Alles anders: NEX-FS100 von Sony
Mit dem NEX-FS100 präsentiert Sony nun auch in der NXCAM-Klasse einen Camcorder mit großem Bildwandler, der zudem eine völlig andere Bauart als klassische Camcorder aufweist. film-tv-video.de hat den FS100 ausprobiert, den man auf den ersten Blick auch für ein Nachtsicht- oder Geschwindigkeitsmessgerät halten könnte.
Viele Jahre lang gab es im Mainstream der Profi-Akquisition eigentlich nur drei Arten von Camcordern: Schulter-, Handheld- und Mini-Camcorder. Innerhalb der jeweiligen Gruppen wurden sich die Geräte immer ähnlicher. Ein langer ruhiger Fluß: Ab und zu befestigte mal einer der Hersteller den Ausklappschirm an einer anderen Stelle, bei den Sensoren gab es einen langsamen Trend von CCD zu CMOS und hin zu kleineren Sensordiagonalen, nach und nach wurden auch modernere Codecs eingeführt, um die Bildsignale zu kodieren.
Nun aber kommt alle naselang ein komplett anderes Konzept auf den Markt: Single-Large-Sensor– statt 3-Chip-Geräte, hochkant- oder quergelegte Gehäuse, modulare Konzepte. Aus der Fluß- hat sich zunehmend eine Achterbahnfahrt entwickelt: spannender, aber auch nervenzehrender.
Der NEX-FS100 von Sony bestätigt diese Entwicklung: Sony bringt damit schon wieder einen Camcorder neuen Typs auf den Markt. Er ist laut Hersteller mit dem gleichen Sensor mit S35-Bildfenster bestückt, der auch im PMW-F3 (Test) Dienst tut. Gleichzeitig ist der Body aber eine vollkommene Neukonstruktion und der Camcorder ist mit einem Netto-Listenpreis ab 5.500 Euro (ohne Objektiv) wesentlich günstiger als der F3.
Wesentliche Unterschiede zwischen F3 und FS100 liegen etwa auch im Objektivanschluss, im Aufzeichnungsverfahren und bei den Anschlüssen: Hier setzt Sony beim FS100 auf den E-Mount und auf AVCHD mit 8 Bit, statt HD-SDI gibt es nur HDMI.
Ausstattung
Ende vergangenen Jahres kündigte Sony den FS100 bereits an und verheiratete bei dem neuen NXCAM-Camcorder den Sensor und Teile der Funktionalität des PMW-F3 mit dem Objektivanschluss und Aufnahmeformat des Consumer-Camcorders NEX-VG10. Herausgekommen ist ein Camcorder-Konzept, bei dem ein ungewöhnlich geformter Body für verschiedene Einsatzzwecke konfiguriert werden kann. Dazu dienen mitgeliefertes Zubehör wie etwa ein Handgriff, ein Tragegriff mit Mikrohalterung und ein Suchertubus, aber auch zahlreiche Montagegewinde und eine seitliche Andockbucht, die mit einem Speichermodul bestückt werden kann.
Per E-Mount kann der Camcorder mit diversen Objektiven verbunden werden: Es kommen zahlreiche Objektive aus dem Fotobereich in Frage, weil durch den geringen Abstand zwischen Objektivfassung und Sensor auch alle Objektive aus der Alpha-Serie von Sony verwendet werden können, wenn man zuvor den Adapter LA-EA1 am Camcorder montiert. Mit Adaptern anderer Hersteller lässt sich die Auswahl kompatibler Objektive zusätzlich erweitern. Mehrere Hersteller, darunter auch Präzisionsentwicklung Denz, haben für den FS100 auch schon PL-Adapter entwickelt, die es erlauben, professionelle PL-Mount-Objektive am FS100 zu nutzen. Die Adaptierung auf hochwertige Foto-Objektive und PL-Linsen dürften sich voraussichtlich im professionellen Bereich zu den gegenüber E-Mount klar bevorzugten Lösungen entwickeln.
