Festival, Top-Story: 04.05.2023

Infos und Filmtipps für das 38. Internationale Dokfest München

Das Dokfest München startet mit 130 Dokumentarfilmen aus 55 Ländern in Münchner Kinos und Event-Locations — sowie per Streaming. Hier gibt es dazu Infos und Filmtipps.






Die bauliche Maßnahme, © Dokfest München
Still aus »Die bauliche Maßnahme«.
Die bauliche Maßnahme

Österreich 2018 / 112 Minuten / dtOmeU

Inhaltliche Einordnung: Migration

Brenner/Brennero ist sicher kein Sehnsuchtsort zum Verweilen: Hier verläuft die Grenze zwischen Österreich und Italien. Der Filmemacher beobachtet in langen, gut kadrierten Einstellungen das Geschehen von der österreichischen Seite aus.

Seit im politischen Wien mehr populistische Töne zu hören sind, droht ein Zaunbau am Brenner zwecks »Gefahrenabwehr«. Die Grenzpolizei vor Ort beschwichtigt, kontrolliert aber ab und zu das bereits gelieferte und eingelagerte Zaunbaumaterial. Die Filmemacher besuchen die Menschen im Umfeld, um ihre Meinung zu ergründen. Ironischerweise besteht ein Tief-Bohrtrupp für den Brennerbasistunnel überwiegend aus afrikanischen Spezialisten.

Das Ganze ist eine momentane Stimmungsaufnahme in ruhigen, gut fotografierten Bildern.

Sehwert ****

Art Talent Show, © Dokfest München
Still aus »Art Talent Show«.
Art Talent Show

Tschechien 2022 / 102 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Aufnahmeprüfung, Kunst

Jedes Jahr gibt es an der Academy of Arts in Prag eine Aufnahmeprüfung für neue Studenten. Die Bewerberzahl ist groß, und auf dem Flur bildet sich eine lange Schlange von Anwärtern, die ihre Arbeiten einreichen.

Der Film begleitet das Auswahlverfahren in drei Bereichen. Die Lehrkräfte begutachten die Einreichungen und wählen daraus Prüflinge für das Aufnahmeverfahren. Dann sehen wir in dem mehrtägigen Aufnahmemarathon einzelne Bewerber bei den verschiedenen Aufgaben und Interviews. Sie werden nicht geschont und müssen auch auf provokante Antworten reagieren. Allen, die mit einem Studium an einer Kunstakademie liebäugeln, sei dieser Film als Vorbereitung empfohlen.

Art Talent Show, © Dokfest München
Still aus »Art Talent Show«.

In der Erzählung springt der Film geschickt zwischen den verschiedenen Klassen hin und her, und die Pförtnerin wird als strukturierendes Element immer wieder zur Trennung von Filmabschnitten herangezogen. Sie ist sinnbildlich die Gate-Keeperin, die über den Einlass entscheidet.

Sehwert ****

The Letter, © Dokfest München
Still aus »The Letter«.
The Letter

Kenia 2019 / 81 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: fremde Kultur

Es beginnt mit einer Facebook-Nachricht: Ein Älterer würde die Kinder in der Familie umbringen. Deshalb fährt Karisa Kamango von Mombasa in ihr Elterndorf, um nach dem Rechten zu sehen.

In der weit verzweigten Familie wird seiner Großmutter Hexerei unterstellt, und jetzt versucht der Enkel mit verschiedenen Familienmitgliedern zu reden und die Vorwürfe aufzuklären, denn diese könnten letztlich tödlich enden.

Immer wieder werden Ältere unter dem Vorwand der Hexerei angegriffen und ermordet, letztlich oft aus wirtschaftlichem Interesse. Mit der Reise des Enkels lernt man den Alltag der 95-jährigen Großmutter kennen, die Familiensituation bis hin zu einer Austreibungszeremonie.

Sehwert ****

Nam June Paik: Moon is the Oldest TV, © Sundance Institute
Still aus »Nam June Paik: Moon is the Oldest TV«
Nam June Paik – Moon is the Oldest TV

USA, Südkorea 2023 / 107 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Medienkunst, Portrait

Wenn irgendein Künstler eine Biografie in Form eines Video-Films wirklich verdient hat, dann ist es Nam June Paik, der weithin als Begründer der Medien- und Videokunst gilt.

Von der Ausbildung her war der 1932 in Korea geborene Paik Komponist. In den frühen 60er-Jahren verlagert er durch die Fluxus-Bewegung seinen Schwerpunkt in die Medienkunst und ist der erste, der mit Fernsehsets und Bildveränderungen arbeitet, damit aber lange keinen Erfolg hat.

Nam June Paik: Moon is the Oldest TV, © Sundance Institute
Still aus »Nam June Paik: Moon is the Oldest TV«

Mit einem großen Magneten verändert er bei einem Schwarz/Weiß-Fernseher die Strahlablenkung und lässt ein Mond-Bild auf dem Schirm entstehen, wovon der Titel dieser Biografie abgeleitet ist.

Im Gegensatz zu Nam June Paiks Arbeiten ist dieser Film eine traditionelle Biografie mit extrem vielen Dokumentaraufnahmen vom Wirken Paiks und mit wichtigen Zeitzeugen und Weggefährten.

Sehwert ***

Demon Mineral, © Dokfest München
Still aus »Demon Mineral«.
Demon Mineral

USA 2023 / 88 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Uranabbau, Indigene Bevölkerung

Kolonialismus läuft letztlich nach immer gleichen Mustern ab. Davon war auch die Navajo-Reservation im Grenzgebiet von Utah, Arizona und New Mexico in den USA betroffen, als dort in den 40er-Jahren Uran für die Bombenproduktion gebraucht wurde.

Demon Mineral, © Dokfest München
Still aus »Demon Mineral«.

Das Dämonische Material wurde ohne große Schutzmaßnahmen von Minengesellschaften abgebaut, und die betroffenen Anlieger ließ man im Unklaren. Später verschwanden die Gesellschaften und ließen eine kontaminierte Wüstenlandschaft zurück.

Der Film nutzt schwarz-weiß und Farbe als Ausdrucksmittel. Die Außenaufnahmen sind in gefilterten, Schwarz-Weiß-Bildern gehalten in einer strahlenden Unnatürlichkeit bei dunklem Himmel. Die Innenaufnahmen sind in Farbe. Im Laufe des Films lernt man Wissenschaftler, Landwirte und Künstler aus der indigenen Bevölkerung kennen, die sich mit den schädlichen Folgen des Uranabbaus beschäftigen.

Sehwert ***

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