Interviews: Ü-Wagen-Branche in Bewegung
Hintergründe zur Übernahme von TopVision durch TVN und zum Merger von EMG und Gravity Media.
Interview mit EMG und Gravity Media
Die Unternehmen EMG und Gravity Media fusionieren (Meldung dazu). film-tv-video.de konnte bei John Newton, Gründer, CEO und Mehrheitsaktionär von Gravity Media, und Shaun Gregory, CEO der EMG und in neuer Funktion Global Chief Executive Officer, nachfragen, welche Pläne sie mit der Fusion verfolgen.
Der Merger zwischen EMG und Gravity Media ist eine große Nachricht für den TV-Live-Produktionsbereich. Können Sie die Beweggründe dafür erklären?
John Newton: Dieser Deal wurde nicht erst in den letzten Monaten ausgebrütet. Wir haben die ganze Sache schon vor Covid diskutiert, den Prozess aber während der Pandemie unterbrochen. Doch im vergangenen Jahr haben wir die Verhandlungen wieder aufgenommen und nun finalisiert, denn die Fusion ergibt immer noch Sinn.
Shaun Gregory: Wir sind nach der Fusion ein Unternehmen, das den Kunden in vielen verschiedenen Märkten Produkte und Dienstleistungen anbieten kann – auch in neuen Regionen.
John Newton: Konkret werden wir die Produkte, die wir haben, künftig auch in jenen Märkten anbieten, in denen wir dies aktuell noch nicht tun. Wenn wir also beispielsweise mit Spezialkameras und RF in Frankreich und Australien gut vertreten sind, werden wir diese Dienstleistungen künftig auch im Rest Europas und in Nordamerika und anderen Regionen anbieten.
Shaun Gregory: Ich denke auch, dass uns die Fusion ermöglicht, ein gewisses Maß an Stabilität in einem Markt zu bieten, der in den vergangenen Jahren, insbesondere nach Covid, ziemlich volatil war.
John Newton: Man muss auch sehen, dass wir ein komplementäres Team haben, das im Laufe der Jahre bei vielen Projekten zusammengearbeitet hat – also sind wir ohnehin fast eine Familie. Das ermöglicht es uns, ein komplettes End-to-End-Angebot in einer Reihe von Bereichen zu bieten: Ü-Wagen, Studios, Postproduktion, Remote Production Center.
Braucht man am Markt eine gewisse Größe, um bestehen zu können?
John Newton: Ich denke, dass Größe Resilienz verleiht. Wir haben gesehen, wie eine Reihe kleiner Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten an den Rand gedrängt wurde und insolvent ging, was immer sehr traurig ist, weil sie nichts falsch gemacht haben.
Ich denke, eine globale Präsenz und Reichweite zu haben, ermöglicht uns, den größeren Kunden einen konsistenten Service zu bieten. Wenn Sie sich die Arbeit ansehen, die wir weltweit leisten, und einen Blick auf die Unternehmen, Verbände, Produktionshäuser werfen, mit denen wir arbeiten, dann sehen Sie, dass dies enorm große und anspruchsvolle Projekte und Kunden sind. Es gibt also viel Business für uns da draußen.
Shaun Gregory: Ich denke, der andere Punkt ist, dass man versuchen muss, sich den Markt durch die Brille des Kunden anzusehen. Die Kunden wollen, dass der Markt sich konsolidiert, weil dann insgesamt wieder mehr Stabilität herrscht. Zudem wünschen sich die Kunden von uns eine hohe geografische Reichweite.
Sie wollen Unternehmen, die in verschiedenen Ecken der Welt operieren können. Und außerdem wollen sie eine Diversifizierung von Produkten und Dienstleistungen und auch möglichst ein Unternehmen, das all das bieten kann. Diese Anforderungen wollen wir erfüllen.
Planen Sie, auch im deutschsprachigen Markt zu expandieren?
John Newton: Wir werden alle Länder, in denen wir ansässig sind, evaluieren. Wenn es Sinn ergibt, in Deutschland zu skalieren, dann werden wir das tun.
Werden Sie auch mit anderen Ü-Wagen-Anbietern in Deutschland sprechen?
John Newton: Möglicherweise. Ich meine, es gab ja erst dieser Tage einige Neuigkeiten im deutschen Markt, nicht wahr? Also denke ich, dass eine Konsolidierung im Gange ist.
Doch meiner Meinung nach sollte man sich nicht nur auf den Ü-Wagen-Bereich fokussieren. Es geht auch darum, dass Remote-Produktionszentren eine immer größere Rolle spielen. Wir sehen definitiv einen Wert darin, diese Zentren zu haben. Das ermöglicht uns, unsere personellen Ressourcen weltweit zu nutzen und dabei viel nachhaltiger zu produzieren.
»Die Branche steht noch unter Druck, und auch unsere Wettbewerber stehen unter Druck.« John Newton
Shaun Gregory: Man muss allerdings auch sehen, dass sich die Märkte in unterschiedlicher Geschwindigkeit entwickeln. Manche bewegen sich schneller als andere. In Deutschland hat unser Unternehmen eine phänomenale Expertise im Studiobereich, in anderen Bereichen gibt es noch Potenziale.
Werden Remote-Produktionszentren zum Wachstumsbereich für Ihr Unternehmen?
Shaun Gregory: Ja, absolut. Sowohl EMG als auch Gravity Media waren in diesem Bereich während der Pandemie sehr aktiv (siehe Meldung). Wenn Sie sich ansehen, was John und das Team hier bei Westworks gemacht haben, ist das total beeindruckend und es bietet eine gute Grundlage für weiteres Wachstum.
John Newton: Remote-Produktion und alles darum herum wird ein wichtiger Teil dessen sein, was wir in Zukunft tun – auch deshalb, weil es das ist, was die Kunden wollen. Sei es, weil sie bestimmte Dinge aus einer Produktionsperspektive effizienter gestalten wollen, sei es aus Gründen von ESG (Environmental, Social, Governance). Aber natürlich bleibt auch der Ü-Wagen-Bereich ein wichtiges Standbein.
»Wir werden darauf abzielen, die ganze Expertise unseres Unternehmens zu nutzen und sie global einzusetzen.« Shaun Gregory
Wie gehen Sie mit dem Mangel an Fachkräften um?
John Newton: Wir investieren definitiv in Menschen, wir haben Initiativen mit Hochschulen und Universitäten und versuchen, jüngere Menschen in die Branche zu bringen. Ich fürchte aber, die Branche hat etwas von ihrem Reiz verloren. Und es gibt eine Konvergenz der Technologie zur IT-Welt. Also müssen wir für die besten Leute bezahlen und das werden wir auch tun. Als Unternehmen sind wir multikulturell, vielseitig talentiert, vielseitig qualifiziert, vielseitig lokalisiert. Diese Antriebskraft werden wir aufrechterhalten.
Welche Rolle spielt Technologie für die Branche?
John Newton: Es gab schon immer ein Wettrüsten mit Technologie in unserer Branche. Jeder will das Beste, aber ich bin nicht immer ganz sicher, ob wir das alles brauchen.
Deshalb sagen wir den Herstellern ganz genau, was wir von ihnen benötigen.
Shaun Gregory: Schlussendlich geht es immer darum, was der Kunde möchte und was er braucht. Prozessoptimierung, bessere Qualität, all das ist fantastisch. Aber vor allem müssen wir darüber nachdenken, was den Kunden davon zugutekommen wird, denn am Ende des Tages ist das der Grund, weshalb wir alle hier sind.
Seite 1: Interview zu Übernahme von TopVision durch TVN
Seite 2: Interview mit EMG und Gravity Media