VFX aus deutschen Landen: Zehn Jahre Rise
Heute realisiert das deutsche Unternehmen Rise die visuellen Effekte für amerikanische Blockbuster, verleiht etwa einigen der Marvel-Helden ihre Superkräfte. Innerhalb von nur zehn Jahren stieg das Unternehmen vom Viermannbetrieb zum Global Player auf. Florian Gellinger von Rise über diese Entwicklung, aktuelle Projekte, die Filmförderung und den VFX-Markt in Deutschland.
Hinter der Internationalisierung der Hollywood-Produktionsweise steht ja auch das Bestreben, die Produktionsdauer zu verkürzen, schneller ins Kino zu kommen. Welche Rolle spielt die Filmförderung im internationalen Wettbewerb um Effektbudgets?
Bei uns entstehen komplette Filmbilder und nicht nur Teilgewerke – das ist ja der große Unterschied zwischen den VFX und allen anderen, die am Film mitarbeiten. Beim Drehen kommen viele einzelne Gewerke zusammen und aus ihrer gemeinsamen Arbeit entsteht das Filmbild. Wir erzeugen komplette Filmbilder aus einer Hand — mit Schnitt, Texturing, Modeling, Animation, Charakteranimation, Schattierung, Lichtsetzung und so fort.
In puncto Föderung hat Baden-Württemberg angefangen, Bayern nachgezogen. Jetzt können wir mit dem DFFF II auch bundesweit Effekte fördern lassen. Da hat man vom Ausland gelernt. Unsere Aufstellung in Förderbelangen war mit dem DFFF sehr innovativ. Wir konnten Projekte nach Deutschland holen, die vorher nicht ihren Weg hierher gefunden hätten – »Speed Racer«, »Ninja Assasin« etwa – solche Filme wurden vorher in Deutschland nicht gemacht.
Andere Länder haben sich den DFFF zum Vorbild genommen. Sie haben schneller reagiert auf virtuellen Setbau, computeranimierte Kreaturen und ähnliches. Chris deFaria, der ehemalige Vice President Visual Effects von Warner Bros, hatte beim ersten »Harry-Potter«-Film versucht, VFX mit einem Volumen von mehr als einer Million US-Dollar in London realisieren zu lassen. Er scheiterte zunächst, weil es die Kapazitäten dafür gar nicht gab. »Harry Potter 8« wurde dann aber komplett in London nachbearbeitet. Die Förderung hatte inzwischen ein Ökosystem geschaffen, durch das in London über 10.000 Leute nur in der Effektwirtschaft arbeiten. Das sind Zahlen, die 2015 vom British Film Institute ermittelt wurden.
So konnten die Engländer Produktionen in einer Größenordnung machen, die dort sonst nie entstanden wären. Was für die ersten »Harry-Potter«-Teile mit Setbau gemacht wurde, wurde später vor Greenscreen gedreht. Man ist flexibler und kann viele atemberaubende Bauten integrieren. Abgesehen davon, dass Kreaturen wie Gnome oder Drachen sowieso aus dem Rechner kommen.
Umgekehrt haben die Effekte auch viel für die Studios gebracht. Wo früher nur begrenzte Flächen zur Verfügung standen, kommt heute Pinewood mit dem Studiohallenbau nicht hinterher, Shepperton ist auf Jahre ausgebucht, Longcross wurde vom Flugzeughangar zum Studio für »Batman Begins« und »Dark Knight«. Warner Bros hat in Leavesden nach der »Harry-Potter«-Reihe nochmal 200 Millionen britische Pfund investiert. Diese Studiokomplexe wären wahrscheinlich nicht so ausgebaut worden, wenn nicht die Visual Effects das Ökosystem für die Großproduktionen geschaffen hätten.
Bei uns in Deutschland konnte das noch nicht entstehen, weil immer der Dreh zur Voraussetzung für eine Förderung gemacht wurde.
Habt Ihr schon Erfahrungen mit den neuen Förderhebeln?
Man muss begreifen, dass alles, was real gedreht wird, genauso gut am Computer entstehen könnte — mit Ausnahme von hochwertigem menschlichen Schauspiel, aber auch da gibt es schon Beispiele. Man sieht etwa an »Planet der Affen: Survival«, dass die Affen fotorealistisch sind und tatsächlich sehr überzeugend »schauspielen«.
Unsere Branche hat für den Setbau einen großen Umbruch bedeutet. Man baut nicht mehr so viel. Man hat ganz andere Möglichkeiten, was Schauspieler, Kreaturen und Kulissen angeht. Digitale Stuntleute gehen keinerlei Gefahren ein, wenn sie angezündet oder von einem 100 m hohen Gebäude geworfen werden. Das kann man Bild für Bild designen und man ist viel weniger von Zufällen am Set abhängig. Das gibt Großproduktionen mit einem Volumen von 200 Millionen US-Dollar die Sicherheit, dass Szenen so herstellbar sind, wie sie sein sollen – dass man nicht mit einem Kompromiss leben muss.
Es ist ein Paradigmenwechsel. Realfilm wird nicht mehr nur mit Kameras gedreht, sondern entsteht mittlerweile zu großen Teilen am Computer. Dafür muss man die Förderung öffnen. Das ist jetzt in Deutschland angekommen. Die internationalen Produktionen wollen zuerst wissen: »What’s your rebate?« Seit dem 1. August 2017 können wir als Dienstleister für VFX-Budgets oberhalb 8 Millionen Euro bei der FFA eine Förderung beantragen. Das ist ein unglaublich wichtiger Schritt.
Hat ein 8-Millionen-Budget überhaupt die Chance, in Deutschland abgewickelt zu werden?
Für unsere Größe und für alle unsere deutschen Konkurrenten sind diese 8 Millionen Euro eine Menge Holz. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Eine ist: Es tun sich zwei oder mehr Mitbewerber zusammen. Einer reicht den Antrag ein und verteilt die Arbeit weiter. Wir wollen, dass die Branche nachhaltig wächst, um in Zukunft solche Aufträge in einer Firma abzuwickeln.
8 Millionen Euro werden von großen Filmstudios wie Marvel nicht einfach so verteilt. Drei bis sechs Monate vor Drehbeginn steht fest, wo das Geld hingeht. Die Firmen in Deutschland hätten 8 bis 14 Monate für die Vorbereitungen, können sich um Personal, Technik, Büroflächen und ähnliches kümmern. Das ist die zweite Möglichkeit.
Im Endeffekt geht es um das Vertrauen unserer bisherigen Kunden. Wenn wir sie davon überzeugen, dass wir so ein Budget mit dem entsprechenden Vorlauf stemmen können – super. Wir haben solche Budgets ja schon erbracht – kumuliert an mehreren zeitgleichen Projekten. Wir könnten die Kapazitäten auch auf ein Projekt werfen. Das ist der entscheidende Unterschied.
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