Broadcast, Interview, Top-Story, Unternehmen: 03.02.2016

DVS bei Rohde & Schwarz: Kontinuität und Qualität

Mit der Übernahme von DVS hat Rohde & Schwarz vor gut fünf Jahren sein Portfolio erweitert. Mittlerweile ist die Integration der Server- und Speicherspezialisten aus Hannover in das Unternehmen beinahe abgeschlossen und seit der IBC vergangenen Jahres ist Stefan Weidner als Global Sales Director für diesen Bereich von Rohde & Schwarz tätig — ein erfahrener Broadcast-Profi. film-tv-video.de hat mit ihm über aktuelle Markttrends und Unternehmensperspektiven gesprochen.

Vor nunmehr gut fünf Jahren hat Rohde & Schwarz die DVS Digital Video Systems GmbH mit Sitz in Hannover übernommen, einen Spezialisten mit eigenen Server-, Processing- und Speicherlösungen für den anspruchsvollsten Teil des Mediensegments: Digitalfilm und Broadcast. In den vergangenen Jahren wurden DVS und deren Produkte wie etwa Clipster, Pronto, Venice, Spycer und Atomix, sukzessive in die Strukturen von Rohde & Schwarz integriert, der Standort Hannover blieb aber erhalten. Beim Integrationsprozess blieb Rohde & Schwarz insgesamt einem der erklärten Unternehmensgrundsätze treu und plante langfristig: Nun, im aktuellen Jahr 2016, will Rohde & Schwarz diesen Prozess abschließen.

Erklärtes Ziel ist es dabei, den Media-Bereich des Unternehmens, zu dem DVS zählt, weiter zu intensivieren. Eine neue Vertriebsstruktur kommt diesem Ziel entgegen. Entsprechend hat das Unternehmen Stefan Weidner als Global Sales Director eingestellt. Weidner war zuletzt bei Imagine als Director Nordic und Central Europe tätig, einem Unternehmen, das sich derzeit vom klassischen Broadcast-Hersteller zum IP-zentrierten Lösungsanbieter wandelt.

Stefan Weidner erläutert: »DVS wurde sehr sanft in Rohde & Schwarz integriert. Das Unternehmen konnte nach der Übernahme zunächst noch weitgehend eigenständig agieren, aber schon sehr früh von der ausgezeichneten Vertriebsstruktur von Rohde & Schwarz profitieren. Erst seit nunmehr etwas mehr als zwei Jahren wird an einer intensiveren Integration gearbeitet, und der Plan sieht vor, dass DVS bis Mitte 2016 vollständig integriert ist.«Dass sich der Hersteller für die Integration von DVS so viel Zeit ließ, will Weidner als besonderes Commitment von Rohde & Schwarz verstanden wissen und betont, dass man daran ablesen könne, dass der Hersteller im Bereich »Media« noch sehr viel mehr Potenzial sehe. Der Standort Hannover soll auch in Zukunft als Entwicklungsabteilung weiterbestehen, sagt Weidner. Ändern wird sich im aktuellen Jahr die Namensgebung: In mehreren Schritten hatte Rohde & Schwarz die Marken DVS und Rohde & Schwarz zusammengeführt, nun ist der Zeitpunkt gekommen, um nur noch Rohde & Schwarz als Dachmarke weiterzuführen.

Hintergrund

Rohde & Schwarz ist ein Elektronikkonzern, der seit mehr als 80 Jahren am Markt agiert — mit dem Schwerpunkt drahtlose Kommunikationstechnologie. Auf der Website des Unternehmens heißt es zudem: »Als unabhängiges Familienunternehmen finanziert Rohde & Schwarz sein Wachstum aus eigener Kraft. Der Konzern ist keinem Quartalsdenken unterworfen und kann langfristig planen.«

Zum 30. Juni 2015 beschäftigte das Unternehmen rund 9.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, etwa 5.900 davon in Deutschland, 2.500 hiervon am Standort München. Das Unternehmen erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2014/2015 einen Umsatz von rund 1,83 Milliarden Euro.

