Mobil und lokal mit IP und 5G
Bei einem virtuellen Austausch über die Themen IP und 5G lieferten Tim Achberger (Sportcast), Markus Berg (IRT), Jürgen Konrad (Plazamedia) und Markus Osthaus (TVN) interessante An- und Einsichten.
Die Nutzung standardisierter IP-Infrastruktur für die Produktion und Distribution von Medieninhalten schreitet voran. Logic, Nevion und Sony veranstalteten darüber vor kurzem einen zweiten, virtuellen Austausch zwischen vier Medienexperten zum Thema »Mobil und lokal mit IP und 5G«. Moderator Erkan Arikan moderierte und leitete eine Expertenrunde durch diese und weitere Themen. Dies ist die zweite Folge dieses Formats. film-tv-video.de hatte auch über die erste Veranstaltung berichtet.
Teilnehmer:
• Tim Achberger — Head of Innovation & Technology Management bei Sportcast
• Markus Berg —Bereichsleiter Future Networks IRT
• Jürgen Konrad — Senior Solutions Architect Plazamedia
• Markus Osthaus — Geschäftsführer TVN Group
Moderation:
• Erkan Arikan — Journalist und Moderator
Erkan Arikan eröffnete die Runde mit der Frage an Tim Achberger, Head of Innovation & Technology Management bei Sportcast, weshalb man sich bei den großen Sportproduktionen wie etwa beim Fußball mit IP und 5G auseinandersetze. Der antwortete, dass man sich in der Fußballproduktion naturgemäß immer mit den neuesten Technologien beschäftige, da man in diesem zuschauerträchtigen Sport immer die neuesten Technologien verwende. Allerdings, so Achberger, kämen Tests auch immer einer Operation am offenen Herzen gleich, weil in der Produktion von Live-Fußball am High-End gearbeitet werde und Fehler oder Ausfälle tunlichst vermieden werden müssten.
Auf die Frage, wie lange sich das IRT schon mit dem Themenbereich IP und 5G und beschäftige, antwortete Markus Berg, Bereichsleiter Future Networks IRT, dass IP letztlich schon sehr lange ein Thema sei. So habe man sich am IRT schon 1998 mit den ersten Ideen der neuen Technik auseinandergesetzt, wenngleich das noch sehr zäh gewesen sei.
Jürgen Konrad, Senior Solutions Architect Plazamedia, setzte mit seinem Team mit der Realisierung des IP-basierten Sendezentrums der Plazamedia in Ismaning hingegen schon vergleichsweise früh ein Zeichen. Er berichtet aber von einem eher pragmatischen Ansatz: »IP war für uns keine Technologieentscheidung, sondern ein Eingehen auf die Anforderungen der Redaktionen. Für uns ging es darum, hochflexible Workflows abzubilden – und das war nur mit IP möglich.«
Für den TV-Dienstleister TVN stellt sich die Situation etwas anders dar, so Geschäftsführer Markus Osthaus. »Mit IP oder 5G erhalten wir — im Unterschied zu anderen Innovationen wie HD, UHD und HDR— keine bessere Qualität. Und deshalb ist es letztlich schwerer, unseren Kunden zu vermitteln, wo die Vorteile liegen.« Zudem sei der TV-Dienstleister Teil einer Signalkette, wenn hier etwas verändert werde, müsse es immer ins Gesamtkonzept passen. Hier sei ein großes Maß an Kollaboration unerlässlich.
Sind denn auch die Fußballvereine bereit, den Weg der neuen Technologie zu gehen, wollte Erkan Arikan wissen. Tim Achberger meint, dass es von Seiten der Vereine wenig Interesse und Bereitschaft gebe, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Hier gehe es halt darum, dass alles funktioniert und die Ergebnisse gut aussehen. Um das sicherzustellen, ist es aus seiner Sicht generell nötig, über einen gewissen Zeitraum hinweg eine Parallelstruktur für die Produktion aufzubauen. Das sei unerlässlich, weil es in einer Live-Produktion, wo es um Sekunden gehe, keinen Raum für Tests und Experimente gebe.
Ob IP denn auch neue Qualifikationen von den Mitarbeitern erfordere, wollte Erkan Arikan von Jürgen Konrad wissen. Er verneint das. »Viele Mitarbeiter sind von den technischen Abläufen im Hintergrund gar nicht im Detail betroffen. Deren Jobs bleiben in vielen Fällen prinzipiell gleich. Unterm Strich geht es ja darum, dass das, was inhaltlich reingeht, an der richtigen Stelle wieder rausgeht.« Dazu müsse man die Technologie, die dahinter steht, nicht im Detail kennen, wenngleich er feststellt, dass die Mitarbeiter durchaus Interesse für die neue Technologie entwickelt hätten.
