HD now!
HD für alle! Mit einem kompakten Camcorder! Das klingt natürlich erst mal super. Dann folgt jedoch das große Aber: beim JY-HD10 von JVC.
Mutig prescht JVC voraus, stellt als erstes Unternehmen einen HDV-Camcorder vor. Denn auch wenn auf dem Camcorder noch kein Logo dieses ersten HD-Formats für Consumer prangt: Der JY-HD10 entspricht den bisher festgelegten Kriterien, er nimmt den zukünftigen Standard vorweg, JVC hat damit als Pionier de facto den ersten HDV-Camcorder auf dem Markt.
Die Zukunft des Consumer-Camcorder-Marktes jetzt schon in Händen halten, preisgünstig in HD drehen: Wer wollte das nicht? Und in der Tat sehen die HD-Bilder, die man mit dem rund 5.365 Euro teuren HD-Camcorder von JVC aufnehmen kann, beeindruckend gut aus, wenn die Bedingungen stimmen. Das bedeutet: Wenn man ruhige Bilder bei guten Lichtverhältnissen aufnimmt und diese dann auf einem Bildschirm betrachtet, der die
HD-Bilder sehen im Vergleich zur üblichen PAL-DV-Qualität einfach sensationell gut aus. Kaum schwelgt man aber eine Weile in dieser neuen Bilderwelt, genießt den Detailreichtum und erfreut sich an der bislang ungekannten Qualität, kündigt sich leider schon das eingangs angekündigte »Aber« an. Der JY-HD10 bringt ungünstiger Weise noch viele Einschränkungen mit sich, vor allem in Bedienung und Handling (mehr dazu in den weiteren Abschnitten). Trotzdem lohnt sich der Blick auf den Vorprescher von JVC, denn er zeigt klar die Richtung: HDV ist die Zukunft für Profis mit kleinem Budget und natürlich für ambitionierte Hobbyfilmer.
DER ERSTE EINDRUCK
So klein und schon HD? Die HD-Bilder des JY-HD10 verdienen ihren Namen: Es lassen sich, wie oben schon beschrieben, beeindruckende Bilder mit dem JVC-HD-Pionier aufnehmen, die man dem sehr kompakten Gerät eigentlich gar nicht zutrauen würde. Um das zu genießen, braucht man aber einen Monitor, der die 720 Zeilen auch tatsächlich abbilden kann. Zwar lassen sich dank eines eingebauten Formatwandler-Chips die HD-Bilder des JY-HD10 auch auf anderen Monitoren betrachten, aber eben nur down-konvertiert und gegenüber dem, was wirklich auf dem Band vorhanden ist, mit deutlich reduzierter Qualität.
Das erste, was dann den Filmgenuss schmälert, sind schnell bewegte Objekte im Bild, oder schnelle Kamerabewegungen: Testaufnahmen, bei denen etwa ein Auto oder Fahrrad durchs Bild fuhren, waren einfach enttäuschend. Unscharf und verwischt, als wäre es mit der Slow-Shutter-Funktion aufgenommen, wird das bewegte Objekt dargestellt. Der bewegte Vordergrund steht dadurch im krassen Widerspruch zum Detailreichtum des Hintergrundes, das Auto oder Fahrrad wird zum störenden Fremdkörper, der sich zudem noch ruckhaft bewegt. Auch bei anderen Motiven mit Bewegung stört die mangelnde Bewegungsauflösung den ersten, positiven Eindruck nachhaltig. Auch wenn man bei der Aufnahme den Shutter einsetzt, um die Belichtungszeit zu verkürzen, verbessert sich das nicht wirklich deutlich, außerdem limitiert den JY-HD10 hierbei seine relativ begrenzte Lichtempfindlichkeit.
