Der Halbbruder
Panasonic präsentiert mit dem AG-DVC200 einen Camcorder, der auch in die DVCPRO-Reihe passen würde, aber ausschließlich in DV aufzeichnet.
Panasonic-Fans mussten lange warten, ehe das Unternehmen einen DV-Camcorder für Profis präsentierte. Doch nun ist es endlich soweit: Mit dem AG-DVC200 hat der Hersteller nun einen solchen Camcorder im Programm, der sich an Profis und ambitionierte Amateure richtet. Damit öffnet Panasonic seine Profipalette noch ein Stück weiter in Richtung DV: Nach der bei allen DVCPRO-Studiorecordern vorhandenen DV-Wiedergabemöglichkeit, gibt es seit kurzem mit dem AJ-D455 auch einen DVCPRO-Recorder, der im DV-Format aufnehmen kann. Und mit dem AG-DVC200 gibt es nun eben auch einen passenden DV-Camcorder.
Der AG-DVC200 steht einem mittlerweile ganz stattlichen Feld von Konkurrenten im gleichen, niedrigen Preissegment gegenüber: JVCs GY-DV500/550 (siehe auch Test dieses Camcorders), Sonys DSR-250 (siehe auch Test dieses Camcorders) und auch Canons XL1S sind unter 10.000 Euro zu haben. Die Konkurrenzmodelle haben allerdings einen entscheidenden Vorteil: Sie sind schon deutlich länger am Markt vertreten und konnten in dieser Zeit Kundenpotenzial erschließen. Was hat der Testkandidat von Panasonic zu bieten, um trotz des späteren Einstiegs in den Profi-DV-Markt einen der vorderen Ränge in den aktuellen Verkaufs-Charts zu erreichen?
AUSSTATTUNG
Ganz im Gegensatz zum etwas behäbig wirkenden DVCPRO-Camcorder AJ-D215 von Panasonic (Test dieses Camcorders), dem bisher preisgünstigsten Profi-Schultercamcorder dieses Herstellers, macht der DVC200 schon äußerlich wesentlich mehr her, er sieht modern und professionell aus. Von der typischen Kastenbauweise sind die Ingenieure abgerückt und haben sich statt dessen für abgerundete Formen und wertige Oberflächen entschieden. Das tut dem Erscheinungsbild des DV-Profi-Camcorders gut.
Großes Plus, das schon bei oberflächlicher Betrachtung ins Auge sticht: Der Camcorder ist mit einem ganz ähnlichen Sucher bestückt, wie er auch bei den teureren DVCPRO-Camcordern zu finden ist. Dieser Sucher lässt sich mit einem robusten Mechanismus verstellen, so dass man die Muschel optimal vor dem Auge platzieren kann.
Ein zweites Plus erschließt sich unmittelbar beim Blick in den Sucher: Es lassen sich alle wichtigen Menü-Einstellungen recht übersichtlich darstellen. Wer also den
Shutter verstellt, die Blende verändert oder das Filterrad verdreht, kann das unmittelbar im Sucher sehen und dadurch kontrollieren. Mit der Taste Mode-Check ist eine weitere nützliche Funktion eingebaut. Einmal auf diese Taste drücken, und schon erscheinen im Sucher alle aktuell eingestellten Werte für Filter, Gain, Knie, Gamma und weitere Funktionen.
Der DVC200 lässt sich via
Speziell fürs schnelle Einstellen des Menüs ließ sich Panasonic eine schöne Lösung einfallen: Vorne sitzt direkt unterm Objektiv ein griffiger Jog-Knopf. Damit lässt es sich einfach durchs Menü navigieren, auch während der Blick in den Sucher gerichtet ist, denn der Jog-Knopf lässt sich quasi »blind« bedienen – ganz im Gegensatz zur Menüführung anderer Camcorder, bei denen man auf unterschiedlichste Tasten drücken muss, um sich durchs Menü zu arbeiten. Wenn’s schnell gehen muss, ist der Jog-Knopf eine große Hilfe.
Weitere schöne Ausstattungsmerkmale: Der Camcorder lässt sich in verschiedenen Modi betreiben, unter anderem auch in einem Automatik-Modus, gedacht für Situationen, in denen für manuelles Einrichten der Kamera keine Zeit bleibt. Zudem bietet der DVC200 zahlreiche Möglichkeiten, einmal gefundene Camcorder-Einstellwerte in Form von Scene- und Data-Files zu speichern. Scene-Files enthalten dabei die grundlegenden Bildparameter, während sich in den Data-Files noch weitergehende, über die Bildbeeinflussung hinaus gehende Einstellungen finden, etwa die Beschaltung der Video-Ausgänge sowie Recorder- und Audio-Vorgaben.
Eine Funktion, die im Computer-Zeitalter eigentlich unabdingbar ist, bietet der DVC200 mit Syncro Scan: Computermonitore im Bild lassen sich damit flimmerfrei aufnehmen. Der Syncro-Scan-Bereich reicht von 50,2 bis 248 Hertz Bildwechselfrequenz.