Markus Osthaus bekräftigt das und berichtet, dass TVN seine Ingenieure im vergangenen Jahr verstärkt für IP geschult habe, damit sie mit den neuen Geräten besser klarkommen. Insbesondere die Fehlersuche gestalte sich in der IP-Welt schwieriger oder zumindest anders. Wenn man sich aber die nötigen Kenntnisse angeeignet habe, seien die Lösungsmechanismen einfach, findet Jürgen Konrad.
Die Frage, wie weit denn IP und IT in der Broadcast-Praxis etabliert seien, stand natürlich in der gesamten Diskussion im Raum, und es ging darum, wie schnell es bisher ging und weiter gehen werde. Dazu warf Markus Berg einen gewichtigen Aspekt ein: Der Vertrieb der großen IT-Anbieter und -Dienstleister hätte besonders in der Anfangsphase sehr viele Geräte und Lösungen versprochen, die dann in der Praxis aber nicht eingelöst wurden. Auch deshalb sei die Situation nun da, wo sie ist.
Tim Achberger glaubt, dass es wohl noch eine ganze Weile dauern dürfte, bis IP und 5G in der Live-Produktion eine relevante Rolle spielen. Er zitiert einen Kollegen, der immer wieder betone, dass IP und 5G dann einsatzfähig würden, wenn 5G Network Slicing auch im Dortmunder Stadion mit 80.000 Zuschauern funktioniere und genügend Bandbreite für die Broadcaster zur Verfügung stehe. Letztlich sei es aber so, dass die Abnehmer der Fußballrechte immer größere Anforderungen stellen, die letztlich nur mit IP umsetzbar seien.
Markus Osthaus findet, dass die gegenwärtige Situation mit leeren Stadien eigentlich optimale Testbedingungen schaffe. Wenn sich die Stadien wieder füllen, könnten sukzessive weitere Tests folgen. Realität sei aber, dass sich die Einführung von IP und 5G in Deutschland langsamer weiterentwickeln werde. In England beispielsweise funktioniere das schneller, weil die Rechteinhaber auch gleichzeitig die Telcos seien. »Das ist ein großer Vorteil, weil die ganzen Tests ein hohes Maß an Kollaboration und Koordination der vielen Partner erfordern«, so Osthaus.
Wenn es nicht die bessere Qualität ist, was ist es denn dann, was Broadcaster an IP und 5G interessiert? Für Tim Achberger ist es unter anderem die Aussicht darauf, nicht mehr an jedem einzelnen Stadion, sondern an einem zentralen Produktionsstandort zu produzieren.
Ob es einmal soweit kommen wird, dürfte auch davon abhängen, wie gut IT-Security-Fragen geklärt werden können, zumal es um extrem sensitive Sportrechte geht.
Markus Berg findet, dass die IT die nötigen Lösungen für mehr Sicherheit schon jetzt biete – aber man müsse sie eben für die Broadcast-Welt adaptieren. »Die Methoden sind da, sie müssen nur konsequent umgesetzt werden«, sagt er.
Markus Osthaus erwähnt einen weiteren Aspekt, der bremst: Die IT-Welt habe nicht auf die vergleichsweise kleine Broadcastbranche gewartet, um deren Anforderungen in Produkte einzubauen, wenn gleichzeitig ein 5G-Massenmarkt bedient werden könne, der deutlich weniger Anforderungen habe und mehr Umsatz verspreche. »Wir werden nicht mehr so priorisiert, wie das in der Vergangenheit der Fall war«, so Osthaus.
Das bekräftigt Jürgen Konrad: »Man wird das, was verfügbar ist, bestmöglich zum Einsatz bringen müssen.«
Können Cloud-Lösungen die neue Technologie voranbringen? Tim Achberger kann sich vorstellen, dass in Spitzenzeiten mit hoher Last, beispielsweise am letzten Spieltag der Bundesliga mit neun Parallelspielen, virtualisierte Lösungen in der Cloud durchaus sinnvoll sein können. Allerdings sei das zumindest derzeit weder finanziell günstiger noch effizienter.
Zum Schluss der Runde wollte Erkan Arikan von den Teilnehmern wissen, ob angesichts neuer Technologien damit zu rechnen sei, dass SDI in fünf Jahren keine Rolle mehr spiele.
Markus Berg ist sich sicher, dass dies nicht der Fall sein wird, allein schon deshalb, weil aktuell noch viele Studios auf SDI-Basis gebaut würden. Jürgen Konrad glaubt, dass es mehr IP geben wird, aber eben auch nach wie vor SDI.
Das bekräftigt Tim Achberger, der glaubt, dass die Branche noch etwas Zeit brauchen wird, um den nächsten Schritt zu gehen. Für Markus Osthaus von TVN sind es nicht zuletzt die langen Investitionszyklen, die dafür sorgen, dass SDI auch in fünf Jahren noch relevant sei. Er sagt: »Bei IP muss man Abschreibungs- und Investitionszyklen neu denken.«
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