Bei der Aufzeichnung zeigt der FS100 eine gewisse Flexibilität: Der Camcorder zeichnet in AVCHD mit bis zu 28 Mbps auf SDHC/XC-Karte oder Memory Stick auf. Die Aufzeichnung in SD (MPEG-2) ist ebenfalls möglich. Als alternatives Speichermedium kann seitlich ein Flash-Speichermodul angedockt werden.
Die Möglichkeit mit 1080 Zeilen in 50p aufzuzeichnen, ist eine Besonderheit des FS100 — das kann der F3 (Test) nicht und auch dem NEX-VG10 fehlt diese Möglichkeit. 50 Vollbilder sorgen für eine höhere Bildruhe und lösen Bewegungen schlichtweg zeitlich besser auf: soll heißen, bewegte Objekte im Bild sowie Kameraschwenks werden ruckelfreier dargestellt.
Bei den Frame-Raten des FS100 muss man allerdings einen wichtigen Aspekt berücksichtigen: Sony bietet den Camcorder nicht nur in einer einzigen, weltweit verfügbaren Version an, sondern hat separate Versionen für USA/Japan und EU im Programm, die sich auch bei den einstellbaren Bildraten unterscheiden. Von der Geräteversion hängt es also jeweils ab, welche Aufzeichnungsspielarten der Camcorder konkret bietet — alle in diesem Text benannten Werte beziehen sich auch die Europa-Version. Im Unterschied dazu ist etwa Panasonics AF101/100 für universellen Betrieb ausgelegt und bietet in der USA/Japan- und der Europa-Version die gleichen Bildraten.
Bei der internen Aufzeichnung auf die Speicherkarten ist der FS100 an die technischen Eckdaten des AVCHD-Formats gebunden: das bedeutet 4:2:0-Farbsampling und 8-Bit-Quantisierung. Über den HDMI-Ausgang des Camcorders lässt sich aber ein unkomprimiertes 4:2:2-Signal mit eingebettetem Timecode ausgeben und sogar RGB 4:4:4 kann der Camcorder via HDMI bereitstellen. Nimmt man eines dieser Signale mit einem externen Recorder auf, erreicht man eine höhere Aufnahmequalität, als der Camcorder selbst sie aufzeichnen kann. Für Produktionen, bei denen eine umfassende Postproduktion geplant ist, bietet sich diese Art der Aufzeichnung definitiv an, auch wenn sie mit zusätzlichen Kosten und zusätzlichem Aufwand verbunden ist.
Eine schöne Funktion des FS100 ist das Hybrid-Recording: Es ermöglicht im Zusammenspiel mit dem optionalen, direkt andockbaren Flash-Recorder HXR-FMU128 von Sony rund zehn Stunden Aufzeichnungszeit in höchster und 30 Stunden in niedrigster Bildqualität. Am Netzgerät betrieben, steht diese Aufzeichnungsdauer unterbrechungsfrei zur Verfügung, mit Akku schafft man das nicht, weil das Flash-Modul die Leistungsaufnahme des Camcorders um rund 20 Prozent erhöht und man somit beim Einsatz des größten verfügbaren Akkus auf geschätzte rund sechs Stunden Betriebsdauer kommt.
Beim FS100 ist es zudem auch möglich, parallel auf eine eingelegte Speicherkarte und auf das Speichermodul aufzuzeichnen, sodass gleich beim Originaldreh ein Backup der Aufzeichnung erzeugt wird.
Für die SDHC/XC-Speicherkarten ist übrigens am FS100 nur ein Slot vorgesehen – hier hätte sich Sony aus Sicht der Tester etwas generöser zeigen und einen zweiten Slot einbauen sollen. Was sich viele Anwender wünschen, geht auch beim FS100 nicht: Man kann nicht parallel auf den Flash-Speicher in HD und auf die Speicherkarte in SD aufzeichnen. Auch andere Kombinationen verschiedener Auflösungen auf den beiden Speichermedien sind nicht verfügbar.
