»Eckpunkte« der Bundesländer zur ÖR-Reform
Die Rundfunkkommission der 16 Bundesländer legte eigene »Eckpunkte zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks« vor.
Klar war immer, dass sich die Auftraggeber den Ideen ihres Zukunftsrates nicht verpflichtet haben. Den acht Räten gelten nun »Dank und Wertschätzung«. Am 25. und 26. Januar 2024 wurden sich die Vertreter der Landesregierungen über vier Punkte einig – und das nur eine Woche nach den 10 Berichtspunkten des von ihr installierten Zukunftsrates.
Die Politiker wollen »die Stärkung der Akzeptanz in allen Teilen der Gesellschaft« erreichen. Dafür seien »die Qualität der Angebote, aber auch ein sparsamer Umgang mit Beitragsmitteln unerlässlich. Die Transformation der Öffentlich-Rechtlichen darf sich daher nicht auf finanzielle Fragen beschränken. Vielmehr muss auch über Qualität und die Erwartungen der Gesellschaft debattiert werden.« Auch der Zukunftsrat hatte die gesellschaftliche Akzeptanz der Programme von ARD, ZDF und Deutschlandradio herausgehoben. Die Bundesländer legen u.a. ebenfalls Wert auf eine Regionalisierung der Inhalte. »Die Angebote müssen bürgernah, in der Mitte der Gesellschaft anerkannt und verwurzelt sein.«
Qualitätsmaßstäbe wollen die Bundesländer gesetzlich festlegen und überprüfbar machen. Dazu gehöre laut den »Eckpunkten« der Informationsanteil am Programm und »das Erreichen aller Zielgruppen«. Wie »Qualitätskriterien« definiert und bewertet werden sollen, bleibt jedoch offen. Bei der ARD durchläuft derzeit übrigens eine Qualitätsrichtlinie für Gemeinschaftsangebote die Gremien der ARD-Sender.
Reduzierung von Programmen und beim Sport
Die Sportberichterstattung wird offensichtlich für zu breit gehalten: »Die für den Erwerb von Sportrechten aufgewendeten Mittel dürfen ein angemessenes Verhältnis zum Gesamtprogrammaufwand nicht überschreiten und sollten die Situation des privaten Sportrechtemarktes im Blick behalten.« Was ein »angemessenes Verhältnis“ ist und wie das zu bestimmen wäre, wird nicht erörtert. Die Formulierung lässt aber durchblicken, dass der Trend verstärkt werden soll, den Privatsendern attraktive Sportarten zu überlassen. Deren Zielgruppen sind dann gezwungen, Abos abzuschließen.
Die Politiker fordern zum wiederholten Mal »die Zusammenlegung und Streichung linearer Spartenkanäle sowie die Überprüfung der Hörfunk- und Online-Angebote (z.B. Apps)«. Nachdem die Länder im Medienstaatsvertrag entsprechende Entscheidungen den Sendeanstalten aufgegeben haben, zeigen sie nun dorthin. Daneben stellen sie »Interaktive/partizipative Angebote« und Personalisierungen, um »den offenen Meinungsbildungsprozess und breiten inhaltlichen Diskurs befördern«.
Die Politik fordert den Abbau von Mehrfachstrukturen der Sender und übernimmt vom Zukunftsrat die Idee einer gemeinsamen Technik-Plattform aller Anstalten. Was sich hinter der Forderung der Rundfunkkommission verbirgt, »Organisation an die Stelle aufwendiger Koordinierung« zu setzen, bleibt offen.
Die Feststellung des Zukunftsrats, dass gute Arbeit auch seriös bezahlt werden muss, um die journalistische Kompetenz und Qualität zu konzentrieren und zu entwickeln, verfolgt die Politik nicht weiter. Stattdessen konzentrieren sich die Politiker auf die Vergütungen der AT-Beschäftigten, die sich »grundsätzlich am Gehaltsgefüge des öffentlichen Sektors orientieren« sollen. Verantwortlich für Verträge und Bezüge der Senderspitzen sind übrigens die Verwaltungsräte der Anstalten. Dort entscheiden von den Landesparlamenten nach Parteienproporz entsandte Politiker mit.
