Mehr Speed für Couchpotatoes
Als Erster ins Ziel kommen, schneller als alle anderen sein und dabei auch Risiken eingehen: Das sind die wichtigsten Ingredienzen zahlreicher Live-Sport-Events.
Gibt es Hochgeschwindigkeit mit driftenden Autos, carvenden Skifahrern, sprintenden Athleten oder Motorradfahrern in extremer Schräglage zu sehen, kann man Dynamik und Kraftentfaltung im Grenzbereich sehen, dann bleiben mehr Zuschauer beim jeweiligen Programm hängen – oder sehen es sich sogar genau deswegen an.
Es ist aber gar nicht so einfach, die Geschwindigkeit von Rennstrecke, Skihang oder Stadion auf den Bildschirm zu transportieren. Ganz im Gegenteil: Was man in der Realität als unfassbar schnell und dynamisch wahrnimmt, kommt im Fernsehen oftmals irgendwie lahmarschig und sediert rüber.
Das kann im Fußball ebenso passieren, wie in der Formel 1, bei Ski- oder Radrennen. Da riskiert ein Skifahrer in der Mausefalle auf der Streif in Kitzbühel Kopf und Kragen, aber auf dem Wohnzimmersofa sieht das bei weitem nicht annähernd so aberwitzig steil und unfassbar schnell aus, wie es in Wahrheit ist — sondern so, als könnte man diese Abfahrt über weite Strecken auch als untrainierter Couchpotato noch einigermaßen würdevoll schaffen.
Diesen Effekt kennen natürlich auch die Kameraleute, Produzenten und Bildregisseure, die solche Events ins TV-Bild setzen. Sie suchen deshalb nach immer neuen Möglichkeiten, die Geschwindigkeit und Dynamik für die Zuschauer zuhause zu visualisieren und erfahrbar zu machen. Extreme, meist niedrige Kamerapositionen, schnelle Parallelfahrten, die den Hintergrund verschwimmen lassen und Super-Slomos sind hierfür probate Mittel.
Mit dem Aufkommen von kompakten Minikameras wurde zudem eine neue Stufe in der Bildgestaltung erreicht: Helmkameras und an Motorrädern und Autos montierte On-Board-Kameras etwa liefern Bilder, wie man sie bis vor wenigen Jahren noch nicht kannte. Ergänzt mit den Bildern von Verfolgerkameras auf Motorrädern, auf Schienen, an Seilsystemen, wird Geschwindigkeit auch in der TV-Übertragung immer besser erfahrbar.
Ein anderer Aspekt ist der immer schnellere Schnittrhythmus: Immer mehr Kameras, immer mehr Blickwinkell in einer Live-Situation in der Bildregie schnell zu einem dynamischen Flow zu verarbeiten, dabei den Zuschauer auch bei schneller Bildführung nicht zu verwirren und ihn stattdessen mitzunehmen: Das ist eine eigene Kunst.
Und trotzdem wird es mit jeder erreichten Stufe der Bildgestaltung immer noch ein bisschen schwieriger, die Zuschauer dauerhaft zu fesseln. Immer neue Kicks müssen her, immer noch dramatischere Bilder, damit der Zuschauer bei der Stange bleibt. Die Spirale dreht sich ohne Pause weiter, der Wettkampf vor den Kameras findet auch hinter den Kameras seine Entsprechung.
Wie wird das weitergehen? In vielen Second-Screen-Angeboten wird derweil mit neuen technischen Möglichkeiten experimentiert: Hier stehen für die Zuschauer weitere Perspektiven zum Abruf bereit, aber auch virtuell erfahrbare Szenen, die man am besten mit zusätzlicher Brille genießen kann. Hersteller wie Apple, Samsung oder Microsoft entwickeln aktuell mit Hochdruck Produkte, die in diese Richtung gehen — etwa die Hololenses, also Mixed-Reality-Brillen.
Vielleicht erleben wir schon bald die ersten Speed-Spektakel mit solchen Hilfsmitteln?
Sie werden sehen.