Der FS100 bietet die Möglichkeit, Zeitlupen– und Zeitrafferaufnahmen zu speichern, hierfür ist die Funktion Slow/Quick-Motion eingebaut. Als Frame-Raten stehen dabei 25, 12, 6, 3, 2 und 1fps für Zeitraffersequenzen bereit, wer im Modus 1080/25p die Frame-Rate 50 fps einstellt, kann damit ein Zweifach-Zeitlupe in voller Bildqualität realisieren. Slow/Quick-Motion steht ausschließlich in den progressiven Aufnahmemodi 1080p und 720p zur Verfügung, außerdem ist in der Slow/Quick-Betriebsart keine simultane Aufzeichnung auf Speicherkarte und Flash-Modul möglich.
Es gibt im FS100 auch noch eine höhere Bildrate für extreme Zeitlupen, die aber ausschließlich im 1080i-FH-Modus (17 Mbps) zur Verfügung steht. Dabei wird aber die Bildqualität gegenüber Normalaufnahme in diesem Modus drastisch abgesenkt. In dieser reduzierten Qualität können dann Szenen mit einer Länge von maximal drei Sekunden aufgenommen werden, die dann in der Wiedergabe 12 Sekunden lang sind. Die so gedrehten Szenen kann man im filmischen Bereich eigentlich nicht verwenden, sie sind eher für Bewegungsanalysen im Sport gedacht.
Positiv: Der FS100 arbeitet mit den gleichen Akkus, die Sony auch schon beim Z1 und vielen weiteren Camcordern verbaut hat, Wer also noch NP-F-Akkus im Fundus hat, kann diese mit dem FS100 weiterhin nutzen.
Einen GPS-Sensor, wie ihn vor allem Camcorder aus dem Consumer-Lager aufweisen, bietet der FS100 ebenfalls. Die Hersteller preisen solche Gimmicks gerne als wertvolle Funktion an – was aber zumindest im Profibereich meist ins Leere läuft: Defacto lassen sich diese Informationen später im Schnitt nur in den seltensten Fällen tatsächlich nutzen, weil die GPS-Daten von den Postproduction-Systemen meistens gar nicht gelesen und weiterverarbeitet werden können.
Objektiv
Sony liefert den FS100 wahlweise mit oder ohne Objektiv aus. In der K-Variante ist ein E-Mount-Objektiv mit einer Brennweite von 18 bis 200 mm enthalten. Dieses Objektiv ist — weil es aus dem Fotobereich kommt — von der Bedienung her aus Sicht eines professionellen Videoanwenders allerdings etwas gewöhnungsbedürftig und eignet sich im Grunde nur bedingt fürs Filmen. Schärfeeinstellungen lassen sich damit nämlich nicht exakt reproduzieren: Manuelle Schärfeverlagerungen werden zum Glücksspiel, weil das Innenleben und der Fokusbedienring des Objektivs nicht mechanisch verkoppelt sind. Es gibt keinerlei Wiederholgenauigkeit, man kann auch nicht mit Markierungen am Objektiv arbeiten, weil das Objektiv auch ganz unterschiedlich auf manuelles Bewegen des Fokusrings reagiert: Mal spurten die Stellmotoren sofort in Höchstgeschwindigkeit los, mal zuckeln sie gemächlich durch den Schärfebereich. Damit kann man nicht ernsthaft manuell Schärfeverlagerungen realisieren — und eine Hilfsfunktion, mit der man Schärfepositionen speichern und automatisiert anfahren könnte, gibt es auch nicht.
Eine Zoomwippe sucht man am FS100 ebenfalls vergeblich und weil das mitgelieferte Objektiv nicht dafür konstruiert ist, kann man die Brennweite auch manuell nicht ohne weiteres gleichmäßig verändern. So wird der Anwender gezwungen, auf wildes Zoomen zu verzichten, was ja meistens gar kein Fehler ist — aber für manche Einsätze wäre es eben doch ganz günstig, auch mal schön gleichmäßig zoomen zu können.
