Die Wiederkehr des Handy-Fernsehens?
Vor mehr als zehn Jahren scheiterte das medientechnische »Sommermärchen«, digital-terrestrisches Fernsehen und Mobilfunk in einem Gerät zusammen zu bringen. Der neue 5G-Sendestandard FeMBMS und UHF-Kanäle sollen den Mobilfunkern die Tür zur TV-Vermarktung öffnen. Eine Vorstufe ist das Projekt »5G Today«, das jetzt in seine praktische Phase geht.
Noch werden Radio und Fernsehen terrestrisch nach dem Broadcast-Prinzip »One-to-many« und linear übertragen und vorwiegend auch so genutzt. Die nonlineare Rundfunknutzung nimmt unterdessen vor allem bei den jüngeren Zielgruppen kräftig zu. Fernsehen komplett in Mobilfunknetzen zu verbreiten – und sowohl den Abruf von Konserven zu ermöglichen als auch Liveinhalte zu senden – stieß bisher auf technische und finanzielle Hindernisse. Mobilfunktechnik der neuesten Generation könnte das ändern.
Seit Anfang Oktober verfügt das Projekt »5G Today« über eine Lizenz der Bundesnetzagentur für Tests im Süden Bayerns. Vom Wendelstein (1828 m ü. NN) kann im Modus Further evolved Multimedia Broadcast Multicast Service gesendet werden. FeMBMS, so das Kürzel, ist ein Abkömmling der Mobilfunktechnik der 5. Generation, speziell auf das Streaming großer Datenmengen ausgerichtet. Dazu dürfen gerade auch Videos in HDTV oder höherer Auflösung gerechnet werden. Darüber hinaus arbeitet dieser Sendestandard wie bisher Broadcast (und im Gegensatz zum bidirektionalen Sprach- und Datenmobilfunk) in den für eine großflächige Versorgung besonders attraktiven UHF-Frequenzen. Diese Funkzellen funktionieren nach dem Broadcast-Prinzip »High-Tower-High-Power«: Sie könnten Empfänger in bis zu 60 Kilometer Entfernung rund um einen Sendestandort versorgen. Auch den frequenzsparende Gleichwellenbetrieb mehrerer Sendestandorte, beim DAB+-Radio und DVB-T/T2 HD-Fernsehen bestens erprobt, kann sich der Mobilfunk mittels FeMBMS aneignen.
Der Testsender am nördlichen Alpenrand arbeitet mit 100 Kilowatt ERP Leistung, um das südliche Oberbayern bis nach München hinein sowohl außer- als auch innerhalb von Gebäuden zu versorgen. Das entspricht übrigens der Sendeleistung, mit der die DVB-T2 HD-Programme von dort abgestrahlt werden. Die Testtechnik ist also mit dem aktuellen TV-Broadcast vergleichbar, erst recht, wenn weitere Sendeanlagen dazu kämen.
5G – »Netz der Zukunft« auch für den Rundfunk
Studien aus Schweden und Bayern hatten 2015 nachgewiesen, dass der Einstieg ins Broadcast-Segment mit der bis dahin üblichen LTE-Mobilfunktechnik an deutliche Grenzen stoßen würde. Alle Radiostationen Bayerns von UKW zu transformieren hätte beispielsweise die Netzkapazitäten gesprengt und wäre nicht refinanzierbar gewesen, so seinerzeit eine Studie der Medienanstalt BLM.
An der Ablösung des bisherigen Broadcasts (und wohl auch seiner Dienstleister) durch den Mobilfunk hat das digitale Antennenfernsehen gleichwohl mitgearbeitet. Seit 2002 mit DVB-T und jetzt mit DVB-T2 HD wurden trotz erhöhten Programmangebots Sendefrequenzen gespart. Diese sogenannte »Digitale Dividende« in Form der Kanäle 49 bis 69 (UHF-Band von 700 bis 800 MHz) wurde 2010 bzw. 2015 unter den Mobilfunkbetreibern versteigert, die Breitbandnetze aufbauen sollen.
Nach verschiedenen Projekten zur mobilen Medienverbreitung wurde 2017 die 5G Media Initiative gegründet. Helwin Lesch, HA-Leiter Verbreitung und Controlling des BR dazu: »Als Netz der Zukunft wird 5G für die Produktion und Distribution von Rundfunk eine tragende Rolle spielen und zudem vollkommen neue Möglichkeiten der Radio- und Fernsehnutzung eröffnen.«
Diese neuen Möglichkeiten illustrierten ARD und ZDF im Oktober 2018 anlässlich der 5G-Konsultation der Bundesnetzagentur, berichtet die Onlineplattform Golem. Um nonlineare Inhalte, beispielsweise der Mediatheken, auf mobile Geräte zu bringen, seien die kleinzelligen Mobilfunknetze in Frequenzen oberhalb von 1 Gigahertz geeignet. Gehe es aber um reguläre lineare Programme, biete sich FeMBMS als Broadcast-Plattform an. Wer dafür weitere UHF-Frequenzen (genutzt werden noch die Kanäle 21 bis 48) verlangt, sitzt bei ARD undZDF aber wohl nicht in der ersten Reihe. Die Mobilfunker nutzen den 700- und 800 MHz-Bereich gar nicht überall; die von der Politik geforderte flächendeckende Breitbandversorgung sei ihnen wohl zu teuer.
Audiovisuelles »Sommermärchen« – Neuauflage ab 2030?
Handys mit digitalterrestrischem Fernsehempfang per DVB-T, DVB-H oder DMB wurden schon 2006 von Herstellern wie Samsung, Nokia oder LG beworben. Die Mobilfunkunternehmen blockierten jedoch deren Vermarktung im Bundle mit ihren Tarifen. Sie müssen für die Qualität der Geräte einstehen und in dem Fall auch für den TV-Empfang – eine Dienstleistung, an der man nichts verdienen konnte.
Der Sprung ins Heute zeigt: Aktuelle Smartphones einerseits und andererseits Fernseher und Settopboxen für DVB-T2 HD sind noch lange nicht schrottreif. Die EU-Gremien wollen sich erst ab 2025 mit den Entwicklungen der Sendetechnik beschäftigen. Mit der Entscheidung über die Einführung neuer Verbreitungstechnologien auf dieser Ebene ist wohl kaum vor 2030 zu rechnen. Dann endet auch die Nutzung der UHF-Frequenzen des Mobilfunks, die eine Verwendung für Rundfunkdienste ohnehin nicht einschließt.
Das Projekt »5G Today«
Das Münchener Institut für Rundfunktechnik (IRT), die Forschungstocher der deutschsprachigen Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, fungiert als federführender Partner. Ziel des Projektes 5G Today sei es, »dass der Nutzer auf einem einzigen Endgerät die Vorteile beider Übertragungsmechanismen – Broadcast und Unicast – umfassend, kontinuierlich und ohne weitere Beschränkungen nutzen kann«. Daran wirken unter anderem. der Bayerische Rundfunk, Kathrein und Rohde&Schwarz sowie Telefonica Germany mit. Schon im Frühjahr 2019 will man erste Empfangskomponenten entwickelt haben. Das Projekt hat eine Laufzeit von 28 Monaten. Dem ging 2014/2016 in Bayern das Projekt »Integration von Mobilfunk und Rundfunk in LTE/5G« (IMB5) mit der Vorgängertechnik eMBMS voraus.