Artificial Intelligence, Top-Story: 23.08.2018

Wie wird sich AI entwickeln?

Wo stehen wir in der Entwicklung, aber auch im Einsatz von Artificial Intelligence im Medienbereich? Kemal Görgülü von der Flying Eye Managementberatung für Medieninvestitionen hat Antworten darauf und berichtet im Gespräch mit film-tv-video.de über den aktuellen Stand von AI im Broadcastbereich.

Kemal Görgülü von Flying Eye ist der Meinung, dass sich der Markt intensiver mit künstlicher Intelligenz auseinandersetzen muss. Seiner Meinung nach ist künstliche Intelligenz kein Thema, bei dem es darum geht, darüber zu diskutieren, ob die Technologie ihre Berechtigung hat — oder auch nicht. AI, so Görgülü, sei in vielen Bereichen längst Realität und etabliere sich auf subtile Weise in immer breiteren Bereichen. Beim Smartphone etwa nutze man mit der Diktierfunktion oder den Sprachassistenten schon ganz selbstverständlich KI-Technologien im Alltag – und das werde sich auch in anderen Bereichen so entwickeln, prognostiziert Görgülü.

Silicon-Valley-Firmen als Treiber von AI

Daran hätten Firmen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple, um nur einige zu nennen, letztlich massiven Anteil, weil sie bei ihren Angeboten KI und kognitive APIs kommerziell auf breiter Basis nutzten und dadurch im Markt etablierten, so Görgülü. Deshalb sei der Einsatz von AI im Medien- und Broadcastbereich keine Seltenheit mehr. Als Beispiel nennt er etwa ein automatisiertes Highlight-Editing, das man über die Wimbledon-Webpage während des traditionsreichen Tennisturniers abrufen konnte.

Kemal Görgülü, Fox Sports, Watson
AI im Einsatz bei der Fox Sports Highlight Machine.

Als anderes Beispiel führt er die Fußball-WM in Russland an. Dort hatte der US-Sportsender Fox gemeinsam mit IBM auf der Basis der Watson-Technologie automatisiertes Highlight-Editing eingesetzt, um daraus mit möglichst wenig manuellen Eingriffen Beiträge fürs US-Publikum, das ja bekanntlich nicht sonderlich fußballbegeistert ist, zu produzieren. Kurzum: Hier ist AI aus der Sicht von Görgülü schon angekommen.

Ähnlich sieht es seiner Meinung nach im Bereich Metadaten-Harvesting aus, also dem automatisierten Generieren von Metadaten. Hier seien bestimmte Technologien, etwa Analyse-Algorithmen, wie sie bei »Speech-to-Text« eingesetzt werden (Natural Language Processing) durchaus schon im Einsatz, um semantische Zusammenhänge herstellen zu können. Der Anbieter SwissText etwa nutze das, um sein Angebot an Gebärdensprache über eine Art Pre-Processing zu optimieren. So sei SwissText in der Lage, mit dem bestehenden Mitarbeiterstamm ein größeres Produktionsvolumen abzudecken.

Computer Vision: differenziertes Bild

Im Bereich Computer Vision, zu dem Görgülü den Einsatz von Technologien zählt, die beispielsweise Objekte, Personen oder Gesichter erkennen und taggen können, gebe es zwar viele PlugIns und Softwares, die AI-Funktionalität nutzen, doch Görgülü hat den Eindruck, dass diese Funktionen noch nicht ausreichen, um Kunden einen echten Effizienzgewinn zu bieten. Hier braucht es seiner Meinung nach noch einen weiteren Entwicklungsschritt seitens der Anbieter.

Make TV: der Hauptschaltraum in der Cloud.

An anderer Stelle sieht Görgülü diesen Mehrwert durchaus schon, etwa beim Hersteller Make TV: der »Hauptschaltraum in der Cloud«, den Make TV entwickelt habe, nutze umfangreiche AI-Technologien und biete großes Potenzial für weitere Entwicklungen – auch in Kombination mit anderen Herstellern.