Es gibt einen weiteren Aspekt, der den Camcorder und das Objektiv nicht als perfektes Paar erscheinen lässt: Während der Camcorder ziemlich lichtstark ist (mehr dazu in späteren Abschnitten dieses Tests) erreicht das Objektiv nur eine Anfangsblende von F3.5 in der weitwinkligsten und F6.3 in der Teleposition — das kann nicht wirklich überzeugen und ist auch keine gute Voraussetzung für das Drehen mit geringer Schärfentiefe, das derzeit stark im Trend liegt und eigentlich auch dem Boom der Single-Large-Sensor-Camcorder zugrunde liegt.
Handling, Bedienung
Irgendwie drängt sich beim Betrachten des FS100 die unsachliche und nicht ganz ernst gemeinte Frage auf, warum die preisgünstigen SLS-Camcorder sowohl bei Panasonic, wie nun auch bei Sony, jeweils das hässliche Entlein innerhalb der Camcorder-Palette darstellen müssen.
Man kann es nicht anders sagen: Die besondere Bauart des FS100 mit ihrem fremdartigen, blockigen Design ist gewöhnungsbedürftig — und sie hat aus Sicht der Tester auch klare Nachteile. Sicher kann man argumentieren, dass mit den Single-Large-Sensor-Camcordern eine neue Geräteklasse auf den Markt gekommen ist, die auch neue Arbeitsweisen erfordere, besonders weil ihre Stärken in der szenischen Produktion lägen. Aber muss man deshalb alles über Bord werfen, was sich über viele Jahre als sinnvoll erwiesen hat?
So positioniert Sony etwa den Ausklappschirm beim FS100 oben mittig auf dem Camcorder. Das ist in manchen Einsatzfällen ganz praktisch, bietet aber insgesamt wesentlich weniger Flexibilität, als wenn der Hersteller andere Montagepunkte für den Schirm auswählt. Bei hohen Camcorder-Positionen etwa, ist der Schirm durch diese Positionierung praktisch nicht nutzbar.
Außerdem ist es in der Realität so, dass eben auch Camcorder, die wie der FS100 eher auf die szenische Produktion ausgerichtet sind, in der Realität für eine Vielzahl anderer Einsatzfelder genutzt werden — und da könnte eine bessere Ergonomie ganz sicher nicht schaden. Sony hat dem Camcorder etwa einen verstell- und abnehmbaren, seitlichen Handgriff spendiert, doch das macht den Camcorder noch lange nicht zum kompakten Handheld. Zum einen bietet der Handgriff keine Zoomwippe, sondern lediglich einen Start/Stopp-Knopf — und selbst um diesen nutzen zu können, muss der Handgriff per Kabel mit der entsprechenden Buchse am Body des Camcorders verbunden werden. Ein Beispiel für die perfekte Verbindung aus Modularität und Integration ist das leider nicht.
Aber es gibt bei der Bauform und Gehäusekonzeption des FS100 auch positive Aspekte: Das Gerät auf Minimalabmessungen abstrippen zu können, ist ebenso vorteilhaft, wie die zahlreichen Montagegewinde. 1/4- und 3/8-Zoll-Gewinde erlauben die vielfältige Befestigung auf Platten, Stützen und Rigs, sowie die Bestückung mit Magic-Arms und anderen Zubehörhaltern. Der Camcorder bietet somit gute Voraussetzungen, um an ganz unterschiedlichen Stellen mit weiterem Zubehör bestückt zu werden.
Den Hybrid-LCD-Sucher hebt der Hersteller als ganz besonderes Feature des Camcorders hervor: Der Schirm kann als normales Ausklapp-Display genutzt werden, oder als Lupensucher, wenn man den mitgelieferten Tubus aufsetzt. Das Display ist zudem als Touchscreen ausgeführt, über den man den Camcorder im Wiedergabe-Modus bedienen kann. Man muss aber den Touchscreen nicht als solchen nutzen, praktisch alle Funktionen lassen sich auch über Bedienelemente steuern: Das ist schon deshalb wichtig, weil man ja sonst den Camcorder nicht mehr bedienen könnte, wenn der mitgelieferte Suchertubus aufgesetzt ist.