Drei Effekte überlagern sich bei der Bewegungsunschärfe: Der HD10 arbeitet progressiv, was gegenüber Interlace-Verfahren die Bewegungsauflösung reduziert. Der JVC-Camcorder nimmt im HD-Modus 30 Vollbilder pro Sekunde auf, was in etwa dem 25P-DV-Camcorder AG-DVX100 von Panasonic entspricht (einen Test dieses Camcorders finden Sie hier). Trotzdem lässt sich der Bildeindruck nicht vergleichen, die bewegten Objekte werden beim JV-HD10 wesentlich unschärfer, teilweise fast schon wie Geisterbilder dargestellt. Der Grund dafür: Um die HD-Bilder überhaupt auf das DV-Band zu bekommen, muss kräftig komprimiert werden. Das geschieht mit dem MPEG-2-Verfahren und zwar nicht einzelbildweise, sondern jeweils über mehrere aufeinander folgende Bilder (Interframe-Kompression mit 6 Bilder langen GOPs). Bei der MPEG-Kompression kann grundsätzlich jeder Hersteller seine eigenen Rechenverfahren (Algorithmen) verwenden, so lange die dabei entstehenden Signalströme dem MPEG-Standard entsprechen. Die von JVC im HD10 verwendete Methode scheint dabei noch Verbesserungspotenzial bei der Bewegungsauflösung zu haben.
HD-ECKDATEN
Prinzipiell bietet der HD10 drei Aufzeichnungsarten: DV, SD und HD. Im DV-Modus wird klar, dass JVCs HD-Camcorder aus der NTSC-Welt kommt und nicht speziell für Europa konzipiert oder variiert wurde. In dieser Betriebsart zeichnet er ein DV-Signal im 4:3-Modus auf, mit 60 Bildern pro Sekunde und 525 Zeilen (davon 480 aktive Zeilen). Wer sich dieses DV-Material ansehen möchte, benötigt dazu einen NTSC-Monitor, oder einen, der behelfsweise NTSC-Bilder darstellen kann. In der DV-Betriebsart ist der JY-HD10 ein NTSC-DV-Camcorder.
Zwei weitere Aufzeichnungs-Modi unterscheiden den HD10 aber vom Rest der DV-Camcorder-Welt. Stellt man den Schiebeschalter auf HD oder SD, schreibt der HD10 ein MPEG-2-Signal auf das DV-Band. Konkret: Im SD-Modus zeichnet der JVC-Camcorder 60 MPEG-2-komprimierte progressiv abgetastete Bilder mit 480 aktiven Zeilen in 16:9 pro Sekunde auf. Im HD-Modus bleibt das Seitenverhältnis gleich, die Bildrate liegt bei 30p, allerdings wird mit 720 aktiven Zeilen höher aufgelöst. In beiden Fällen arbeitet der Camcorder bei der Aufzeichnung aber mit der gleichen Bitrate, was bedeutet, dass im HD-Modus stärker komprimiert werden muss.
HD- und SD-Modus hat sich JVC nicht einfach so ausgedacht, die genannten Bildraten und Zeilenzahlen sind innerhalb der amerikanischen HDTV-Norm festgelegt. Das SD- und HD-Material sollte man folgerichtig auf einem HD-fähigen 16:9-Monitor oder mit einem Projektor darstellen.
In allen Fällen kommen die Bilder des JY-HD10 von einem CCD-Chip mit 1/3-Zoll-Bilddiagonale und 1,18 Millionen Bildpunkten, der stets mit progressiver Abtastung arbeitet. Aus diesem Bildsensor werden laut Hersteller im HD-Modus 1.280 x 720 Bildpunkte generiert, die über einen speziellen Adapter als analoge YUV-Signale ausgegeben werden können oder via IEEE-1394 als digitale Daten (19,7 Mbps Transport Stream, an dieser Buchse werden wahlweise DV- oder MPEG-Daten abgegeben).
DER JY-HD10 IN DER PAL-WELT
Die große Stärke des JY-HD 10, nämlich die hochauflösende Aufzeichnung, ist auch gleichzeitig seine größte Schwäche – zumindest in der PAL-Welt. In Deutschland fehlt es derzeit noch an der nötigen Geräte-Peripherie für den HD10 – angefangen vom Monitor bis hin zum Nachbearbeitungssystem.