Die Bundesländer wollen über die Finanzierung der Sendeanstalten und den Rundfunkbeitrag »intensiv beraten«, wie sie das seit Jahren tun, ohne eine Einigung erreicht zu haben. Im Zuge weiterer Reformen »überprüfen die Länder auch das Verfahren zur Beitragsfestsetzung unter Einbeziehung der Vorschläge des Zukunftsrates«, heißt es abschließend inhaltlich unkonkret und zeitlich nicht absehbar.
Was bringt ein »Reformstaatsvertrag«?
Die Aufgabe des Zukunftsrats bestand nicht darin, den Bundesländern Wege zu politischen Kompromissen zu weisen, sondern machbare Perspektiven für die drei öffentlich-rechtlichen Senderfamilien aufzuzeigen. Dafür gingen die acht Räte so weit in die Tiefe, wie es ihnen für eine allgemein formulierte Beurteilung erforderlich schien.
Die »geeinte« Reaktion der Rundfunkkommission zeigte allenfalls die längst bekannten und allgemein formulierten Ziele auf. Seit Jahren streiten die Bundesländer über Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ohne sich – sicher auch wegen der wechselnden parteipolitischen Zusammensetzung einzelner Landesregierungen – einigen zu können. Die neuerlichen und wenig konkreten »Eckpunkte« belegen zwar, dass alle etwas ändern wollen. Über das Wie und Wohin scheint allenfalls in wenigen Punkten Übereinstimmung zu bestehen.
Möglicherweise weist ein »Reformstaatsvertrag«, den die Bundesländer im Herbst 2024 vorlegen wollen, in eine Richtung. Bis dahin bleibt offen, was die Reformpläne der Bundesländer für die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Belegschaften und Mitarbeitenden und natürlich die Hörer- und Zuschauerschaft bedeuten.
Parallel zum »Reformstaatsvertrag« laufen die Verhandlungen der Länder über die Finanzierung der Anstalten ab 2025. Im Februar legt die KEF ihren Vorschlag zum Finanzbedarf der Sender und der sich daraus ergebenden Höhe des Rundfunkbeitrages vor. Laut Medien könnte ab 2025 eine Erhöhung um 58 Cent auf monatlich 18,94 Euro vorgeschlagen werden. Bayern hat bereits die Ablehnung angekündigt.
Laut dem Bundesverfassungsgericht muss die Umsetzung der Aufgaben der Sender finanziell gesichert sein. Die Bundesländer haben bisher diese Aufgaben nicht geändert. Eine Ablehnung der Beitragserhöhung würde die Umsetzung der Aufgaben der Sendeanstalten einschränken. Sicherlich werden sich die Anstalten dagegen wehren und das höchste deutsche Gericht anrufen. Das haben die Anstalten vor vier Jahren erfolgreich getan, als Sachsen-Anhalt die letzte Beitragserhöhung verhindern wollte.
Wohin geht die Reise?
In der letzten Zeit sind die Anstalten in Bewegung gekommen. Das braucht seine Zeit, schon wegen der gesetzlich vorgegebenen Strukturen für Entscheidungen. Die aktuellen »Eckpunkte« zeigen, dass die 16 Landesregierungen mehr wollen. Sie sind aber nicht in der Lage, mit der erforderlichen Deutlichkeit zu sagen, wohin die Reise gehen soll. Auf die ARD-Anstalten, das ZDF und Deutschlandradio – und die dort Beschäftigen und die von Aufträgen abhängigen Personen und Unternehmen – kommen unsichere Zeiten zu.
Dokumente online:
- Eckpunkte der Bundesländer vom 25./26. Januar 2024.
- Bericht des Zukunftsrates vom 18. Januar 2024.