Bei hellem Sonnenlicht ist es unumgänglich, mit dem Tubus zu arbeiten — aber viele Anwender werden das sicher auch dann tun, wenn die Umgebungsbedingungen es eigentlich gar nicht erfordern: Der Tubus vergrößert nämlich das Schirmbild ums 1,2fache und erlaubt auch eine bessere Konzentration aufs Bild. Dass die Anbringung des Monitors mittig oben auf dem Gerät Nachteile hat, wurde schon erwähnt. Mit aufgesetztem Tubus verringern sich die Freiheitsgrade zusätzlich, weil der lange Tubus auf dem Body aufsitzt, wenn man die Kamera in einer hohen Position nutzen will und entsprechend den Suchertubus nach unten neigen will.
Leider gibt es hier auch noch weitere Ergonomienachteile: Der Schirm deckt einen Großteil der Tasten und Regler des Camcorders ab, wenn er zugeklappt ist, das ist nicht bedienfreundlich. Auch die Wiedergabetasten etwa, sind nur dann zugänglich, wenn das Display hochgeklappt ist. Wenn bei offenem Ausklappschirm der Suchertubus aufgesetzt wird und dieser dann in flachem Winkel genutzt wird, behindert auch der Tubus den Zugriff auf die Bedienelemente.
Der 3,5-Zoll-Bildschirm bietet sehr ordentliche, aber keine wirklich außergewöhnliche Qualität. Er wartet laut Hersteller mit 921.600 Bildpunkten auf, die in einem Raster von 1.920 x 480 angeordnet sind. Damit kann man durchaus arbeiten — besonders wenn man auch die Scharfstellhilfen wie Peaking und Expanded Focus sinnvoll nutzt — aber in vielen Fällen wird man doch einen zusätzlichen, externen Bildschirm verwenden. Hier muss es unbedingt ein HDMI-Gerät sein, denn der Camcorder bietet einerseits keinen SDI-Ausgang und der von vielen Anwendern immer noch genutzte Komponentenausgang lieferte zumindest beim getesteten FS100 eine so unterirdisch schlechte Bildqualität, dass man damit nicht arbeiten konnte: Was der Camcorder via Component-Out an Bildqualität abgab, hatte mit der tatsächlich aufgezeichneten Bildqualität nicht viel gemeinsam, obwohl das Gerät im Test so eingestellt war, dass laut Sony-Unterlagen auch an der Komponentenbuchse ein 1080p-Signal hätte bereitstehen sollen.
Die Oberseite des FS100 wirkt bei aufgeklapptem Schirm recht vollgepackt und auch auf der linken Geräteseite tummeln sich etliche Bedienelemente: Tasten, Einstellräder und Schiebeschalter rangeln hier um die beste Position: In der Praxis erwies sich die Anordnung aber aus Sicht der Tester als ganz sinnvoll und übersichtlich. Letztlich gefiel den Testern diese konzentrierte Tastenanordnung viel besser, als wenn die Bedienelement wild über das ganze Gerät verteilt sind, wie es bei ultrakompakten Camcordern oft der Fall ist.
Im vorderen Bereich der linken Geräteseite, in Richtung Objektiv gerückt, befinden sich die Bedienelemente für Fokus und Blende: vier Tasten, ein Schiebeschalter und ein Drehrad. Mit etwas Übung und Geschick lassen sich diese Elemente auch »blind« bedienen. Mit dem Rest der Tasten geht das kaum, wodurch erneut unterstrichen wird, dass der Camcorder letztlich fürs Stativ und nicht für den Betrieb von der Schulter oder aus der Hand konstruiert wurde — Anwendungsfälle für die man ohnehin separates Zubehör benötigt.