Eine Besonderheit des JY-HD10 ist der integrierte Formatwandler. Er erlaubt es, mit dem Camcorder gemachte Aufnahmen intern zu konvertieren und in verschiedenen Formaten aus zu geben. Das funktioniert als Up- und als Down-Konversion. So kann der Camcorder etwa auch 1080i-Signale ausgeben, obwohl er ja intern maximal mit 720p aufnehmen kann.
Die Konvertierfunktion schlägt die Brücke zu anderem Equipment und stellt eine zumindest behelfsmäßige, breitere Kompatibilität des Camcorders her. Per integriertem Konverter lassen sich Bilder vom JY-HD10 auch auf 1080i-Monitore oder konventionelle NTSC-Monitore ausgeben.
Die in der PAL-Welt vorgesehenen Auflösungen beherrscht der JY-HD10 allerdings nicht: Nach einer Auflösungsvariante mit 576 aktiven Zeilen sucht man im Einstellmenü des Camcorders vergeblich. Das wird bei späteren HDV-Camcordern, die für den PAL- oder 50-Hz-Markt konzipiert wurden, ganz sicher anders sein.
AUSSTATTUNG UND BEDIENUNG
Auf den ersten Blick wirkt der HD10 vom Design her eher unauffällig, passt in die Reihe anderer Kompakt-Camcorder mit Ausklappdisplay. Im Vergleich zu Geräten ähnlicher Bauart, etwa dem Panasonic AG-DVX100 AE oder dem Sony DSR-PD170, ist der HD10 etwas schmaler und insgesamt kleiner, weist aber sonst ganz ähnliche Design-Elemente auf: Großes Farbdisplay, Henkelgriff (beim JVC aber abnehmbar) und einen großen Schärfering.
Wichtige Unterschiede im Vergleich zu den genannten Camcordern gibt es – natürlich neben dem HD-Modus – beim CCD-Chip: Mit nur einem Drittelzoll-Chip bestückt, fällt JVCs HD-Pionier im DV-Modus gegen die Konkurrenz mit jeweils drei Chips ab, besonders wenn es um die Farbwiedergabe geht.
Schönes Detail an JVCs HD10: Der »Rotating Grip«, mit dem es möglich ist, Recorder- und Aufnahmeteil des Camcorders gegeneinander zu verdrehen. Das geht um bis zu 90 Grad und erlaubt relativ bequemes und sicheres Halten des Camcorders auch bei ungewöhnlichen Aufnahmewinkeln.
Als Alternative zum abnehmbaren Griff liefert JVC ein »ProPad« aus. Das ist ein Henkel, in den zwei XLR-Buchsen integriert sind. Etwas unter Wert ist hier die Verbindung von XLR-Halterung zur Mikrofonbuchse des Camcorders gelöst: Ein dünnes Klinkenkäbelchen stellt den Kontakt her. Leider hat JVC aber nicht nur hier gespart, sondern auch an einer manuellen Tonaussteuerung – ein klares Manko bei einem Gerät dieser Preisklasse.
Ganz generell ist das Bedienkonzept des Camcorders in einigen Punkten recht gewöhnungsbedürftig. Die Tasten, um manuellen Shutter, Blende oder Programmautomatik zu aktivieren, sind sehr klein geraten und sitzen direkt neben dem Akku. Ist die manuelle Blende aktiviert, lässt sie sich mit einem griffigen Blendenregeler hinten am Gerät einstellen. Schade nur, dass eine etwas grobe Blendenabstufung vorgesehen ist: beim einen oder anderen Motiv fehlte im Test dehalb die optimale Zwischenstufe.
Beim Thema Schärfe ist ein Punkt wichtig: Der eingebaute Sucher (180.000 Bildpunkte) und das Ausklappdisplay (200.000 Bildpunkte) sind keine HD-Schirme. Keiner von beiden kann tatsächlich 720 Zeilen darstellen. Das ist beim manuellen Scharfstellen natürlich eine Hürde und man muss sich in der Regel auf den Autofokus verlassen. Der neigte im Test aber bisweilen etwas zum Pumpen.
