KI hat »High Potential«, aber nur der Mensch ist kreativ
»The Transforming Force of AI – Hype or High Potential?« hatte der European Film Market zu Beginn seiner »Horizon«-Veranstaltungsreihe das Podium gefragt. Nicht alle Besucher der Veranstaltung hatten sich die Entscheidung für »High Potential« einfach gemacht.
Den Finger auf eine der Wunden legte gegen Ende der Veranstaltung Kathleen Schröter, die Leiterin des 3IT-Innovation Centers des Heinrich-Hertz-Instituts: Habt keine Angst vor der Künstlichen Intelligenz und dem Verlust der Arbeit war ihre Aufforderung – denn kreativ kann nur der Mensch sein. Keine KI kann Schauspieler ersetzen, wohl aber die Aktionen der Darsteller interessant und anders als gewohnt gestalten und in andere Szenarien setzen. Damit verwies sie auf das Volumentrische Studio in Babelsberg, das im HHI mit entwickelt wurde.
Sadaf Amouzegar von der US-Softwareschmiede RivetAI sieht die Wertschöpfungskette der Filmproduktion als Prozess, den man mittels Software automatisieren und so beschleunigen könne. Das beginne beim Drehbuch samt Dialogen: »We can create thousands of variations of a story«. Immerhin, der Regisseur darf über die Verwendung entscheiden, so geschehen in einer Produktion für den B2B-Bereich von Siemens. Zum Repertoire der KI gehören laut Amouzegar auch das Storyboarding, die Kalkulation, der Drehplan. Nicht Idee und Kreativität treiben demnach die Filmproduktion sondern die Daten …
Hollywood wiederhole sich zu oft, spielte Schroeter auf die aktuelle Avenger-Schwemme an und beantwortete die Frage von Moderatorin AC Coppens, ob KI potenzielle Blockbuster identifizieren könne. Rückfrage: Resultieren die Wiederholungen aus dem Einsatz einer quasi biologischem Ersatz-KI, die einen Stoff solange durch den Wolf dreht, bis er dem Marketing neu erscheint oder wären die monothematischen Filmschwemmen vermeidbar, setzte man KI auf die erste Drehbuchversion an?
Gegenwärtig könne weder von »Art« noch von »Intelligence« die Rede sein, urteilt Thomas Bendig (Fraunhofer ICT). Zugleich sieht er in der Ablehnung von KI aber durchaus Parallelen zu den Ängsten während der Industriellen Revolution. Ihm kommt es auf selbstlernende Algorithmen an, deren Aufgabe es sein kann, automatisiert Klassifizierungen vorzunehmen und nach Übereinstimmungen und Charakteristika zu suchen. Das wurde in Berlin bereits für Polizeiaufgaben getestet und erinnert an das Sujet der US-Serie »Person of Interest«. Heutige Software kann auch Dialoge für Synchronfassungen und Untertitelungen übersetzen. Leider aber nicht perfekt, räumt Bendig ein. (Man fragt sich, ob die Nacharbeiten mehr Menschenleistung erfordern als eine normale Dolmetscherarbeit). So resümiert auch Bendig: Keine KI kann menschliche Kreativität ersetzen. Daher findet er den Begriff »Künstliche Intelligenz« unangebracht. »Data driven Software« fände er treffender.
Datengetriebenes Software-Publikum, das datengetrieben produzierte Filme automatisch mit »1« oder »0« bewertet – dieses Szenario lässt also auf sich warten. Bleibt zu hoffen, dass wir bis dahin noch viele Filme, geschaffen aus der Kreativität der Menschen, zu sehen bekommen. Es werden sicherlich viele dabei sein, die uns an die Nerven und einige, die uns ans Herz oder an die Nieren gehen …