualität – vor allem bei kontrollierten Drehsituationen, bei denen mit ISO 200 bis 800 gedreht werden kann. Glaubt man dem Handbuch, dass ISO 200 einem 0 dB Gain entspricht, müsste das auch der native ISO-Wert sein. Allerdings ist das Bildrauschen bei ISO 800 nur minimal größer und nur im Film-Modus (Log-Mode) wirklich sichtbar. Im Video-Modus (Rec.709) ist das Rauschen bei ISo 800 durch den geringeren Kontrast und die dunkleren Schwärzen vollkommen verschwunden.
Selbst bei ISO 1.600 war das Bildrauschen noch vollkommen akzeptabel. Es wäre wohl nur auf einer großen Projektionsfläche in einem Kino zu sehen – und das auch nur dann, wenn man sich in der Postproduktion nicht die Mühe macht, es zu entfernen. Und dafür wird ja von Blackmagic die Software Davinci Resolve Studio mit sehr guten Optionen für diese Aufgabe mitgeliefert …
ISO 800 oder 1.600 reichen aus, um in gängigen Umgebungen wie einem Büro ohne zusätzliches Licht drehen zu können. Mit ISO 1.600 ist es je nach Situation auch gerade noch möglich, Nachtaufnahmen im Licht von Straßenlaternen zu drehen, wenn hier in der Postproduktion etwas aufgehellt werden kann.
Vergleicht man das mit klassischen Schultercamcordern mit 2/3-Zoll-Sensor oder Handhelds mit 1/3-Zoll-Sensor, schlägt sich die Ursa Mini Pro auch bei Low-Light-Aufnahmen wirklich gut. Vergleicht man die Ursa Mini Pro allerdings mit den Fähigkeiten der meisten aktuellen DSLRs auf dem Markt, landet sie eher am unteren Ende der Skala. Gerade bei dokumentarischen Aufnahmen wären höhere ISO-Werte notwendig, denn hier heißt es oft »besser verrauschte Aufnahmen als gar keine«.
Der Rolling Shutter sorgt bei schnellen Bewegungen oder bei Aufnahmen aus einem fahrenden Auto entlang von Straßenlaternen für deutlich sichtbare »Bananen-Artefakte« und befindet sich unter diesem Aspekt in einem Bereich, in dem auch viele DSLRs oder die Sony FS7 (Test) liegen.
Wenn Zeit eine große Rolle spielt, schluckt das Grading, selbst wenn nur Standard-LUTs angewendet werden, zu viel Zeit für Rendering und Ausgabe. Für Fälle in denen es schnell gehen muss bietet die Kamera einen Videomodus, der Aufnahmen mit reduzierter Dynamik in Rec.709 aufzeichnet, die ohne weiteres Grading verwendet werden können.
Hat man Zeit für die etwas intensivere Nachbearbeitung, empfiehlt sich die Aufnahme im Film-Modus. Dabei bietet die Ursa Mini Pro eine Standard 3D-LUT für ihren Sensor und kann weitere 3D-LUTs im Cube-Format (aus DaVinci Resolve) laden. Diese lassen sich zwar nicht direkt in das Signal aufnehmen, aber auf Monitore und Recorder anwenden und dort kann man auch ein solchermaßen verändertes Signal aufnehmen.
Das Handbuch der Kamera spricht im Film-Modus von einem Dynamikumfang von 12 bis 15 Blenden. Wer diese nutzen will, sollte sich die Arbeit machen, das Bild individuell im Grading anzupassen und keine der in Resolve zur Verfügung stehenden LUTs für die Kamera zu verwenden. Dann kann man scharfe Bilder mit ausgewogenen und realistischen Farben erzeugen – und das selbst wenn man mit ISO 1.600 aufgenommen hat.
Ton
Die Ursa Mini Pro bietet die Grundausstattung für professionelle Aufzeichnung: Zwei XLR-Eingänge mit den Optionen für Line-Mic-Signale oder Phantomspeisung. Hinter dem Ausklapp-Display finden sich entsprechende Dip-Schalter für beide Kanäle.
