360-Grad-VR beim Filmfest: Podiumsdiskussion von Arri
Um VR, AR und 360-Grad-Produktionen ging es bei einer von Arri Media veranstalteten Podiumsdiskussion im Rahmen des Filmfests München.
Zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel »Film im Zeitalter von Virtual und Augmented Reality« im Rahmen des Filmfests München lud Arri Media in die Black Box im Veranstaltungszentrum Gasteig ein. Arri Media brachte dabei eine Expertenrunde zum Thema 360-Grad-VR auf die Bühne, die unter der Gesprächsleitung von GamesMarkt-Chefredakteur Stephan Steininger die Marktsituation diskutierte und Fragen aus dem Publikum beantwortete.
So wurde etwa die Frage aufgeworfen, ob denn virtuelle Welten einfach der nächste Schritt in der Entwicklung des Films und der Filmindustrie seien, die »Gamification« im Filmbereich unausweichlich bevorstehe. Das verneinten die Experten aber nahezu einhellig, sondern betonten, dass es eben eine Ergänzung und Erweiterung der Palette an Erzähl- und Unterhaltungsmöglichkeiten darstelle, wenn man 360-Grad-Filme oder Virtual-Experiences produziere. Simon Amberger, Producer Neue Super, fasste das sinngemäß so zusammen: »VR ist nicht der nächste Schritt von Film, sondern eine Parallelentwicklung.« Es wurde auf dem Podium allgemein eine Koexistenz prognostiziert und betont, dass Filmleute eben neugierig seien und immer neue Möglichkeiten suchten, Geschichten zu erzählen, zu unterhalten und zu informieren.
Kleiner Stimmungskiller in der Diskussion war die Frage nach den Abspiel- und Vorführmöglichkeiten: Die sind natürlich noch beschränkt, sowohl was die Projektion von 360-Grad-Filmen betrifft, wie auch, was die VR- und AR-Erlebnisse anbelangt. Letztere bringen eben auch technische Hürden mit: Man muss eine Brille von der Größe einer Taucherbrille tragen, gegenüber der eine Stereo-3D-Brille klein, zierlich und elegant aussieht. Überdies ist die Brille frisurzerstörend und im Fall von VR sieht man seine reale Umgebung nicht, man sollte also möglichst eine große leere Fläche oder am besten einen weitgehend leeren Raum dafür vorhalten. Empfindliche Zeitgenossen kämpfen zudem mit Motion Sickness, es kann ihnen also beim Tragen der Brille übel werden.
In diesen Aspekten sahen die Experten aber überwindbare Hürden, die zum großen Teil durch die technische Weiterentwicklung immer niedriger würden.
Weitgehende Einigkeit herrschte auf dem Podium darin, dass sich das Storytelling ändere und auch ändern müsse, wenn man sich auf die neuen Möglichkeiten einlasse und sie wirklich nutzen wolle. Die Interaktion des Betrachters oder Spielers eröffnet eben neue Möglichkeiten, bringt aber auch zusätzliche Herausforderungen mit sich. Stimmige, nonlineare Erzählstrukturen ohne Sackgassen in der Handlung oder Story-Entwicklung zu finden und umzusetzen, ist dabei nur ein Aspekt, neben der Integration und Gestaltung der Bedienelemente für die Interaktion und der Navigation der Spieler/Betrachter durch die virtuellen Welten und durch die Handlung. Clarens Grollmann von Arri Media, der mit seinem Team komplette VR- und AR-Projekte für Industrie-, Film- und Werbekunden realisiert, sagte dazu: »Durch die Technik des Realtime-Renderings – jedes Bild entsteht erst in dem Moment, in dem der Rezipient es sieht – können Geschichten nicht nur klassisch linear, sondern auch nonlinear erzählt werden.«
Games-artige 360-Grad-VR-Erlebnisse stellen einen erweiterten Handlungs- und Erzählraum zur Verfügung. Dank Virtual Reality können wir die Welt durch die Augen der Protagonisten sehen, Geschehnisse, die wir bisher nur als Zuschauer auf der Leinwand betrachten konnten, werden intensiver erlebbar, weil man tiefer in das Geschehen eintaucht. »Dabei muss man in Welten und Experiences denken. Das ist ein eigener Weg, eine eigene Entwicklung«, ergänzte Astrid Kahmke, Creative Director des Bayerischen Filmzentrums, diesen Aspekt sinngemäß. Man müsse vom Inhalt ausgehend denken und sich fragen: »Was bringt VR beim jeweiligen Projekt als Zusatznutzen?«
Auf Fragen nach den gängigsten und vielversprechendsten Plattformen im Bereich 360-Grad-VR erläuterte Clarens Grollmann, dass der Markt unübersichtlich sei und es derzeit viele konkurrierende Plattformen gebe. Trotzdem bringe es nichts, diese auseinander zu dividieren, sondern man müsse sich als Macher einfach darauf konzentrieren, die Möglichkeiten des Realtime Renderings optimal zu nutzen. Zu Clarens Grollmanns jüngsten Umsetzungen zählen ein VR-Game zum Netflix-Kinofilm »Anon« sowie der VR-Film »Escape the World«.
Ins gleiche Horn stieß letztlich auch Markus Brandmair, Managing Director MIM Fusion, als er betonte, dass rein technisch getriebene Innovationen sich aus seiner Sicht meistens nicht dauerhaft durchsetzen könnten. Es müsse einen echten Mehrwert geben, Neuerungen müssten stets content-getrieben sein, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein sollten.
Dr. Johannes Steurer von Arri berichtete unter anderem vom kürzlich in Potsdam-Babelsberg eröffneten volumetrischen Studio Volucap, an dem Arri als Gesellschafter beteiligt ist: »Für uns ist es sehr wichtig, die technologische Entwicklung und frühe kommerzielle Umsetzung von 3D-Aufnahmetechniken für die neuen Märkte VR und AR voranzutreiben. Nicht zuletzt lernen wir dadurch frühzeitig, wie unsere Produkte und Dienstleistungen für diese Märkte weiterentwickelt werden müssen.«
Schließlich wurde noch das Thema Finanzierung von 360-Grad-VR angesprochen. Hier war vom Podium zu hören, dass die klassischen Modelle der Filmfinanzierung sich nicht 1:1 übertragen ließen.
Die bayerische Filmförderung FFF habe aber immerhin schon einen kleinen, speziellen VR-Fördertopf. Außerdem sahen einzelne Podiumsteilnehmer auch Chancen darin, VR-Produktionen direkt über App-Stores zu vermarkten, was neue Wege neben den klassischen Publisher-Modellen eröffnen könne.