Der DVC200 kann Energie aus den unterschiedlichsten Akkus beziehen. So lassen sich unter anderem NiCd-Akkus von Anton Bauer, aber auch von Sony (NP-B1) verwenden, mit
ANSCHLÜSSE
An Anschlüssen hat Panasonic beim AG-DVC200 nicht gespart: Über symmetrisch beschaltete XLR-Eingänge ist es möglich, ein Mikrofon oder Line-Audio-Quellen anzuschließen. Eine Klinkenbuchse steht für den Ohrhörer zur einfachen Tonkontrolle bereit und für die Line-Tonausgabe sind zwei Cinchbuchsen eingebaut.
Das Kamerasignal wird via BNC-Buchse ausgegeben, zusätzlich ist der Camcorder aber auch mit einer Y/C-Buchse ausgerüstet. Der AG-DVC200 hat auch eine
Zusätzlich gibt es zur reinen Bildkontrolle eine Monitorbuchse, an der sich wahlweise unterschiedliche Signale (auch Differenzsignale und einzelne Farbkomponenten) ausgeben sowie die Bildschirmmenüs einblenden lassen.
BEDIENUNG
Der DVC200 sitzt satt auf der Schulter, was aber keine freundliche Umschreibung für ein hohes Gesamtgewicht sein soll, sondern für die Schulterpolstergestaltung und den richtig liegenden Schwerpunkt des Geräts spricht.
Panasonic hat dem Camcorder viele Funktionen auf den Weg gegeben, die die Bedienung des AG-DVC200 vereinfachen: Ein Beispiel dafür ist die Scharfstellhilfe QuickFocus, eine Funktion, die bei anderen Herstellern als Akku-Focus oder EZ-Focus bekannt ist. Durch automatische Shutter– und Blendenverstellung wird dabei für 10 Sekunden die Schärfentiefe minimiert und es fällt leichter, das Motiv exakt scharf zu stellen.
Wenn gar keine Zeit für individuelle Einstellungen bleibt, gibt es die Funktion Full Auto. In diesem Modus regelt der Camcorder Blende und Weißabgleich selbstständig automatisch und permanent nach.
Der Ton kann ebenfalls vollautomatisch gepegelt werden, lässt sich aber auf Wunsch auch mit zwei Drehreglern manuell regeln. Die sind beim AG-DVC200, im Gegensatz zu vielen anderen Camcorder-Modellen, griffig und auch für europäische Erwachsenenfinger groß genug. Die aktuelle Pegelanzeige lässt sich nur im Sucher ablesen, denn der AG-DVC200 hat kein Display. Nachteil dieser Lösung: Arbeitet man ohne separaten Mischer, kann nur der Kameramann oder die Kamerfrau selbst den Audiopegel kontrollieren.
Aber auch in anderen Situationen haben die Tester das seitliche Display vermisst, auf dem sich sonst mit einem Blick viele Einstellungen und Funktionen ablesen lassen, wie etwa die Timecode-Werte.
Neben solcherlei Mangel gibt es beim AG-DVC200 aber auch etliche schöne Details in der Ausstattung. So lässt sich etwa die Regelgeschwindigkeit der Blende variabel einstellen und damit auf die jeweilige Drehsituation und eigene Vorlieben optimieren. Beim Weißabgleich gibt es eine einfache Möglichkeit, die beiden manuell abgelegten Werte und auch den Preset-
Wert individuell so zu variieren, dass das Bild kühler, also mit höherem Blauanteil oder wärmer, also mit höherem Gelbanteil eingestellt wird. Die grundsätzliche Farbtemperaturanpassung erfolgt beim AG-DVC200, wie bei Profi-Camcordern üblich, in der Kombination aus Filterradeinstellung und elektronischem Abgleich.
Um eine bessere Durchzeichnung und detailreichere Wiedergabe in den hellen Bildteilen zu erreichen, lässt sich beim AG-DVC200 eine Auto-Knee-Funktion aktivieren. Dabei ist der Kniepunkt zwischen 90 und 100 % des Bildpegels variabel verschiebbar. Auch am unteren Ende der Bildhelligkeit bietet der Camcorder Eingreifmöglichkeiten:
Detaillierte Eingriffe in die Bildsignalverarbeitung erlauben die eingangs erwähnten Scene- und Data-Files. Mit den unterschiedlichen Scene-Files lassen sich diverse Looks erzielen, vergleichbar in etwa mit den Effektprogrammen, die manche Camcorder aus dem Consumer-Lager bieten. Beim DVC200 kann man auf sechs voreingestellte Scene-Files zugreifen, wobei diese Voreinstellungen teilweise wirklich ins Reich der Consumer-Camcorder gehören: Stellt man etwa das File »Cool« ein, wirkt das ganze Bild einfach nur blaustichig, und
bei »Sparkling« wird schlichtweg die Farbsättigung angehoben. Zum Glück gibt es die Möglichkeit, die Parameter der Scene-Files selber zu verändern und so die Werksvorgaben mit eigenen, praxisnäheren Einstellungen zu überschreiben.