Viele separate Tasten haben natürlich besonders aus Profi-Sicht klare Vorteile: Wenn man Funktionen wie etwa Peaking, Zebra, Histogramm, Weißabgleich, Shutter oder Picture Profiles im direkten Zugriff hat und zudem die Möglichkeit besteht, Tasten individuell mit Funktionen zu belegen, beschleunigt das viele Bedienvorgänge. Auch Slow/Quick-Motion lässt sich am FS100 direkt per Tastendruck zuschalten, ohne dass man jedes Mal lange im Menü fummeln müsste.
Einen ND-Filter haben die Tester allerdings sehr vermisst. Gerade wenn es darum geht, mit der Schärfentiefe zu arbeiten, wäre es sehr hilfreich, einen mehrstufigen eingebauten ND-Filter einsetzen zu können. So bleibt nur das Arbeiten mit Blende und Verstärkung, das oft nicht fein genug und unflexibel ist, oder das Ausweichen auf die ND-Filterung per Mattebox und Einschubfilter. Der Verzicht auf integrierte ND-Filter ist schade, schließlich ist das gestalterische Arbeiten mit Schärfentiefe ja eine der Stärken von SLS-Camcordern.
Insgesamt gilt, dass die Bedienelemente am FS100 für den Einsatz auf einem Stativ oder Rig optimiert sind – ein Handheld-Camcorder funktioniert anders. Diese Erkenntnis korrespondiert auch mit der Balance des Camcorders. Der seitliche Handgriff befindet sich an dem eher breiten Gerät weit außerhalb der Achse und des Schwerpunkts: Langes Drehen aus der Hand würde zur Tortur fürs Handgelenk.
Der E-Mount, den Sony nutzt, wurde ebenso wie der von Panasonic favorisierte Micro-4/3-Anschluss für den Foto- und nicht für den Filmbereich entwickelt: Diese Objektiv-Mounts haben Spiel, das beim Schärfeziehen während der laufenden Aufnahme extrem störend sein kann, spätestens sobald innerhalb eines Takes Richtungswechsel beim Drehen des Schärferings am Objektiv erforderlich sind. Kommt hier auch noch das Spiel eines einfachen Objektivadapters hinzu, wird es sehr problematisch, Schärfeverlagerungen zu realisieren. Einige Zubehörhersteller bieten hierfür Lösungen an, etwa in dem der Objektivadapter selbst an einem Rig abgestützt wird.
Sony hat die Leistungsaufnahme des Camcorders mit 5,6 W auf ein so niedriges Maß gebracht, dass der mitgelieferte Akku (NP-F770) mehrere Stunden hält — und das ist noch nicht einmal der größte verwend- und verfügbare Akku (der heißt NP-F970). Von dieser Seite gibt es also keine ernsthaften Beschränkungen beim Aufnehmen.
Wem beim Speichermedium die gängigen Kapazitäten von SDHC/XC-Speicherkarten oder Memorystick Duo nicht ausreichen, der kann das optionale Flash-Speichermedium HXR-FMU128 von Sony verwenden (aktueller Netto-Straßenpreis rund 750 Euro), das eine Kapazität von 128 GB aufweist, was für rund 10 Stunden HD-Aufnahmen in der höchsten intern verfügbaren Qualität ausreicht (28 Mbps, AVCHD).
Was der Camcorder ebenfalls bietet, ist eine Kopierfunktion via USB ohne dass man einen Rechner bräuchte: externes Speichermedium anschließen, per Menü den Kopiervorgang starten, fertig. Einzige Einschränkung: So lässt sich nur Material von der Speicherkarte kopieren, nicht aber vom Flash-Modul.
Trotz aller in diesem Abschnitt geäußerten Kritik an der Ergonomie und beim Handling: Der FS100 ist eindeutig als Camcorder konzipiert und die Tester würden ihn in puncto Ergonomie und Handling derzeit jedem Fotoapparat mit HD-Filmfunktion vorziehen, wenn es darum geht, Bewegtbildaufnahmen zu machen.
