Editorial, Kommentar: 12.01.2017

Äpfelharmonie

Endlich ist die Elbphilharmonie in Hamburg fertig und die Hoffnung wächst, dass auch andere Großprojekte in Deutschland irgendwann doch noch fertiggestellt werden.

Gut, das neue Hamburger Konzerthaus hat rund zehnmal so viel gekostet wie ursprünglich veranschlagt und die Bauzeit war um schlappe sieben Jahre länger als geplant — aber nun ist aus Anlass der Eröffnung der »Elphie« dennoch viel Lob zu hören.

Apropos hören: Vielerorts wird ja eine immer weiter fortschreitende De-Professionalisierung der Branche diagnostiziert und beklagt. Ist das nur die Klage der Altvorderen, denen man nachsagt, dass sie eben sehr häufig fänden, dass früher alles besser war? Möglicherweise spielt das eine Rolle. Aber in vielen Fällen kann man auch dann Defizite erkennen, wenn man sich um eine möglichst objektive Sichtweise bemüht. Und man kann es hören.

Dem Ton wurde auch zu Hochzeiten des klassischen Fernsehens schon vielfach nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet. Das haben wir an dieser Stelle verschiedentlich thematisiert und beklagt (siehe Links am Textende). Und leider muss man sagen, dass sich die Lage hier im Zeitalter der Online-Medien nicht verbessert hat — vielmehr ist das Gegenteil eingetreten.

Wenn mit dem Handy oder Fotoapparat gedreht wird, bleibt leider oft schon ganz am Anfang der Produktion jeglicher Qualitätsanspruch auf der Strecke. Wieso auch Mühe in den Ton stecken, wenn bei Dreivierteln der Videoabrufe bei Facebook der Ton deaktiviert bleibt? Und diese erschreckende Anzahl tonloser Videowiedergaben ist in der Praxis bei sozialen Medien keine Seltenheit.

Also wird die Mühe lieber in die Untertitelung der Online-Videos gesteckt. Fernsehen zum Mitlesen: Toll!

Es gibt aber noch viele andere Aspekte der De-Professionalisierung im Tonbereich, von denen hier einer herausgegriffen werden soll, um den Bogen zum Einstieg zu schließen.

Dass offenkundige Sprachfehler heute selbst bei der Auswahl von Radiomoderatorinnen und -moderatoren offenbar kein Kriterium mehr sind, kann man ärgerlich finden, ist aber allem Anschein nach so. Da wird gelispelt, genuschelt und gezischelt, was das Zeug hält — und das eben nicht nur von den Experten vor Ort, die halt Fachkenntnis besitzen, aber nie ein Sprachtraining absolvierten, sondern sogar von den Anchors, die im Studio sitzen.

Hat man einen Sprachfehler, kann man nichts dafür. Und wenn es Teil eines Inklusionsprogramms ist, dass ausgerechnet der oder die damit Behaftete ans Mikro gesetzt wird, muss man möglicherweise damit leben. Es kann auch Kunst sein und — bei einem Hörbuch etwa — durchaus auch Sinn ergeben.

Einen Anchor mit Sprachproblemen gut finden, muss man aber nicht. Der Boden ist erreicht, wenn sich etwa Nachrichtensprecher überhaupt nicht mehr im geringsten bemühen, verständlich und klar zu reden. Dann wird eben aus der Elbphilharmonie auch mal die Äpfelharmonie — mehrfach hintereinander im Beitrag eines Radionachrichtensenders gehört. Soviel zum Thema De-Professionalisierung.

Sie werden sehen. Und hören.