Höher, weiter, teurer: Ab 2018 kein Olympia mehr bei ARD und ZDF?
Emotion und Drama, so ist offenbar der Konsens der Verantwortlichen, macht die Sportberichterstattung attraktiver.
Das sind Bilder, wie die TV-Sender sie lieben, weil sie Quote bringen. Das sind Bilder, die auch das IOC liebt, weil sie die Attraktivität des Sports zeigen und den Wert der Übertragungsrechte weiter erhöhen. Und so wurden Sportrechte über die Jahre immer teurer, schraubten sich in enorme Höhen.
Diese Woche hat sich nun das Internationale Olympische Komitee (IOC) entschlossen, einmal mehr so richtig Kasse zu machen: Das IOC vergab die Olympia-Übertragungsrechte für Europa ab 2018 zum Preis von rund 1,3 Milliarden Euro an den US-Sender Discovery und dessen Tochter Eurosport.
Welche Auswirkungen hat das für die Zuschauer und für den Markt? Immerhin hat Discovery die Exklusivrechte für alle Plattformen erworben, also Free-TV, Abo/Pay-TV, Internet und mobile Endgeräte, sich aber auch verpflichtet, etwa bei den Sommerspielen mindestens 200 Stunden im frei empfangbaren Fernsehen zu übertragen.
Schon jetzt wird aber darüber spekuliert, dass etwa der freie Empfang nur in SD möglich, schon der HD-Empfang aber kostenpflichtig sein könnte. In Deutschland wird dieser Aspekt des Deals sicher noch kritischer beäugt, als in anderen Ländern, in denen Pay-TV-Angebote in der Sportübertragung längst üblich und die Regel sind. Oder können ARD und ZDF doch noch Sublizenzen bei Discovery erwerben und die hierzulande übliche Versorgung mit Sportberichterstattung auch ab 2018 weiterführen?
Wie auch immer: Die Entscheidung des IOC wird die Sportberichterstattung von ARD und ZDF wesentlich beeinflussen. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky merkte jedenfalls schon an, dass man nun entscheiden müsse, ob es unter diesen Bedingungen noch sinnvoll sei, auch in der Zeit zwischen den Spielen ein attraktives Programmumfeld für die olympischen Kernsportarten zu liefern. Soll heißen: Wenn wir beim Quotenhit Olympia nicht mehr zum Zug kommen, weshalb sollen wir dann weniger quotenträchtige Sportarten und Wettkämpfe zeigen?
Die Verbände in den Bereichen moderner Fünfkampf, rhythmische Sportgymnastik, Synchronschwimmen und Curling etwa, werden diese Drohung gelassen hinnehmen, denn sie finden im Fernsehen ohnehin so gut wie gar nicht statt. Doch für die in letzter Zeit beim Zuschauerinteresse schwächelnde Leichtathletik wäre es natürlich schon ein zusätzliches Problem, wenn ARD und ZDF ihre nationale Berichterstattung reduzierten, weil weniger TV-Präsenz auch weniger Sponsorengeld bedeutet. Und schließlich ist das IOC sozusagen der Dachverband vieler Sportarten und sollte deren Interessen vertreten — und nicht nur seine eigenen.
Natürlich stellt sich aber auch ganz generell die Frage, wie sich das Konsumverhalten der Zuschauer in puncto Sportberichterstattung entwickeln wird. So will das IOC offenbar einen eigenen Olympia-Kanal entwickeln, der konzentriert den Content von Olympischen Spielen zeigt — und der dürfte wohl kaum kostenlos und/oder werbefrei sein. Für das IOC hätte das auch den Vorteil, dass in diesem Kanal vermutlich auch keine störenden Fragen zu Doping oder zur politischen Situation eines austragenden Landes gestellt werden, sondern sich einfach nur der Sport mit all seiner Emotion und seinem Drama ästhetisch präsentiert — und damit sind wir wieder am Anfang dieses Artikels angelangt.
Vielleicht will ja in einigen Jahren sowieso keiner mehr irgendwelche kritischen Fragen hören, sondern lieber in seiner eigenen Informationsblase bleiben, von der unerwünschte Informationen per Algorithmus ferngehalten und weggefiltert werden. Oder doch nicht?
Sie werden sehen.
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