Anschlüsse
Einen HD-SDI-Ausgang haben die Tester am FS100 schmerzlich vermisst. Aus Herstellersicht ist es nachvollziehbar, künstliche Grenzen zu den teureren Geräten zu ziehen. Dennoch: HD-SDI fehlt einfach. Stattdessen haben die Entwickler dem FS100 folgende I/Os spendiert: HDMI, Komponente, AV-Ausgänge (Cinch), Kopfhörerbuchse (Miniklinke) und eine Lanc-Fernsteuerbuchse.
XLR-Buchsen bietet der Camcorder ebenfalls: eine davon ist in der Nähe des Mikrofons untergebracht, die andere hinten am Gehäuse. Diese Aufteilung mag ungewöhnlich und ein wenig seltsam anmuten, ist im Praxisbetrieb allerdings nicht unbedingt störend.
Timecode-Buchsen bietet der FS100 nicht. Intern zeichnet der Camcorder aber einen Timecode auf und bietet auch die gängigen Einstellmöglichkeiten für Timecode und Userbit.
Weitere Anschlussmöglichkeiten sind die schon erwähnte USB-Schnittstelle und eine Steckerleiste für das Flashmodul.
Bild-/Tonqualität
Um es gleich zu Beginn dieses Abschnitts ganz klar auszusprechen: Was mit dem NEX-FS100 und dem mitgelieferten Objektiv geht, ist meilenweit davon entfernt, was man etwa mit dem F3 und einem hochwertigen PL-Mount-Objektiv erreichen kann. Auch wenn Sony den FS100 sozusagen als kleinen Bruder des F3 vermarktet und angibt, es komme der exakt gleiche S35-Sensor zum Einsatz, bestehen eben doch Unterschiede zwischen den Geräten, die über das Offensichtliche hinausgehen. Das Handling ist dabei ein ganz entscheidender Punkt, aber auch die Signalverarbeitung scheint den Testern beim F3 und beim FS100 nicht wirklich identisch zu sein.
Vergessen wir also den Vergleich mit dem F3, bei dem der wesentlich billigere FS100 ohnehin den Kürzeren zieht, denn das wäre letztlich ein unfairer Vergleich. Es ergibt auch wenig Sinn, den FS100 mit dem reinen Consumer-Gerät NEX-VG10 zu vergleichen, einem Camcorder, den man schon für ungefähr ein Drittel des FS100-Preises bekommen kann.
Tatsächlich spielt der FS100 schlichtweg in der gleichen Liga wie der AG-AF101 von Panasonic und mit diesem ist er in puncto Bildqualität auch vergleichbar. Nicht umsonst sind beide Geräte als AVCHD-Camcorder konzipiert und sollen in diesem Segment das obere Ende der Semiprofi-Palette bereichern und Independent-Filmer beglücken.
Hat man diesen Zielmarkt und den Gerätepreis im Hinterkopf, schlägt sich der NEX-FS100 in puncto Bildqualität sehr gut. Er bietet auch bei der internen AVCHD-Aufzeichnung eine überzeugende, solide Bildaufnahme mit hoher Qualität, die wohl im wesentlichen dem Sensor geschuldet ist.
Die Bilder sind bei hellen Aufnahmebedingungen vielleicht einen Tick zu clean, aber noch sehr natürlich und stimmig. Wenn es dunkel wird kann der FS100 eine seiner Stärken ausspielen: Er ist sehr lichtstark und beginnt auch nicht abrupt in Dunkelzonen zu rauschen. Im wohldosierten Spiel mit der elektronischen Verstärkung kann man den FS100 bis in Bereiche treiben, wo andere Camcorder längst die Waffen strecken müssen und nur noch entsättigte, rauschende Flächen anzubieten haben. Die Lowlight-Fähigkeiten des FS100 sind überzeugend.
