Interviews: Ü-Wagen-Branche in Bewegung
Hintergründe zur Übernahme von TopVision durch TVN und zum Merger von EMG und Gravity Media.
Interview zu Übernahme von TopVision durch TVN
Rückwirkend zum 1. Januar 2024 hat TVN Live Production das TV-Produktionsunternehmen TopVision übernommen (Meldung dazu). Die Marke, der Firmensitz in Berlin und die Geschäftsführung bleiben erhalten. TVN-Geschäftsführer Markus Osthaus erklärt die Strategie bei dieser Übernahme.
TVN wird TopVision als Tochtergesellschaft weiterführen und nicht ins Unternehmen integrieren. Warum?
Markus Osthaus: Wir werden TopVision als Tochtergesellschaft führen, weil wir an der Organisationsstruktur des Unternehmens kurzfristig nichts verändern wollen. TopVision funktioniert als Unternehmen bereits seit über 30 Jahren, und Achim Jendges bleibt weiterhin als Geschäftsführer an Bord, ebenso alle 40 anderen Kollegen bei TopVision. Daher besteht hier einfach kein Handlungsbedarf.
TVN möchte die Kooperation mit TopVision ausbauen. Was bedeutet das ganz konkret?
Markus Osthaus: Ich glaube, dass TVN gerade in der Live-Produktion durchaus so wahrgenommen wird, dass wir mit vielen Unternehmen gut zurechtzukommen und gut zusammenarbeiten. Mit TopVision als Tochtergesellschaft werden wir die Zusammenarbeit weiter ausbauen.
Man wird sich gegenseitig mit Material aushelfen, und natürlich wird man sich auch bei Personalengpässen gegenseitig unterstützen. Aber es ist nicht angedacht, das Ganze als Kompletteinheit zu betreiben mit einem gemeinsamen Technik- und Personalpool.
Was war das strategische Interesse dieser Übernahme? Wachstum? Die Sicherung personeller Ressourcen? Marktverdrängung?
Markus Osthaus: Bis auf den Aspekt der Marktverdrängung geht es natürlich genau um die angesprochenen Punkte. Wir sehen ja nicht nur im deutschen Markt, sondern auch im internationalen Markt, dass die Konstrukte, die entstehen, immer größer werden. Der aktuelle Merger zwischen EMG und Gravity Media ist ein Beispiel dafür. Man wird auch in Deutschland eine gewisse Größe brauchen, um am Markt bestehen zu können und bestimmte Entwicklungen stemmen zu können. Im europäischen Kontext sind wir weiterhin ein kleiner Player und auch in Deutschland haben wir mit NEP Germany, TV Skyline und Studio Berlin andere große Anbieter.
Aber natürlich schaffen wir mit diesem Schritt eine relevante Größe für TVN und festigen die Marktposition, die wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet haben.
Zudem sichern wir uns damit auch Ressourcen, sowohl in technologischer als auch in personeller Hinsicht. Damit können wir die Qualität und die Verlässlichkeit, die wir unseren Kunden in den vergangenen Jahren geboten haben, auch in Zukunft bieten.
Die Gelegenheit war da, und es wäre seltsam gewesen, wenn wir nicht miteinander geredet hätten. TopVision war über Jahre Marktführer in technologischer und innovativer Hinsicht, daher passen sie sehr gut zu dem Ansatz, den wir in den vergangenen Jahren verfolgt haben.
Sie haben vorhin den Merger zwischen EMG und Gravity Media erwähnt. Wie beurteilen Sie diese Fusion, und wird sie Auswirkungen auf den deutschsprachigen Markt haben?
Markus Osthaus: Als ich davon hörte, war mein erster Gedanke, dass dieses große Konstrukt durchaus eine größere Schlagkraft entwickeln kann. Allerdings muss man auch sehen, dass EMG in Deutschland zu 90 % Studiogeschäft macht, ich gehe also davon aus, dass der deutsche Markt von dieser Fusion zunächst nicht beeinflusst wird.
Aber natürlich sehen wir mit den technologischen Herausforderungen und auch mit dem Technologiewandel, der uns in den nächsten Jahren in Richtung Cloud- und Remote-Produktion bevorsteht, dass Größe dann für ein Unternehmen schon eine Relevanz hat. Das kann man auch an dem Deal sehen, den NEP Deutschland mit Dyn geschlossen hat, hier spielte Größe sicher eine wichtige Rolle.
Ich gehe einfach mal davon aus, dass der Zusammenschluss zwischen EMG und Gravity Media jetzt nicht bedeutet, dass sie sich auf irgendwelche Kernmärkte fokussieren werden, sondern dass diese Fusion die Basis für weiteres Wachstum bilden soll.
Nun ist der deutsche Markt vielleicht derzeit nicht der finanziell attraktivste Markt, aber es ist ein großer Markt. Und deswegen müssen wir schon damit rechnen, dass das zumindest mittelfristig Auswirkungen haben wird, wenn es beispielsweise um den Aufbau von Sende-bzw. Produktionszentren oder Ähnliches geht.
Und was ist Ihre Antwort darauf? »If you can’t beat them, join them«?
Markus Osthaus: Nein, natürlich nicht. Als ein wesentlicher Player im deutschen Markt wollen wir bei neuen Projekten mitspielen. Und wir glauben aufgrund unserer Kompetenz, aufgrund unserer Fähigkeiten, aufgrund unserer langfristigen Kundenbeziehungen, dass wir als einer der wenigen auch bei diesem Technologiewandel eine entscheidende Rolle spielen können.
Natürlich ist es auch unser Ziel, in Deutschland in den kommenden Jahren ein Remote-Produktionszentrum zu etablieren. Markus Osthaus
Ich bin zwar ein großer Freund von Kooperationen und von Zusammenarbeit, aber ich glaube nicht, dass es ein naheliegender Schritt wäre, mit EMG, Gravity Media oder wie immer sie in Zukunft heißen werden, darüber zu reden, wie wir in Deutschland ein gemeinsames Sende-/Produktionszentrum aufbauen könnten. Wir verfolgen da schon unseren eigenen Weg.
Gerade die global aktiven TV-Dienstleister beschäftigen sich stark mit dem Thema Remote-Produktionszentren. Welche Pläne hat TVN in diesem Bereich?
Markus Osthaus: Als national agierendes Unternehmen hat man da schon einen gewissen Nachteil. Man muss aber auch sehen, dass EMG und Gravity Media unter einem gewissen Druck stehen, weil NEP hier aus meiner Sicht in den vergangenen Jahren einen guten Job gemacht hat.
Aber natürlich ist es auch unser Ziel, in Deutschland in den kommenden Jahren ein Remote-Produktionszentrum zu etablieren. Wesentlicher Baustein dieser Strategie ist es, unsere Kunden davon zu überzeugen, dass dies die Produktionsweise der Zukunft ist, beziehungsweise eine Ergänzung der Produktionsweise, die in bestimmten Situationen sehr viel Sinn ergibt.
Und wo könnte so ein Produktionszentrum stehen?
Markus Osthaus: Hier sind unsere Pläne komplett ergebnisoffen, aber aus meiner Sicht ist der entscheidende Punkt für eine Standort-Definition die Frage, wo man das Fachpersonal dafür bekommt. Denn wenn das Personal statt ins Stadion ins Remote-Produktionszentrum anreisen muss, ergibt das Ganze keinen Sinn mehr.
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