AI: auch für kleine Unternehmen interessant?

Können auch kleine Unternehmen von AI profitieren, wenn sie diese einsetzen? Sind sie überhaupt dazu in der Lage oder bleibt die sinnvolle Nutzung von AI letztlich großen Unternehmen vorbehalten?

Aus der Sicht von Kemal Görgülü lässt sich das nicht pauschal beantworten, weil die Antwort hierauf vom jeweiligen Business abhänge. Wer etwa Untertitelung anbiete und Kunden habe, die das im großen Stil bräuchten, könne durchaus von AI-Technologien profitieren, selbst dann, wenn er zunächst etwas Zeit investieren müsse, um seine Workflows damit optimieren zu können. Wer hingegen ganz klassisch Dokumentarfilme produziere, habe vermutlich weniger Einsatzmöglichkeiten für AI.

Adobe Sensei ist Adobes Plattform für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen.

23Für solche Nutzer werde AI interessant, wenn sie in die Software integriert werde, die sie ohnehin nutzen: etwa Schnittprogramme wie Media Composer, Premiere, Final Cut oder DaVinci. Konkretes Beispiel: Wenn AI plötzlich Colorgrading oder Tonspurnachbearbeitungen massiv vereinfache oder die Verwaltung von Assets erleichtere, profitieren auch kleine Unternehmen von AI – auch wenn sie selber dafür keine eigene Entwicklungsarbeit leisten müssen.

AI als Assistent
Kemal Görgülü
Kemal Görgülü.

Aus der Sicht von Kemal Görgülü wird AI oft zu Unrecht mit vielen Befürchtungen und großer Skepsis begegnet. AI könne aber durchaus hilfreich sein und assistieren, repetitive Aufgaben erledigen und bei vielen Aufgaben unterstützen. Wo AI-Systeme oder –Technologien das tun, sieht er handfeste Vorteile. AI können den kreativen Prozess unterstützen, ist sich Görgülü sicher, aber man müsse zulassen, sich mit der neuen Technologie auseinanderzusetzen und damit zu experimentieren.

Neue Berufsbilder durch AI

AI werde gleichwohl bestimmte Berufsbilder oder Tätigkeiten beeinflussen, sagt Görgülü. Mechanismen, die etwa beim Editing in der Lage seien, bestimmte Schnittstile zu analysieren und nachzuempfinden, würden sich beispielsweise unweigerlich auf die Arbeit von Cuttern und Online-Media-Redakteuren auswirken, sagt Görgülü. Manche Skills würden in der Folge vielleicht auch gar nicht mehr benötigt werden. Es gebe aber auch eine andere Seite dieser Entwicklung: wenn AI solche Aufgaben übernehme, bleibe für den Kreativen mehr Zeit, sich mit den eigentlichen Inhalten zu beschäftigen und damit zu experimentieren. Und das berge viele Chancen.

Wer passt sich an: Mensch oder Maschine?
Kemal Görgülü, Künstliche Intelligenz
Content Creator beeinflussen sich auf der Basis von »Big Data« gegenseitig.

Dieser Tage ist viel die Rede von Algorithmen, die per »Big Data« Nutzerverhalten analysieren und evaluieren, welche Inhalte besonders gut ankommen – gleichgültig, ob sich dabei nun um Filme, Musik, Serien, Spiele, Apps, Bücher oder andere Unterhaltungsprodukte handelt.

Wer selber Inhalte produziert, versucht wiederum, diese Algorithmen zu dechiffrieren und herauszufinden, wie er sein Produkt gestalten muss, dass es auf den großen Plattformen wie Facebook, Instagram, Youtube oder wo auch immer gut läuft und möglichst oft angezeigt wird.

So beeinflussen sich Content-Creator und die Nutzungsanalyse auf Basis von »Big Data« gegenseitig, und in der Folge gehe es immer weniger um den eigentlichen Inhalt als um dessen ideale Vermarktung. Auch das, so Görgülü, sei ein Aspekt von AI, der diskutiert werden müsse.