Kamera, Test, Top-Story: 01.06.2010

Test XF305 von Canon: Siegertyp?

Mit der neuen XF-Baureihe präsentiert Canon seinen ersten bandlosen Camcorder für Profis und anspruchsvolle Amateure. Er schreibt MPEG-2-Dateien mit einer maximalen Datenrate von 50 Mbps in voller HD-Auflösung auf zwei CF-Karten und arbeitet dabei mit 4:2:2-Signalverarbeitung. Den Neuen gibt es in zwei Varianten, die sich im wesentlichen durch die Ausgänge unterscheiden: als XF305 und XF300. Beide Camcorder sind mit drei 1/3-Zoll-CMOS-Sensoren und fest eingebauten Objektiven ausgerüstet. film-tv-video.de hat den XF305 ausprobiert.

Dass die neuen Speicherkarten-Camcorder von Canon durch Sonys EX1 (Test) inspiriert sind, ist offensichtlich: Typische Canon-Design-Reminiszenzen sind bestenfalls noch das aufgesteilte Heck und das an den charakteristischen Canon-Drehknopf erinnernde Display an der Seite des Camcorders — alle anderen Designvorgaben des Canon-Camcorders sind eher darauf ausgerichtet, dass sich auch EX1-Anwender bei Canons Neuem zuhause fühlen können.

Unterschiede XF300/XF305

In allen wesentlichen Aspekten gleichen sich XF300 und XF305: Der XF305 ist lediglich bei den Schnittstellen etwas besser ausgestattet und bietet zusätzlich zu allen anderen Funktionen des 300ers auch einen HD-SDI-Ausgang sowie Timecode– und Genlock-I/Os.

Eckdaten

Die beiden neuen Canon-Camcorder arbeiten wie Sonys XDCAM EX-Camcorder mit MPEG-2-Kompression. Im Unterschied zu den Sony-Geräten bieten die Canon-Camcorder aber 4:2:2-Signalprocessing und bei der Aufzeichnung eine maximale Datenrate von 50 Mbps. Zum Vergleich: EX1 und EX3 können mit maximal 35 Mbps in 4:2:0 aufzeichnen.

Die 4:2:2-Farbabtastung ist besonders nützlich, wenn eine erweiterte Signalverarbeitung — etwa beim Schnitt oder in der Farbkorrektur – erforderlich ist. Canon nutzt MXF als Container für die von XF305 und XF300 erfassten MPEG-2-komprimierten Videos mit 4:2:2-Farbabtastung und linearem PCM-Audio.

Bei der Sensorgröße war Canon nicht übermäßig spendabel: XF305 und XF300 sind mit drei 1/3-Zoll-CMOS-Chip bestückt, die je 2,37 Megapixel bieten (effektiv 2,07 Megapixel). Im Vergleich dazu sind die XDCAM-EX-Geräte von Sony mit 1/2-Zoll-Sensoren ausgerüstet.

Beide Canon-Camcorder sind mit neu entwickelten, fest eingebauten Objektiven bestückt: ein Wechselbajonett sucht man vergeblich. Das Objektiv enthält laut Canon 17 Linsen (darunter fünf asphärische), die in 14 Gruppen angeordnet sind. Es bietet eine Lichtstärke von 1:1,6 bis 2,8. Das Objektiv ist mit einer Metall-Iris (sechs Blendenlamellen) sowie drei ND-Glasfiltern ausgestattet (1/4, 1/16, 1/64).

Besondere Funktionen, Bedienung

Canon bietet dem Anwender viele Möglichkeiten, den Camcorder individuell zu konfigurieren. Das gilt etwa für die Tastenbelegung: Bei insgesamt 13 Knöpfen am Gerät kann man auswählen, welche Funktion ihnen zugeordnet ist. Dafür steht eine Auswahlliste mit 30 Punkten im Einstellmenü zur Verfügung. Allerdings sollte man auch ein gutes Gedächtnis mitbringen, wenn man den Camcorder so umkonfiguriert, denn die Tastenbeschriftung sagt dann etwas anderes, als der Knopf tatsächlich macht — außerdem sind die zusätzlich vorhandenen Nummern der Knöpfe teilweise nur schlecht lesbar.

