Branche, Top-Story, Trend, Unternehmen: 06.04.2017

Arri: Ein ganzes Jahrhundert Bilder

Im Gespräch: Die Arri-Vorstände Franz Kraus und Dr. Jörg Pohlman über 100 Jahre Arri, die Zukunft der Kamera- und Lichttechnik – und Aus­blicke für die gesamte Filmbranche.





Arri, LIcht
Viele in der Branche nehmen Arri zuerst und hauptsächlich als Kamerahersteller wahr — dabei gibt es im Unternehmen etwa auch den Lichtbereich.

film-tv-video.de: Viele in der Branche nehmen Arri zuerst und hauptsächlich als Kamerahersteller wahr. Aber das Unternehmen bietet ja deutlich mehr Produkte und Dienstleistungen an – etwa in den Bereichen Licht, Rental, Media und Medical. Hilft diese enorme Breite auch dabei, Märkte und Trends besser einzuschätzen?

Franz Kraus: Viele Anregungen für neue Produktentwicklungen bekommen wir von den Anwendern und dabei hilft es natürlich, wenn man vielfältige Berührungspunkte und Kontakte in die Branche hat.

Rein ingenieurgetriebene Projekte aus dem Elfenbeinturm gab es bei uns nie. Warum? Bringt man Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Bereichen von Arri zusammen, dann merkt man sehr schnell, ob eine Idee praxistauglich und umsetzbar ist – oder ob deren Realisierung vielleicht noch zehn Jahre entfernt ist. Wir pflegen auch gute Verbindungen zu Kameraleuten und Regisseuren, zu Rental-Firmen und Owner/Operators, die für uns allesamt sehr wichtig sind.

Dr. Jörg Pohlman: Das ist einer der Aspekte, die Arri auszeichnen. Schon die Kombination aus Kamera und Licht im gleichen Unternehmen ist auf der Herstellerseite einzigartig – und es gibt in der Branche definitiv kein Unternehmen, das zusätzlich auch noch VFX, Rental oder Distribution bedient. Mit Medical haben wir nun einen Bereich wiederbelebt, den es bei Arri früher schon einmal gab und der sich nun wieder sehr vielversprechend für uns entwickelt.

Arri, Alexa 65
Die Alexa 65 konnte Arri nur deshalb so schnell entwickeln, weil das unter dem geschützten Dach des Rental-Bereichs stattfand.

Franz Kraus: Konkretes Beispiel dafür, wie sich unsere Business-Units gegenseitig befruchten, stellt die Entwicklung und Markteinführung der Alexa 65 dar.

Diese Kamera konnten wir nur deshalb so schnell entwickeln, weil es unter dem geschützten Dach des Rental-Bereichs stattfand. Wir konnten Prototypen unter realen Bedingungen einsetzen, Erfahrungen sammeln, das Produkt weiterentwickeln und den Kunden dabei den vollen Support und Sicherheit zu bieten.

Bei einem reinen Verkaufsprodukt hätte das in dieser Form so nicht funktioniert.

Dr. Jörg Pohlman: Durch das Rental-Geschäft sind wir sehr nah dran an der Praxis, am Set. Wir sehen, was dort verlangt wird und wollen diesen Wünschen entsprechen.

film-tv-video.de: Arri hat jüngst erstmals auch externe Vertriebspartner in den Kameravertrieb eingebunden. Was waren die Gründe hierfür? Und wird Arri diesen Kurs fortsetzen?

Arri, D20
Mit der D20 sammelte Arri erste Erfahrungen im Digitalkamerabereich.

Dr. Jörg Pohlman: Der Kameramarkt hat sich innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit sehr verändert. Schließlich ist es erst acht Jahre her, dass wir im Digitalbereich begonnen haben – einem Bereich, der damals im Cine-Markt noch als begrenzter Zusatzmarkt betrachtet wurde.

Es kam dann anders, wie wir alle wissen. Es wird auch weiterhin auf Film gedreht, aber natürlich ist der Digitalmarkt für uns als Hersteller mittlerweile sehr viel wichtiger. Und das hat Folgen, auf die wir auch im Vertrieb reagieren müssen: Als wir ausschließlich analoge Kameras verkauften, kostete eine solche 250.000 Euro, es handelte sich um ein hochwertiges Investitionsgut. Der Modellzyklus dauerte 10, 15 oder sogar 20 Jahre und wir verkauften etwa 250 Kameras pro Jahr. Heutzutage verkaufen wir um ein Vielfaches mehr Kameras, aber zu deutlich niedrigeren Preisen.

Arri, Filmkamera, 535 B
Zu Zeiten der analogen Filmkameras stellte sich der Markt für Arri ganz anders dar, als das heute der Fall ist.

Daran kann man ablesen, dass sich unsere Kundenstruktur verändert hat. Vor sieben, acht Jahren zählten fast ausschließlich Rental-Firmen zu unseren Kunden. Im vergangenen Jahr hatten wir mindestens 50% Einzelkunden. Das sind Owner/Operator, die sich eigene Kameras kaufen. Was früher ein seltener Einzelfall war, macht heute die Hälfte des Umsatzes aus.

Diese veränderte Kundenbasis erfordert definitiv eine andere Vertriebsstruktur, wir brauchen Vertriebspartner: Starke Händler in ganz unterschiedlichen Regionen, die für Arri einstehen und unsere Firmenwerte vertreten.

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