Editorial, Kommentar: 13.10.2016

Wollen Sie einen Euro für kranke Kinder spenden?

Dass bei Spendengalas im Fernsehen gar nicht alle Spenden ihren guten Zweck erreichen, wurde kürzlich vom Spiegel thematisiert: Die Hilfsorganisationen müssen einen Teil der Produktionskosten tragen. Das kann man so und so sehen — und deshalb wollen wir an dieser Stelle von einem verwandten Spendendilemma berichten.

Neulich an der Kasse: »Das macht 12 Euro 30. Wollen Sie zusätzlich noch einen Euro für kranke Kinder spenden?« Eine gemeine Frage. Sagt man nein, steht man als empathieloser Knicker da, dem kranke Kinder gleichgültig sind und dem es nur um den eigenen Konsum geht. Wer will das schon?

Spenden?

Also spenden? Moment mal, nicht überrumpeln lassen, sondern erst mal nachdenken. Woher weiß ich denn, dass das Geld wirklich bei kranken Kindern ankommt? Und wenn ja, wieviel davon kommt im Endeffekt tatsächlich in welcher Form bei den kranken Kindern an? Und überhaupt: Kranke Kinder? Was haben die denn? Sind die wirklich bedürftig?

So kann man viele, viele Fragen stellen, bis hinunter zu sehr weit detaillierten Aspekten: Was ist eigentlich mit der Mehrwertsteuer, wenn die jetzt an der Kasse einfach einen Euro auf den Rechnungsbetrag draufschlagen?

Aber das ist doch letztlich alles insgesamt ziemlich kleinlich und kleinkariert: Wieso immer so misstrauisch? Das ist schließlich ein großes Unternehmen, die werden das schon richtig machen. Mir tut der Euro nicht weh und jemand anderem hilft er vielleicht wirklich weiter.

Also spenden? Nochmal nachdenken: Ich spende und dann gibt das Unternehmen die Spende weiter. Werden die darauf hinweisen, dass das Spenden ihrer Kunden sind? Oder werden sie diesen Aspekt eher untergehen lassen, sich selbst als großzügigen Unterstützer profilieren — und sich somit von den Kunden ihre Eigen-PR finanzieren lassen?

Wenn denen so viel an der Sache mit den kranken Kindern liegt, sollen sie doch von ihren Gewinnen etwas spenden. Und ich werde nicht zu etwas genötigt, was ich nicht durchschauen kann und was ich vielleicht gar nicht will.

Also spenden? Ja unbedingt: Aber vielleicht lieber dem Obdachlosen, der vor dem Laden auf dem Boden sitzt. Oder direkt einer Organisation, die ich für vertrauenswürdig halte und die eine Sache unterstützt, hinter der ich stehen kann und zu der ich einen Bezug habe.

Vielleicht heißt die Lehre daraus: Großzügig geben, aber trotzdem die Augen offen halten, wenn nun die Spendensaison wieder anläuft.