Das ZDF wird 60
Das ZDF feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag. Was 1963 in einer Baracke in Eschborn begann, hat sich zum meistgesehenen Sender in Deutschland entwickelt — obwohl sich die Medienlandschaft seither stark verändert hat und sich sehr viel mehr Konkurrenz entwickelte.
Gründungsintendant Karl Holzamer
Insgesamt war Karl Holzamer von 1962 — also als es den Sender noch gar nicht wirklich gab — bis 1977 Intendant des ZDF. Das ZDF ehrt bisher das Gedenken an Holzamer auch mit einem Karl-Holzamer-Stipendium, das der Sender ausstattet, und einem Holzamer-Platz auf dem Sendegelände.
Bei den Vorbereitungen zum Jubiläum »60 Jahre ZDF« waren nun aber biografische Angaben in der Vita des Gründungsintendanten durch das Unternehmensarchiv des ZDF geprüft worden. Dabei ergaben sich im Abgleich mit dem auf der ZDF-Webseite und an anderen Stellen veröffentlichten Lebenslauf Karl Holzamers Abweichungen bei den Daten zur NS-Zeit.
ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler hat daraufhin eine interne Recherche beauftragt, in die neben dem ZDF-Archiv auch die Bestände einschlägiger staatlicher Archive (wie Bundesarchiv/Militärarchiv) zum Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg einbezogen wurden.
Dabei tauchten neue Hinweise und Fakten auf, die auch Holzamers Mitgliedschaften in der NSDAP und der SA betreffen. Nach den Recherchen und Quellenfunden hat die Geschäftsleitung des ZDF eine Prüfung und Einordnung der neuen Erkenntnisse bei dem renommierten Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow beauftragt. Sabrow ist seit September 2021 Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds »Wert der Vergangenheit« und hat zum Thema eine gutachterliche Stellungnahme verfasst.
Die Recherchen haben zu Tage gefördert, dass Holzamer unter anderem seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine von 1937 bis 1945 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft auf eine 1937 eingegangene und 1939 angeblich selbstständig aufgelöste Anwartschaft reduziert hat. Außerdem stellte er sich mit seiner publizistischen Tätigkeit erst als Reporter des damaligen Westdeutschen Rundfunks und später als Kriegsberichterstatter der Wehrmacht offenbar stärker in den Dienst der NS-Herrschaft, als er nach 1945 eingeräumt hatte.
Prof. Dr. Martin Sabrow gelangt zu der Einschätzung, dass sich Holzamer dem Typus des pragmatischen Opportunisten zurechnen lasse, der zur Anpassung an die neuen Verhältnisse bereit war, ohne sich die Nazi-Ideologie und ihren virulenten Antisemitismus gänzlich zu eigen zu machen. Sabrow: »Holzamers lebensgeschichtliche Stilisierung in den Jahrzehnten nach dem Krieg entsprach einem Zeitgeist, der auf Entlastung und Verdrängung der Vergangenheit zielte. Auch wenn er sich während der NS-Zeit weder innerhalb der parteipolitischen Institutionen noch in seinen Medienbeiträgen — soweit diese bekannt sind — über das geforderte Maß hinaus engagierte, finden sich in seinen damaligen Texten Ingredienzien des nazistischen Weltbildes, und er trug in seinem beruflichen Wirken zur Aufrechterhaltung und Stärkung des ‚Dritten Reichs‘ bei. Inwieweit die nach 1945 teils eingeräumte, teils beschwiegene NS-Verstrickung Medienmacher und -intellektuelle wie Holzamer in ihrem Engagement für eine demokratisch fundierte Gesellschaft behinderte oder im Gegenteil sogar bestärken konnte, bleibt eine über den Fall Holzamer hinausweisende Interpretationsfrage der deutschen Zeitgeschichte.«
ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler: »Das Gesamtbild, das Karl Holzamer von sich gezeichnet hat, hält der historischen Wahrheit nicht stand. Seinen großen Verdiensten in der Zeit nach dem Krieg, als Hochschullehrer der neu eröffneten Mainzer Universität und als erster Intendant des ZDF, stehen Verstrickungen in das NS-Regime gegenüber, die er teils verschwiegen und teils uminterpretiert hat.«
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