Das Geld fährt auf der Straße
Die Griechenland-Krise im Nacken, den voraussichtlich heißesten Tag des Jahres vor der Tür, das Kartellamt auf dem Firmenhof, der lukrative Sommerdreh geplatzt: Die Sorgen der deutschen Medienmenschen sind sehr vielfältig in diesen Tagen — und täglich tauchen neue auf. Da bleibt oft nur die Flucht.
Das kann der Urlaub sein, aber auch der Eskapismus im weiteren Sinne: die Flucht vor der Realität ins Imaginäre, in Scheinwelten. Die Förderung und Begünstigung des Eskapismus im Sinne von »Opium fürs Volk«, wirft man gern den Unterhaltungsmedien vor, wenn man sich als besonders kulturkritisch profilieren will. Die sogenannten »sozialen« Medien haben hier viele zusätzliche weitere Möglichkeiten eröffnet — ein weites Feld.
Eskapismus gibt es aber nicht nur in Form von Filmen, Büchern, sozialen Medien und Drogen, sondern natürlich auch in anderen Formen. So kann man etwa die profane Alltagswelt hinter sich lassen, indem man sich in ein Hobby vertieft: sagen wir mal das Thema Oldtimer. Das Sammeln, Restaurieren, Vorzeigen und Fahren betagter Automobile eignet sich bestens, um nicht nur den Ärger aus dem Arbeitsleben, sondern gleich auch noch das schlechte Umweltgewissen in der Rußwolke eines historischen Fahrzeugs hinter sich zu lassen — Eskapismus pur, man taucht in eine andere Welt ein.
Aber auch diese andere Welt ist heutzutage in sehr vielen Fällen durchökonomisiert: Eskapismus ist auch hier die Basis von Geschäftsmodellen. Das illustriert etwa der OTX. Das ist der Oldtimer-Index, den sich die Südwestbank ausgedacht hat. »Der Oldtimer-Index (OTX) (…) zeigt die Wertentwicklung 20 ausgewählter Fahrzeuge süddeutscher Hersteller auf und dient der Orientierung bei der Auswahl des richtigen Modells«, erläutern die Banker.
Dieser OTX zeigt für 2014 ein sattes Plus von 41,26 % gegenüber dem Vorjahr, seit dem Jahr 2005 hat er sogar um 280,5 % zugelegt. Speziell die hochpreisigen Oldtimer können massive Wertsteigerungen verzeichnen. »Besonders kostbare Oldtimer erzielten im vergangenen Jahr einen Wertzuwachs um mehr als 50 %«, gibt die in Stuttgart beheimatete Privatbank bekannt. Erneuter Spitzenreiter innerhalb des Index-Panels ist die BMW-Modell-Reihe 503/507/3200 CS, deren Wert seit 2005 um über 500 Prozent zugenommen hat. Platz 2 belegt die Porsche-911-Reihe vor dem Mercedes 300 SL.
Falls keines dieser Autos in Ihrer Garage steht, Sie aber schon mal versucht haben, älteres AV-Equipment zu verkaufen, das nicht gerade von den Gebrüdern Lumière oder von Fritz Lang persönlich benutzt wurde, dann denken Sie jetzt möglicherweise über einen Branchenwechsel nach — oder geben sich der Ihnen am nähesten liegenden Form des Eskapismus hin.
Sie werden sehen.