Zur Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandradio
Der Zukunftsrat-Bericht bietet eine umfassende Analyse und zahlreiche Empfehlungen zur Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die Vorschläge und ausgewählte Reaktionen im Überblick.
Für die Rundfunkpolitik in Deutschland sind die Regierungen der 16 Bundesländer verantwortlich. Seit Jahren kämpfen sie vergeblich um eine gemeinsame Haltung zur Einschränkung der Aufgaben der neun öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten der ARD, des ZDF und des Deutschlandradios. Wie oft in Fällen vehementer politischer Differenzen sollte es eine Kommission richten: Im März 2023 beriefen sie den »Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks«. Das achtköpfige Gremium legte jetzt seinen 38-seitigen Bericht vor. Die Bundesländer sind jedoch nicht verpflichtet, die Vorschläge der Fachleute aufzugreifen oder gar umzusetzen.
Kern der Betrachtung sind nicht nur Veränderungen der Strukturen, die sowohl aus finanziellen Gründen als auch mit Blick auf die digitale Wandlung erforderlich sind. Vorgeschlagen wird u.a. die Schaffung einer Dachanstalt für zentrale Aufgaben der ARD sowie eine gemeinsame technische Lösung für die digitalen Aufgaben durch eine gemeinsame Firma aller Anstalten.
Zehn Empfehlungen
Die folgenden zehn Empfehlungen »werden von allen Mitgliedern der Zukunftsrats getragen« und fassen die Ergebnisse zusammen:
-
Der Zukunftsrat empfiehlt, den Angebotsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen in zentralen Aspekten zu schärfen und fortzuentwickeln. Die Demokratie- und Gemeinwohlorientierung sollte deutlicher und nachdrücklicher formuliert sein – mit dem Ziel, die Öffentlich-Rechtlichen stärker auf ihren Beitrag zur demokratischen Selbstverständigung zu verpflichten und einen common ground zu schaffen.
- Die Öffentlich-Rechtlichen müssen Angebote und Gelegenheiten bieten, die die Menschen zusammenbringen. Das sollte im Angebotsauftrag deutlicher verankert werden.
- Die bisherige Ausrichtung des Angebotsauftrages auf deutsche Staatsangehörige ist nicht auf der Höhe der Zeit. Die Öffentlich-Rechtlichen sollten für alle da sein, die dauerhaft in Deutschland zuhause sind und als künftige Wählerinnen und Wähler in Betracht kommen.
- Der Angebotsauftrag muss auch die Möglichkeiten der digitalen Partizipation der Gesellschaft und ihrer Akteure in den Blick nehmen. Non-lineare Formate eigenen sich besonders, zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
- Der Bericht enthält einige Anmerkungen zu den Angeboten. Diese stehen unter den Überschriften »Eigenständigkeit und Unterscheidbarkeit«, »Unabhängigkeit« und »Ausgewogenheit«, weil dies aus Sicht des Zukunftsrates besonders wichtige Aspekte öffentlich-rechtlicher Angebote sind. Auch in diese Richtung lässt sich der Auftrag schärfen.
-
Für die zukünftige ARD-Anstalt, ZDF und Deutschlandradio schlägt der Rundfunkrat jeweils einen pluralistisch besetzten Medienrat als Hüter der Auftragserfüllung, einen überwiegend nach Fachexpertise besetzten Verwaltungsrat zur Stärkung von Strategiefähigkeit und Kontrolle und eine kollegiale Geschäftsleitung vor. Die bisherigen Organe werden ersetzt.
- Der Zukunftsrat empfiehlt die Errichtung einer ARD-Anstalt mit zentraler Leitung, die die Arbeitsgemeinschaft ersetzt. Diese ARD-Anstalt ist Dachorganisation der Landesrundfunkanstalten. Sie hat die alleinige Strategie-, Steuerungs-, Finanz- und Organisationskompetenz für die bundesweiten Angebote der ARD und für alle zentralen Aufgaben und Dienstleistungen. Die Landesrundfunkanstalten, von zentralem Abstimmungsaufwand befreit, können sich stärker auf ihre Aufgabe konzentrieren: die regionale Grundversorgung und regionale Perspektive. Das Modell folgt dem Gedanken der organisierten Regionalität: Zentrales zentral, Regionales regional.
- Um die Digitalisierung rasch, erfolgreich und zu vernünftigen Kosten voranzutreiben, empfiehlt der Zukunftsrat ARD, ZDF und Deutschlandradio, eine Gesellschaft für die Entwicklung und den Betrieb einer gemeinsamen technologischen Plattform zu gründen. Diese Gesellschaft stellt das technische System für alle öffentlich-rechtlichen digitalen Plattformen bereit. In ihr entstehen keine Inhalte; die drei Partner bleiben inhaltlich autonom.
-
Die Öffentlich-Rechtlichen müssen die Veränderungsbereitschaft im Innern weiter fördern. Dafür empfiehlt der Zukunftsrat eine Reihe von Maßnahmen, um Managementkompetenz zu steigern, Fortbildung zu verbessern und mehr Externe zu gewinnen. Ein gutes Angebot braucht gute Köpfe. Ein von vornherein auf niedrige Gehälter abzielender »Gehaltspopulismus« hilft nicht weiter. Nötig sind vielmehr funktionsadäquate Gehälter.
- Der Zukunftsrat empfiehlt eine Umstellung des Finanzierungsverfahrens der Öffentlich-Rechtlichen. Dabei soll die Ex-ante-Bewertung durch die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) durch eine am Maßstab der Auftragserfüllung ausgerichtete Ex-post-Bewertung von einer modifizierten KEF ersetzt werden. Was die Höhe des Beitrags betrifft, geht der Zukunftsrat von einem Modell aus, das Auftragserfüllung und Indexierung kombiniert, wobei die vorgeschlagenen Reformen mittelfristig zu signifikanten Einsparungen führen werden. Inwieweit diese zur Absenkung des Rundfunkbeitrages oder zur besseren Auftragserfüllung verwendet werden, müssen die Länder entscheiden.
Der Rat formuliert u.a.: »Neben Information, Bildung und Kultur sind Fiktion, Unterhaltung und Sport unerlässlich, weil sich nur so ein breites Publikum erreichen lässt. Auch sie gehören zum Angebotsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen. Fiktion, Unterhaltung und Sport können eine Klammer um weite Teile der Gesellschaft bilden und das Publikum binden. Erst das Zusammenspiel aller Bereiche vermag einen wichtigen Beitrag zur Selbstverständigung dieser Gesellschaft zu leisten.« Damit wird populistischen Ideen eine Absage erteilt, den Programmauftrag der Sender auf Rumpfaufgaben wie Nachrichten und Bildung zu reduzieren und wirtschaftlich attraktive Genres den Privatsendern zu überlassen.