Wie viele andere Camcorder, bietet auch Canons XF305 die Möglichkeit, das Bild mit zahlreichen Parametern zu beeinflussen: Gamma, Knie, Skin Detail, Schärfe, Schwarzwert, Matrix und vieles mehr lassen sich individuell einstellen. So können eigene Looks gestaltet und das Gerät besser auf die jeweils vorhandenen Aufnahmebedingungen abgestimmt werden.

»Custom Pictures« nennt Canon voreingestellte Setups, die sich ebenfalls abrufen und nutzen lassen — diese Funktion entspricht den »Scene Files« bei Panasonic und den »Picture Profiles« bei Sony. Die als »Custom Pictures« gespeicherten Einstellungen lassen sich anpassen, eigene können angelegt werden.

Bei der Objektivbedienung hat sich Canon einiges einfallen lassen: Der Zoomring verfügt über einen Endanschlag, ebenso auch der Fokus, wenn er auf »manuell« eingestellt wird. Auch kann der Fokussiermodus leichter umgestellt werden als etwa beim EX1 und das Objektiv ist insgesamt griffiger zu bedienen.

Aus der Fülle der Funktionen des Geräts stechen die Möglichkeiten im Bereich Schärfe- und Belichtungskontrolle besonders hervor. Neben Peaking, Zebra, Waveform und Vektorskop, bietet der XF305 eine weitere ausgetüftelte, hilfreiche Anzeige: Der Signalpegel auf der Höhe der drei Messfelder — im Display als Rahmen eingeblendet — wird am unteren Bildrand des Displays eingeblendet. Je höher die Amplitude, um so höher die Auflösung/Schärfe.

Ganz generell liefern das Display, wie auch der Sucher eine vergleichsweise gute Auflösung: Das Display verfügt über 515.000 Bildpunkte, der Sucher bietet 407.000 Pixel. Im Zusammenspiel mit einer Bildausschnittsvergrößerung lässt sich die Schärfe damit einigermaßen sicher beurteilen. Bei sehr hellem Umgebungslicht lässt der Kontrast des Canon-Displays aber zu wünschen übrig.

Eine Besonderheit des Camcorders ist die große Bewegungsfreiheit des Ausklappdisplays, das sich nach links und rechts aus der Camcorder-Achse ausschwenken und dann jeweils sehr flexibel drehen und neigen lässt. Per Tastendruck am Display kann das dargestellte Bild gespiegelt werden: auch bei den ungewöhnlichsten Kamerapositionen lässt sich so fast immer eine Möglichkeit finden, auf das Display zu schauen.

Bildraten

Wer die volle Funktionalität des XF305 in puncto Bildraten nutzen möchte, muss mit CF-Karten arbeiten, die mindestens 40 MBps schreiben können und »UDMA enabled« sind. Nur dann lassen sich auch die variablen Geschwindigkeiten in allen Modi nutzen.

Generell gilt, dass im 720p-Modus mit 12 bis 50 fps gearbeitet werden kann – bei einer Datenrate von 35 oder 50 Mbps. Damit lassen sich Zeitraffer- und Slomo-Aufnahmen realisieren. Im 1080-Modus ist lediglich der Zeitraffer mit 12 bis 25 fps verfügbar, Zeitlupe ist hier nicht möglich. Neben der Aufzeichnung in 720p und 1080i kann der Canon-Camcorder aber auch in einer mit HDV vergleichbaren Qualität mit einer Auflösung von 1.440 x 1.080 Bildpunkten bei einer Datenrate von 25 Mbps aufzeichnen.

Nur bei der Aufzeichnung mit 50 Mbps kann der Camcorder 4:2:2-Signale speichern, bei 35 und 25 Mbps wird in 4:2:0 gearbeitet.

Weitere interessante Möglichkeiten bietet der XF305 mit Intervall- und Pre-Recording – beides Funktionen, die bei Camcordern mit bandloser Aufzeichnung mittlerweile eigentlich schon zum Standard-Ausstattungspaket gehören.

SD kann der Canon XF305 nicht aufzeichnen – ganz im Unterschied zu den Konkurrenzmodellen, die mittlerweile meist wieder mit einer SD-Aufzeichnungsoption ausgestattet sind.