Strategisch lässt sich der Elektronikkonzern in fünf Arbeitsgebiete teilen: Messtechnik, Rundfunk- und Medientechnik, Cyber-Sicherheit, Sichere Kommunikation, Funküberwachungs- und Funkortungstechnik.

Globaler Vertrieb

Die Vertriebsmitarbeiter von DVS wurden in die jeweiligen Landesorganisationen von Rohde & Schwarz integriert. In Deutschland sind das André Vent und Michael Bauer.

Stefan Weidner, der den globalen Vertrieb leitet, erläutert, dass es von großem Vorteil sei, wenn man auf einer so starken Vertriebsstruktur wie der von Rohde & Schwarz aufsetzen könne: »Ich glaube, das ist wirklich einzigartig in der Branche. Wir können auf 70 Landesniederlassungen zugreifen. Ich komme gerade aus Moskau zurück, dort sind mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Rohde & Schwarz aktiv, das sind natürlich tolle Ressourcen für uns, auf deren Basis wir auch den Vertrieb im Bereich Media intensivieren können.«

Zentrale Produkte

»Unser marktführendes Produkt ist Clipster, der nun in Version 6 ausgeliefert wird. Besonders aus den USA gibt es dafür viele Nachfragen und Bestellungen«, erläutert Stefan Weidner. Clipster wird vor allem im Postproduktionsbereich genutzt, mit einer Tendenz zum Bereich digitale Filmproduktion.

Für den Broadcast-Bereich hingegen ist der Produktionsserver Venice das zentrale Produkt.

Als drittes wichtiges Standbein innerhalb der Produktpalette nennt Stefan Weidner die Speichersysteme von Rohde & Schwarz, die das Unternehmen selbst fertigt und die sich auch unabhängig von Clipster oder Venice einsetzen lassen.

Auch der OEM-Bereich, für den überwiegend sehr leistungsfähige Processing-Boards entwickelt und produziert werden, die dann andere Hersteller in eigenen Lösungen verwenden, soll nicht nur weitergeführt, sondern intensiviert werden. »Bei unseren Video-Boards findet aktuell ein Generationswechsel statt«, erläutert Stefan Weidner und glaubt, dass sich dadurch bei diesen Produkten auch wieder zahlreiche neue OEM-Optionen ergeben werden.

4K

Stefan Weidner sieht im 4K-Bereich — trotz einiger Anlaufschwierigkeiten und Startverzögerungen, die diesen Markt insgesamt noch etwas bremsen — sehr großes Potenzial: »Wir haben hier natürlich noch keinen Massenmarkt vor uns, vielmehr ist 4K bei den meisten Kunden noch in der Pilotphase. Aber wir sind mit unseren Produkten in viele Testinstallationen involviert und glauben, dass 4K nicht nur ein Thema bleibt, sondern sukzessive immer mehr Marktbedeutung erreichen wird, auch wenn das aktuell noch nicht auf breiter Basis der Fall ist. Wir sehen aber überall dort, wo 4K im Markt jetzt schon implementiert wurde, dass Rohde & Schwarz mit Venice und Clipster sehr gut aufgestellt ist.«

Märkte

In den USA ist Rohde & Schwarz sehr stark im Medien-Markt vertreten und trägt dem auch mit einer eigenen Niederlassung in Burbank Rechnung, die sich speziell auf die Anforderungen der Studios in Los Angeles eingestellt hat. »Die anspruchsvolle High-End-Postproduction ist nun mal in Hollywood zuhause und hier eine Rolle zu spielen, ist natürlich sehr wichtig und befruchtend für uns. Durch die schon erwähnte, sehr gute Vertriebsstruktur von Rohde & Schwarz sind wir aber auch in anderen Vertriebsgebieten sehr gut aufgestellt. Wir können weltweit schnell und kompetent agieren — auch in breiteren Anwendungsbereichen, in denen unsere Produkte den Kunden klare Vorteile bringen können. Wir wissen aber, dass wir diese Information noch stärker in den globalen Markt tragen müssen.«

Generelle Markteinschätzung

»Broadcaster sind seit Jahren unter Druck, das Thema begleitet uns schon lange. Wenn ich jedoch auf unser letztes Geschäftsjahr zurückblicke, kann ich sagen, dass wir unsere internen Erwartungen sogar übertreffen konnten«, berichtet Stefan Weidner. Die größten, zukünftigen Veränderungen für die Branche erwartet er im Bereich Infrastruktur.