Alle Bildprobleme, die man von DSLR-Videos kennt, sind dem FS100 unbekannt: Er kämpft weder mit Skalierungsartefakten noch mit Rolling-Shutter-Problemen. Auch feine Strukturen löst der Camcorder sehr gut auf, Blätter und Äste kann er sehr strukturiert und gut durchgezeichnet darstellen. Auch bei Motiven, bei denen andere Camcorder schon recht flächig werden, zeigt er noch realistische Zeichnung. Er bietet im 1080p50-Modus eine gute Bewegungsauflösung, die allerdings ebenso wie die Auflösung feiner Details bei der internen AVCHD-Kodierung nicht ganz bis zur Aufzeichnung durchschlagen kann, sondern erst im Live-Betrieb oder bei externer Aufzeichnung wirklich ihre positive Wirkung entfaltet.
Der Kontrast war den Testern in der Grundeinstellung des Geräts etwas zu steil, das lässt sich aber vielfältig korrigieren, alle hierfür notwendigen Einstellparameter stehen zur Verfügung.
Im Test war der Camcorder, wie schon erwähnt, mit dem mitgelieferten Objektiv bestückt. Hier hatten die Tester ganz klar den Eindruck, dass es sich lohnen würde, mit einem hochwertigeren Objektiv zu arbeiten — dieser Schritt ist letztlich unausweichlich, wenn man die Qualität des FS100 ausreizen möchte.
Im Tonbereich zeigte der FS100 keine besonderen Auffälligkeiten, selbst das mitgelieferte Monomikrofon — bei vergleichsweise preisgünstigen Camcordern oft ein Ärgernis — gehörte nicht zu den Schlechten seiner Art und kann durchaus eingesetzt werden.
Testaufnahmen
Bei den Testaufnahmen wurde der Camcorder in Bezug auf Bildparameter wie Gamma oder Rauschreduktion mit den Werkseinstellungen betrieben. Es wurde weder auf Custom-Picture-Files zurückgegriffen, noch wurden sonstige Bildparameter verändert.
Fazit
Der FS100 ist ein weiterer Camcorder der Reihe »Wir machen großes Kino«. Tatsächlich ist die Qualität, die der Camcorder liefern kann, ziemlich überzeugend, vor allem innerhalb seiner Preisklasse, wo er den AG-AF101 in einigen Aspekten schlägt — zu denen aber die Ergonomie aus Sicht der Tester ganz sicher nicht gehört. Der FS100 ist aber kein F3 in anderem Gewand: Das gilt fürs Handling ebenso, wie für die Bildqualität. Da hilft auch der Pin nichts, den Sony dem FS100 zum Einhängen des Maßbandes für die Entfernungsmessung spendiert hat: Der FS100 ist nicht das richtige Werkzeug, um einen Kinofilm zu drehen. Hat man sich von diesem Traum verabschiedet, und sieht den Camcorder realistisch, dann bekommt man aber erstaunlich viel fürs Geld.
Die Bedienung des Camcorders ist gewöhnungsbedürftig, und wer professionell und szenisch damit arbeiten möchte, muss etliches Zubehör auffahren, um den Camcorder drehfertig zu machen. Und spätestens dann stellt sich die Frage, ob man nicht doch gleich eine Ebene höher einsteigt und eine »richtig professionelle« Kamera nutzt.
Zum Erwerb des von Sony angebotenen Kits aus Camcorder und Zoomobjektiv kann man eigentlich nicht raten, lieber sollten sich die Interessenten, die der FS100 grundsätzlich anspricht, nur den Camcorder kaufen und andere Objektive an diesem Gerät verwenden — das von Sony beigelegte E-Mount-Objektiv ist einfach nicht fürs Filmen konzipiert.
Empfehlungen der Redaktion:
30.03.2011 – Test Sony PMW-F3: Einstieg in die digitale Kinowelt?
28.01.2011 – Test AG-AF101: She’s got the look
07.06.2011 – Produktvorstellung: Sony NEX-FS100