BILD UND TON
Man kann es nicht anders sagen: Die Bilder, die der JVC HD10 im HD-Modus aufzeichnet, sehen bei der nativen Wiedergabe auf einem HD-Monitor sensationell gut aus, wenn man die geringe Baugröße und den Preis des Geräts in Betracht zieht. Bisher konnte kein Camcorder aus dem Consumer-Lager so ruhige, scharfe, kontrastreiche und detailtreue Bilder liefern. Mehr Pixel sind einfach besser, dagegen wirkt auch gutes DV-Bildmaterial allenfalls noch durchschnittlich. All das gilt aber, wie schon ausgeführt, leider nur für ruhige Bildmotive. Sobald schnellere Bewegung ins Bild kommt, ist es mit der Schärfe und dem Detailreichtum beim HD10 vorbei. Dabei schluckt JVCs HD-Camcorder aus Sicht der Tester weit mehr, als in manchen Fällen ja durchaus erwünscht ist: die »Kinounschärfe« von 25p-Aufnahmen ist noch um Welten schärfer, als das was der HD10 von einem durchs Bild fahrenden Auto übrig lässt.
Im SD-Modus sind die in 60p aufgezeichneten Bilder, die der HD10 liefert, natürlich nicht mehr ganz so scharf und detailreich wie im HD-Modus, schließlich fehlen 240 Zeilen gegenüber der HD-Auflösung. Durch die progressive Darstellung machen die 480 Zeilen im SD-Modus aber immer noch einiges her. Die Bewegungsauflösung ist beim HD10 im SD-Betrieb höher als in HD, Unschärfen bei der Darstellung bewegter Objekte fallen nicht so drastisch ins Gewicht, wie bei 30p im HD-Modus. SD mit dem HD10 entspricht in etwa guter PAL-DV-Qualität.
Der DV-Modus des HD10 fällt im Vergleich dazu deutlich ab. Es handelt sich eben um NTSC-Aufnahmen, bei denen gegenüber PAL-DV 100 Zeilen Bildinformation weniger vorliegen. Für jeden, der gute PAL-DV-Camcorder gewohnt ist, kann das letztlich nur enttäuschend sein. Der Unterschied zwischen SD- und DV-Aufzeichnung ist interessanter Weise beim HD10 auch schon im EE-Modus zu sehen, also wenn der Camcorder einfach nur als Kamera benutzt wird und ein Signal ausgibt, das noch nicht aufgezeichnet war. Das resultiert daraus, dass der CCD-Chip in jeder Betriebsart anders ausgelesen wird und auch die nachfolgende Signalverarbeitung anders abläuft.
Nicht überzeugen können in allen drei Aufzeichnungs-Modi die Bilder, die der HD10 bei schlechter Beleuchtung macht. Bei dunklen Szenerien ist wirklich nur noch sehr wenig zu sehen: Der HD-Pionier ist im Vergleich zu anderen aktuellen Camcordern relativ lichtschwach. Probleme hat der Bildsensor des JY-HD10 mit punktförmigen, hellen Lichtquellen im Bild. Sie führen oft zu Vertical Smear.
FAZIT
JVC hat mit der Einführung des HD10 einen mutigen Schritt in die HD-Welt gewagt, der hoffentlich die Diskussion um Consumer-HD in Gang bringt. Der erste HDV-Camcorder ist eine Technologieträger, das Richtige für Technikfreaks, die als »Early Adopters« schon jetzt mit dieser Art von HD- Equipment arbeiten wollen. Die Integration des Camcorders in bestehende Produktionsketten ist allerdings nur mit etlichen Klimmzügen und Kompromissen möglich, denn der HD10 ist mit seinen Aufzeichnungs-Modi ganz klar für den 60-Hz-US-Markt optimiert. Aber vielleicht kommt ja bald ein Gerät nach, das auch die europäischen Standards berücksichtigt.
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