Eine weitere Entwicklung, die er ausmacht: Content wird nach wie vor in rauen Mengen produziert, und somit gebe es auch immer mehr Anbieter, die diesen Content auch verbreiten wollten — an Kunden für Hersteller wie Rohde & Schwarz fehle es also nicht: »Wir fokussieren uns dabei auch weiterhin auf das Handling, die Bereitstellung und das Processing von qualitativ hochwertigem Content.«

Weidner stellt aber auch kritische Marktentwicklungen fest: »Man muss sehen, dass sich für die Hersteller ein immenser Preisdruck entwickelt hat, der vielen Unternehmen nicht gut tut und dazu führt, dass immer noch mehr Kosten gespart werden sollen.« Er ergänzt: »Bei Rohde & Schwarz versuchen wir, mit effizienteren Produktionsmethoden und einer stetigen Hinterfragung der eigenen Abläufe diesem Trend zu begegnen. Nur so schaffen wir es, im Preiskampf zu bestehen und dennoch hohe Qualität zu bieten.«

IT-Technik in der Broadcast-Welt

Durch welche technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen wird sich die Branche in den kommenden fünf Jahren verändern? Welche Rolle spielen hierbei Entwicklungen wie IP-Technologien?

Die größten Veränderungen erwartet Weidner im Infrastrukturbereich. »Ich bin sicher, dass die Infrastrukturen der Broadcaster in den kommenden Jahren auf IP umgestellt werden, wenngleich ich hier eher einen sanften, mehrjährigen Übergang sehe, als einen harten Schnitt.« Diese Entwicklung berücksichtige man bei den Produkten von Rohde & Schwarz. Bei einigen Produkten sei das aktuell schon umgesetzt, bei anderen geplant.

Das Dauerthema Cloud betrachtet Weidner differenziert: »Das können wir letztlich sofort umsetzen, aber die entscheidende Frage ist, ob der Kunde das überhaupt möchte. Nach meiner Erfahrung möchten die meisten Kunden ihre Cloud-Lösung am liebsten doch im eigenen Keller haben.« Diese Sicherheitsbedenken auszuräumen, dürfte für die Hersteller die weitaus anspruchsvollere Aufgabe werden.

Stefan Weidner urteilt weiter, dass sich nach seinen Erfahrungen viele IT-Firmen von der klassischen Broadcast-Branche wieder abwenden, wenn sie die hohen Anforderungen an die Technik realisieren: »Etwas technisch ausgedrückt: Wenn man die Verfügbarkeit, die ein Broadcaster heute etwa für einen Playout-Server fordert, mit einem IT-System abbilden möchte, bekommt man von einem IT-Unternehmen ein Service Level Agreement vorgelegt, das letztlich unbezahlbar ist.«

Marktperspektiven

Dass aktuell viele junge Zuschauer von den klassischen Sendern auf Online-Angebote umsteigen, sieht auch Stefan Weidner so, wenngleich er die Geschäftsmodelle vermisst, die hierbei ähnliche Umsätze ermöglichen wie beim »traditionellen« Fernsehen. »Wenn der Content nichts kostet, stellt sich für mich nach wie vor die Frage der Wertschöpfung. Hier sehe ich bei vielen Online-Angeboten keine wirklich überzeugenden Geschäftsmodelle.«

Das wirkt sich aus Weidners Sicht auch auf die Technologien der Anbieter aus, denn bei Setups, bei denen am Ende keine Wertschöpfung in Aussicht steht, mangelt es üblicherweise auch an der Investitionsbereitschaft. Für Rohde & Schwarz stehe daher der Markt, der hochwertige Produkte fordere, nach wie vor im Fokus: »Hierauf konzentrieren wir uns, und wir glauben, dass wir dem Markt aufgrund unserer hochwertigen Produkte einen echten Mehrwert bieten können.«