Anga Com – mehr Besucher und KI
Mediengipfel und Künstliche Intelligenz – Eindrücke des Kongresses der Anga Com.
Die Anga Com (14. -16. Mai 24 in Köln), Europas führende Kongressmesse für Breitband, Fernsehen & Online, endete am 16. Mai mit einer Rekordbeteiligung von über 480 Ausstellern und mehr als 23.000 Teilnehmern. Die Aussteller kamen aus 35, Besucher aus über 80 Ländern nach Köln.
Das messebegleitende Kongressprogramm verzeichnete eine Teilnahme von über 3.000 Personen, wobei die Präsenz in den Kongressräumen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen ist. Keynotes zur Eröffnung des Kongressprogramms wurden von Klaus Müller, dem Präsidenten der Bundesnetzagentur, und Thomas Braun, dem Anga-Präsidenten, gehalten. Zu den Sprechern in den mehr als 60 Panels zählten Führungskräfte von Unternehmen wie Deutsche Glasfaser, Deutsche Telekom, ProSiebenSat.1, RTL, Swisscom, Tele Columbus, Telefónica Deutschland, UFA und Vodafone.
film-tv-video.de hat zwei der Panels besucht.
Mediengipfel: Linear, On Demand, Free oder Pay – Mit welchem Content schaffen wir neues Wachstum?
Markt im Keller – Werbung im Keller: Es sind schwierige Zeiten für privates TV, das gewinnorientiert arbeitet und von ausgestrahlter Werbung lebt. Dazu kommt, dass der Bewegtbild-Markt (Kino, TV, Streaming) sich seit einiger Zeit neu ordnet. Mehr hin zum Streaming/Video on Demand (A-VOD, S-VOD oder T-VOD). Was bedeutet das für Vermarkter und Produzenten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der »Mediengipfel« während des Kongresses auf der diesjährigen Anga Com.
Moderator Thomas Lückerath betont gleich zu Beginn, dass das lineare Fernsehen nicht tot sei und auch nicht nur zwischen Tatort und Sportschau stattfinde. Die Runde, in die er dies wirft und um Stellungnamen bittet, besteht außerdem aus Vermarktern und Produzenten, namentlich: Dr. Nadine Bilke, Programmdirektorin, ZDF; Inga Leschek, Programmgeschäftsführerin, RTL und RTL+ ; Sabine de Mardt, Produzentin, Gaumont GmbH; Henrik Pabst, Geschäftsführer Seven.One; Dr. Christoph Schneider, Country Director DE/AT, Amazon Prime Video; Sascha Schwingel, CEO UFA.
Nadine Bilke (ZDF), die gleich die 13-jährige Marktführerschaft des ZDF unterstreicht, konzediert, dass das lineare Hauptprogramm nicht mehr das ultimative Ziel sei, sondern die Gewinnung jüngerer Nutzer für die Mediathek. Inga Leschek (RTL) sieht die Zukunft des linearen Fernsehens eher im Eventbereich und kündigt für den 14. September einen Event an, von dem RTL sich wohl einen großen Marktanteil verspricht: einen neuen Boxkampf mit Stefan Raab.
Sabine de Mardt (Gaumont) hat gemischte Gefühle als Produzentin, denn sie sorgt sich, ob auch kleinere relevante Projekte eine Chance im Markt haben. Sie sieht Schwierigkeiten bei der Finanzierung und der Rechteverteilung.
Henrik Pabst sieht Pro 7 auf dem richtigen Weg, die Reichweite habe zugenommen. Der Fokus solle mehr auf Entertainment liegen.
Christoph Schneider (Amazon) schaut mehr auf VOD und insbesondere auf eigene Serien. Gerade ist hier in Deutschland mit »Maxton Hall« eine Erfolgsserie gelungen, die auch in anderen Ländern viele Zuschauer hat. Die Leute mögen Streaming und TV, sagt er, Marken (gemeint sind gut laufende Serien) seien ein Qualitätsversprechen.
Inga Leschek (RTL) will weiter beide Kanäle bedienen: »Live Fernsehen ist nicht tot«, auch wenn die typischen Zuschauer der beiden Kanäle aus unterschiedlichen Zielgruppen stammten. Beim linearen Fernsehen seien es 60% Frauen mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren, beim Streaming sei der Anteil von Männern und Frauen etwa gleich und ihr Durchschnittsalter betrage 34 Jahre.
Pro7 möchte den Spagat zwischen linear und VOD mit Joyn weiter ausbauen, sagt Henrik Pabst. Beim ZDF, so Nadine Bilke, sei das Lineare zwar der Treiber des für das Non-lineare, aber die Mediathek nicht mehr das Abbild des Live-Programms.
Auch das Zuschauerverhalten sei anders, hier würden Serien nicht durchgeschaut, sondern nur 2-3 Episoden am Abend. Marken müssten aufgebaut werden, sagt Sascha Schwingel (UFA).
Dass manche der großen Marken mehr Pflege benötigten, ergänzt Henrik Pabst (Pro 7), die Öffentlich-Rechtlichen trauten sich viel, sie (die Privaten) müssten Geld verdienen.
Sabine de Mardt (Gaumont) meint, dass Marken auch bei der Finanzierung und im internationalen Wettbewerb eine Rolle spielten. Im EU-Ausland gäbe es bessere Förderung, und die Branche warte deshalb auf eine neue Filmförderung.
Inga Leschek (RTL) möchte aber keine Vorgaben oder Bedingungen, RTL mache Programm für Leute, die es gerne schauen. Sabine de Mardt (Gaumont) wünscht sich einen Zuschuss von 30%, um mit den Nachbarstaaten gleich ziehen zu können, aber schlägt auch vor, dass Gewinne teilweise reinvestiert werden sollten.
Diese Begehrlichkeiten sind sicher auch der Tatsache geschuldet, dass der (Werbe-)Markt eingebrochen ist und sich, so sieht es Inga Leschek, zwar etwas erholt habe, aber jetzt erst – nachdem er im Keller war – im Erdgeschoss angekommen sei. Neue Dinge müssten ausprobiert werden und Sendeplätze dafür freigemacht werden, auch wenn es manchmal nicht klappe.
Für Henrik Pabst (Pro7) ist es ein Investment in einen Markt, der sich nicht erholt hat.
Neue Formate seien immer ein großes Investment, sagte Christoph Schneider (Amazon). Es müssten Marken aufgebaut werden, die sich selbst trügen, aber es müsse »nicht jedes Jahr eine neue Kuh durchs Dorf getrieben werden.«
Die Frage des Moderators nach den Wünschen der Diskutanten wurde sehr unterschiedlich beantwortet: Henrik Pabst (Pro7) möchte Kreativität und Beweglichkeit, Nadine Bilke (ZDF) optimistisch bleiben. Sabine de Mardt wünscht sich mehr Mut zum Risiko, Henrik Pabst (Pro 7) Kreativität, Christoph Schneider (Amazon) gute neue Partnerschaften und Sascha Schwingel (UFA) Mut, Haltung und mehr Kompromisslosigkeit.
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