UHD1: Mit Full-IP in die Zukunft
tpc hat mit dem UHD1 einen komplett IP-basierten Ü-Wagen in Betrieb genommen. Der UHD1 bietet durchgängig unkomprimierte UHD-Signalverarbeitung im IP-Standard ST2110. film-tv-video.de war vor Ort.
IP-Komponenten
Zentrale Systemkomponenten des UHD1 stammen von Arista und Imagine Communications. Arista lieferte zwei voll redundante 7504-Netzwerkswitche für den IP-Backbone, die im Zusammenspiel mit den Selenio Network Processing Modulen von Imagine Communications im Einsatz sind. Über die 46 Gateways von Imagine findet, salopp formuliert, alles Anschluss, was noch nicht in der IP-Welt zuhause ist.
Dieses Setup ermöglicht hohe Flexibilität, erklärt Adrian Hilber. »Da alles, was wir in dem Fahrzeug verarbeiten, entweder schon als IP-Signal vorliegt oder via Gateway in IP gewandelt wird, haben wir eine extrem hohe Performance: Wir können tatsächlich jeden Ein- und Ausgang hoch- oder herunterkonvertieren, farbkorrigieren und vieles mehr mit dem Signal tun. Mit klassischen SDI-Infrastrukturen wäre das nicht oder nur mit sehr viel Aufwand möglich.«
Netzwerk
»Wir arbeiten mit einer flachen Netzwerkarchitektur, was man auch als „One big Block“ bezeichnet« erläutert Adrian Hilber. Beim Großprojekt Metechno ist das anders, dort hat sich tpc für einen Spine-Leaf-Ansatz entschieden – was aber der Größe und Komplexität dieses Projekts geschuldet ist. »Beim UHD1 wollten wir aber alles möglichst einfach halten. ›Keep it simple‹ begleitete uns in allen Stufen des Projekts«, so Adrian Hilber, der darauf hinweist, dass das flache Layer-2-Netzwerk die Infrastruktur des UHD1 deutlich vereinfacht habe. Auch auf Video-in-IP-Transfers vom Ü-Wagen ins Mutterhaus wurde aus diesem Grund bewusst verzichtet.
Für die Orchestrierung, also die Systemlevel-Steuerung innerhalb des gesamten Netzwerks, ist Imagine Magellan zuständig. Als operatives Bediensystem zur Steuerung aller Komponenten hat sich tpc für Lawo VSM entschieden. »Das VSM-System ist die Haupt-GUI für unsere Operator« sagt Adrian Hilber.
Das gesamte Management im Ü-Wagen ist VLAN-separiert. »Wir nutzen dafür acht 3650 Cisco-Switches und einen Router von Cisco«, so Hilber. Das entspricht dem SRG-InHouse-Standard, und über diese Cisco-Infrastruktur ist das Fahrzeug ans Mutterhaus angebunden. Hilber: »Diese permanente Anbindung hat viele Vorteile, etwa beim File-Sharing.«
Redundanzkonzept
Andreas Lattmann erläutert: »Unser Realtime-Netzwerk haben wir komplett separiert. Die größte Herausforderung bestand hier darin, PTPV2 sauber umzusetzen.« Das Precision Time Protocol sorgt innerhalb eines Computernetzwerks für die Synchronität der Uhrzeiteinstellungen mehrerer Geräte.
Das Redundanzkonzept im UHD1 basiert auf ST2022-7. Vereinfacht gesagt bedeutet es, dass jedes Datenpaket im Ü-Wagen doppelt verschickt wird und der Empfänger entscheidet, welches er annimmt. »ST2022-7 wird oft als IP-Standard missverstanden, aber es geht dabei um ein Redundanzkonzept«, betont Andreas Lattmann.
Das hat tpc beim UHD1 konsequent umgesetzt, auch deshalb, weil es mit diesem Setup leichter ist, mögliche Fehlerquellen oder Probleme zu ermitteln und zu lösen. »Nur wenn innerhalb des Netzwerks alle Geräte redundant vorhanden sind, kann ich Fragen beantworten wie ›Wo kommt der Takt her‹ oder ›Weshalb habe dieses oder jenes Phänomen?‹ «, erklärt Hilber.
In der Umsetzung verursachte das Redundanzkonzept teilweise erheblichen Aufwand, und etliche Hersteller mussten auch die Funktionalität ihrer Geräte anpassen. Schlussendlich ist es dem tpc-Team jedoch gelungen, alle Komponenten – bis auf ein Gerät, das noch folgen soll – komplett redundant einzubinden.
»Ich habe schon persönlich einen Switch abgezogen und geprüft, ob alles weiterläuft – und das war der Fall«, berichtet Adrian Hilber. »Vor allem konnte ich den Switch auch wieder starten, ohne dass dabei Bild oder Ton in irgendeiner Weise beeinflusst worden wären.« Das ist auch deshalb besonders erwähnenswert, weil ein Switch wie der Arista 7504 üblicherweise in Rechenzentren läuft und einmal eingeschaltet im Dauerbetrieb ist. Bei einem Ü-Wagen ist das anders, das Fahrzeug mit all seinem Equipment wird häufig hoch- und wieder heruntergefahren – und die IT-Komponenten müssen nun auch das häufige Ein- und Ausschalten verkraften, was Arista bei den Hardwaretests seiner Switches mittlerweile schon berücksichtige, berichtet Adrian Hilber.
Das bringt Andreas Lattmann zu einem weiteren wichtigen Punkt: »Das Einschalten des UHD1 dauert ungefähr zehn Minuten – also nicht länger als bei einem SDI-Ü-Wagen.«
Glasfaserverkabelung
tpc arbeitet schon seit vielen Jahren mit Glasfaser-Verkabelung und hat damit bei der Produktion großer Events – beispielsweise der Ski-WM in St. Moritz – sehr gute Erfahrungen gemacht. Dabei arbeitet tpc in der Regel mit Singlemode-Verbindungen. Sie erlauben längere Verbindungen ohne Signalverschlechterung, sind allerdings auch teurer. Im UHD1 musste tpc aus Kostengründen auf Multimode-Verkabelung ausweichen. »Bei der Signalabgabe nach außen setzen wir aber auch beim UHD1 nach wie vor auf Singlemode«, so Adrian Hilber.
IP-Monitoring
Im UHD1 wurde ein neues Monitoringsystem installiert, weil das Überwachen von IP-Signalen andere Anforderungen mit sich bringt als in einem SDI-Fahrzeug. tpc hat sich für Skyline Dataminer entschieden. Das System ist mit allen möglichen Geräten kompatibel und in der Lage, große Mengen an Signalen umfassend zu analysieren und Informationen darüber zu liefern. Dataminer warnt die Operatoren, sobald ein Problem auftritt, etwa wenn ein Signal ausfällt, ein Gerät nicht mehr den richtigen PTP-Takt aufweist und in vielen anderen Situationen.
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