Anspruchsvolle, detailversessene Anwender, die den Camcorder ausreizen wollen, werden aber wohl eher mit den Data-Files arbeiten, denn hier können etliche übers Bild hinausgehende Parameter gezielt eingestellt und verändert werden, etwa die Einstellungen für Marker, Zebra und sonstige Suchereinblendungen, die Mikrofon- und Audiofunktionalität, wie auch Recorder-Vorgaben und die Belegung der Camcorder-Ausgänge.
Mit dieser Ausstattung punktet der DVC200 gegenüber der Konkurrenz, bietet er doch eine Vielzahl von Einstell-Möglichkeiten, die im Profi-Bereich eine wichtige Rolle spielen können. Offen ist allerdings die Frage, ob mit der Funktionsvielfalt in diesem DV-Camcorder nicht auch viele unabsichtliche Probleme eröffnet werden, denn natürlich kann man auch eine Menge falsch machen, wenn man tief in die Signalverarbeitung eines Camcorders eingreift. Dennoch: Der anspruchsvolle Anwender, der sich mit den Möglichkeiten auseinandersetzt und über ausreichend Grundwissen verfügt, wird diese Funktionen des DVC200 als Bereicherung empfinden.
BILD-/ TONEINDRUCK
Der AG-DVC200 bietet solide DV-Bildqualität, wobei sich durchaus positiv bemerkbar macht, dass der Camcorder auf Profi-Objektive von spezialisierten Optik-Herstellern setzt und nicht etwa ein »Wald-und-Wiesen«-Consumer-Zoom fest eingebaut ist. Die Halbzoll-Chips sorgen laut Hersteller für eine Auflösung von 800 Linien. Zu typischen CCD-Effekten wie den senkrecht durchs Bild laufenden Smear-Störungen lassen sich die CCDs praktisch nicht provozieren.
Die optische Bewertung der Bilder fällt gut, aber nicht überragend aus und ist in etwa vergleichbar mit der des GY-DV500 von JVC, der mit Archivaufnahmen zum Test herangezogen wurde. Die Bilder des JVC-Camcorders wirken in manchen Bereichen zwar etwas knackiger, dafür bietet der DVC200 das nüchternere, stimmigere Bild. Mit den Bildern eines Ikegami HL-DV7 (siehe auch Test dieses Camcorders) oder Sony DSR-500 (siehe auch Test dieses Camcorders) kann der AG-DVC200 von Panasonic aber qualitativ nicht mithalten. Zwischen diesen Camcordern und dem DVC200 liegt aber auch ein Preisunterschied von rund 10.000 Euro.
Bei der Farbwiedergabe tendiert der DVC200 zur panasonic-typischen Kühle, doch diese wirkt recht realitätsnah. Wer trotzdem eher wärmere Bilder bevorzugt, kann mit den oben genannten Funktionen leicht in die Farbmatrix und in den Weißabgleich eingreifen.
Die Tonaufnahmen überzeugten die Tester dagegen weniger. Das mitgelieferte Mono-Mikrofon sorgt allenfalls für durchschnittliche Qualität: Sprachaufnahmen näseln deutlich, und insgesamt geht der Ton ins quäkende. Wie üblich liegt das praktisch ausschließlich am mitgelieferten Billig-Mikro und es zahlt sich in jedem Fall aus, dieses nur als Notmikro zu betrachten und ein angemessenes Mikrofon mit dem AG-DVC200 zu verwenden. Aufgezeichnet wird schließlich im DV-üblichen Verfahren mit zwei Kanälen, die 16 Bit Quantisierung und 48 kHz Abtastfrequenz bieten. Das Recorderteil kann deutlich mehr, als das mitgelieferte Monomikrofon anliefert.
FAZIT
Mit dem DVC200 ist Panasonic ein DV-Profi-Camcorder gelungen, der durchaus das Zeug dazu hat, dem JVC GY-DV500 Terrain abzuringen. Neben der Funktionsvielfalt überraschte die Tester die für dieses Preissegment recht hochwertige, robuste Verarbeitung bei Gehäuse, Sucher und Buchsen. Der langen, unterbrechungsfreien Aufnahmezeit, die die große DV-Kassette mit sich bringt, steht gegenüber, dass kleine Kassetten im Markt weiter verbreitet sind, sich aber mit diesem Camcorder nicht verwenden lassen.
Der AG-DVC200 wird seine Käufer finden, er macht Panasonic auch wieder für Anwender interessant, die professionell arbeiten wollen, aber nicht ganz auf DVCPRO umschwenken, sondern im breiter etablierten DV-Format arbeiten wollen.
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