Die Lautstärkeregler befinden sich außen am Display. Zum Testzeitpunkt standen nur zwei Kanäle zur Verfügung. So kennt man es von Handheld-Camcordern.
Von einem Schultercamcorder würde man allerdings schon vier Kanäle erwarten. Da bei keinem der Kanäle ein Limiter zur Verfügung steht, muss man die Aufgabe des Tonpegelns eigentlich doch ganz einem EB-Mischer überlassen, denn bei der digitalen Verarbeitung verzerrt der Ton bei mehr als 0 dBFS sofort.
Zudem weist schon der interne Kopfhörerausgang ein hörbares Delay auf. Das ist sehr irritierend ist und erschwert eine Beurteilung des Tons, was sich bei Einsatz einer externen Mischers noch verschlimmert. Zudem ist das interne Mikrofon aufgrund des sehr hohen Grundrauschens, der Lüftergeräusche der Kamera und der hörbaren Bedienung der Schaltelemente am Gehäuse selbst für Atmos nur bedingt tauglich: Damit kann man nur im absoluten Notfall arbeiten. Hier sollte also auf jeden Fall ein externes, entkoppeltes Atmo-Mikrofon angeschlossen werden. Die Halterung dafür muss man sich selbst besorgen. Die XLR-Eingänge bieten aber sowohl bei Mic-Betrieb, als auch bei Phantomspeisung ein sehr gutes und rauscharmes Signal.
Die Ursa Mini Pro bietet zwar einen Dip-Schalter, um beim Abhören zwischen Kanal 1/2 und 3/4 zu wechseln, doch laut Handbuch wird diese Funktion erst in zukünftigen Updates unterstützt, wenn dann auch vier Audiokanäle zur Verfügung stehen sollen. Da es aber nur zwei XLR-Eingänge gibt, ist aber eines dieser Stereopaare immer das interne Mikrofon, das außer für Synchronisationszwecke mit externen Aufnahmen nutzlos ist.
Fazit
Die Ursa Mini Pro ist die bisher ausgereifteste Kamera von Blackmagic — zumindest wenn man zur Zielgruppe dieser Kamera gehört, wird man das so sehen. Der Hersteller hat Funktionen wie ND-Filter und wichtige Schaltelemente am Gehäuse für Weißabgleich und ISO ergänzt – das ist ein großes Plus. Der relativ preisgünstige B4-Mount inklusive optischer Elemente die Korrektur chromatischer Aberrationen ist ein weiteres Argument für die Ursa Mini Pro, wenn man mit bewährten, und eventuell schon vorhandenen Broadcast-Objektiven drehen möchte.
Die Ursa Mini Pro bietet aber in sgesamt nicht ganz den Bedienkomfort eines klassischen Schultercamcorder mit 2/3-Zoll-Sensor. Auch bieten andere Alternativen wie Sonys FS7/FS5 oder Canons C300 immer noch schnelleren Zugang zu wichtigen Funktionen.
Die Bildqualität ist bei guten Lichtbedingungen bis hin zum maximalen Empfindlichkeit IS0 1.600 sehr gut und bietet neben einem guten Dynamikumfang ein Rauschverhalten, das man in der Postproduktion gut in den Griff bekommen kann. Als Low-Light-Spezialist geht die Kamera allerdings nicht durch.
Gerade bei Produktionen, bei denen viel geleuchtet und inszeniert wird, ist die Ursa Mini Pro aber auch eine gute Option, wenn filmischer Look und eine hohe Bildqualität erwünscht sind.
Beim Ton erfüllt die Ursa Mini Pro den Mindeststandard aber der fehlende Limiter erfordert bei EB-Aufnahmen eigentlich immer den Einsatz eines externen Audiomischers.
Was die Kamera den Konkurrenten in dieser Preisklasse eindeutig voraus hat, ist die 10-Bit-Aufzeichnung mit dem wenig komprimierenden ProRes-Codec und die interne Raw-Aufzeichnung in 12 Bit. Wer das benötigt, liegt bei der Ursa Mini Pro richtig. Dabei man sollte auch nicht vergessen, dass eine Vollversion von Davinci Resolve mit ausgeliefert wird …
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