Bildstabilisierung

Canon hat beim XF305 und beim XF300 eine besondere Bildstabilisierung eingebaut. Bewegungen des Geräts werden dabei durch spezielle Sensoren erfasst, gleichzeitig erfolgt eine vektor-orientierte Bildanalyse der vom Bildsensor angelieferten Signale. In der Kombination sollen diese beiden Systeme dazu beitragen, unerwünschte Verwacklungen und absichtliche Camcorder-Bewegungen besser zu differenzieren und die ungewollten Wackler zu kompensieren. Dafür sind drei Modi vorgesehen: der bekannte Standard-Modus und zusätzlich zwei weitere Modi, die Verwacklungen bei Tele- und bei Weitwinkelaufnahmen wirksamer ausfiltern sollen. Das funktioniert erstaunlich gut und lieferte im Test wirklich sehr gute Ergebnisse.

Anbindung an Schnittsysteme

Die Aufnahmen, die mit den Canon-Camcordern erstellt werden, lassen sich mit dem Schnittsystem Edius von Grass Valley und den CS4- und CS5-Software-Paketen von Adobe direkt bearbeiten. Für Avids Media Composer und für Apples Final Cut Pro soll es laut Canon ab dem Lieferstart des Camcorders jeweils ein Plug-In geben, mit dessen Hilfe sich die Daten des Camcorders direkt einspielen und verarbeiten lassen. Zum Zeitpunkt des Tests waren diese Plug-Ins allerdings noch nicht verfügbar, sodass etwa mit Final Cut Pro lediglich die Aufnahmen mit 25 und 35 Mbps per XDCAM-Transfer-Tool eingelesen werden konnten.

Bild- und Tonqualität

Mit den CMOS-Sensoren ist bei den Camcordern eine neue Bildästhetik eingezogen: Bisweilen wirken die Bilder flächig und fast schon künstlich clean, weil mit allerlei digitalen (Filter-)Tricks die Fehler und Probleme der Sensoren kompensiert werden und der Bildeindruck aufpoliert und überhöht wird. Nicht so beim Canon XF305: Der überzeugt mit einem vergleichsweise natürlichen Bildeindruck, der auf übertriebene Effekte verzichtet — dabei wird im Inneren des Geräts ganz sicher nicht auf intensives Signal-Processing verzichtet, aber es wird einfach besser gemacht und führt zu überzeugenderen Ergebnissen. Die Farben wirken in der Grundeinstellung natürlich. Die Bildschärfe überzeugte, etwa bei den detailreichen Testaufnahmen von Fahrzeugen einer Oldtimer-Ausstellung. Hier gefiel besonders die feine Schärfe, die nicht durch künstliche Kantenaufsteilung übertrieben wurde, im Zusammenspiel mit realistischen Farben. Bei schwächerer Beleuchtung liefert der XF305 ordentliche Ergebnisse, überwältigt aber nicht mit einer enormen Lichtstärke. Hier hat die Sony-Konkurrenz ganz klar die Nase vorn.

Beim Ton zeichnet der XF305 zwei Kanäle auf, die sich auch individuell pegeln lassen. Mit dem eingebauten Stereo-Mikrofon kann man sehr gut arbeiten, es liefert auch bei schwierigeren Situationen einen überraschend guten Raumklang. Allerdings war bei leisen Szenen das Grundrauschen etwas zu deutlich zu hören.

Fazit

Canons XF305 ist ein echtes Ausstattungswunder. Sein großes Plus ist die Aufzeichnung mit 50 Mbps und 4.2:2-Signalverarbeitung, bei einem Netto-Listenpreis von rund 6.700 Euro. Auch die vielen Möglichkeiten, das Bild zu kontrollieren und zu beeinflussen, überzeugten die Tester. Wer 50 Mbps und 4.2:2-Signalverarbeitung allerdings nicht braucht, wird wohl eher mit dem lichtstärkeren und zum Testzeitpunkt beim mittleren Straßenpreis rund 700 Euro günstigeren EX1R glücklich werden.

Weitere Infos

Ein NAB-Video, in dem John Cooper von Canon den Camcorder vorstellt, finden Sie hier auf dem Youtube-Channel von film-tv-video.de.

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