Branche, Top-Story: 19.11.2014

Grass Valley: Auf einem guten Weg

Grass Valley gehört seit diesem Jahr zu Belden und wurde vom neuen Eigentümer mit Miranda verschmolzen. Darüber und über weitere Branchenthemen wie 4K, IP und aktuelle Marktperspektiven sprach film-tv-video.de mit Said Bacho, der als Senior VP bei Grass Valley für Europa, den mittleren Osten und Afrika zuständig ist.

 

Wie wichtig ist der Broadcast-Bereich für Belden, ein Unternehmen, das ja auch in anderen Märkten unterwegs ist? Rund 35 % des Umsatzes generiert Belden laut Said Bacho im Broadcast-Markt — allein aus dieser Zahl könne man schon ablesen, dass Belden an diesem Markt ein sehr großes, strategisches Interesse habe, erläutert der Senior VP EMEA des Unternehmens. »An den Akquisitionen der vergangenen Jahre kann man das eindeutig erkennen, vor allem wenn man die konkreten Zahlen betrachtet: Belden hat in den vergangenen Jahren rund eine Milliarde US-Dollar in den Broadcast-Bereich des Unternehmens investiert, um diverse Firmen zu kaufen«, so Said Bacho.

Seit dem Merger von Miranda und Grass Valley, der kurz vor der NAB2014 vollzogen wurde (Meldung), habe sich in der Unternehmensstruktur schon viel verändert. So habe man effizientere Prozesse in verschiedenen Unternehmensbereichen etabliert, aber auch neue Produkte vorgestellt. »Wir haben unseren Kunden gegenüber vom ersten Tag des Mergers an die neuen Strukturen erläutert, so dass bezüglich Service und Support, aber auch bei den Produkten, Unklarheiten erst gar nicht aufkommen konnten«, erläutert Said Bacho. »Bei vielen Mergern entsteht Unsicherheit, weil die Zuständigkeiten nicht klar sind. Das wollten wir von vornherein verhindern und das ist uns auch gelungen.« Natürlich habe man noch ein Stück Wegstrecke vor sich, doch die ersten acht Monate nach dem Merger seien sehr erfolgreich verlaufen, so Bacho.

Der Merger

Bezüglich der Produktpalette sei es natürlich von Vorteil gewesen, dass es bei Miranda und Grass Valley kaum Überlappungen der Produktpaletten gegeben habe, das habe die Verschmelzung auf der Produktseite relativ einfach gemacht.

Befürchtungen, dass Belden am Kamerabereich von Grass Valley kein großes Interesse haben könnte, wie in der Branche teilweise kolportiert wurde, zerstreut Said Bacho: »Dem kann ich klar widersprechen, ganz im Gegenteil war nämlich der Kamerabereich einer der wichtigen Punkte, die aus Sicht von Belden für die Übernahmen von Grass Valley sprachen.«

Als wichtiges Signal für den deutschsprachigen Markt wertet Said Bacho die Berufung von zwei erfahrenen Branchen-Insidern in das Unternehmen. Mit André Fischer hat Grass Valley bereits im Oktober 2013 einen erfahrenen Broadcast-Vertriebsmann als Regional Director Central Europe berufen (Meldung). Er operiert von München aus, so dass Grass Valley neben den Präsenzen in Weiterstadt und Köln nun auch in Süddeutschland kompetent vertreten sei. »In Länder wie UK und Frankreich, kann man mit Zentralen in den jeweiligen Hauptstädten fast den gesamten Markt abdecken. Deutschland ist wesentlich weniger zentralisiert und darauf haben wir reagiert«, erklärt Said Bacho.

Seit kurzem steht André Fischer mit Stefan Weitzer ein Regional Sales Manager für Süddeutschland, Österreich und die Schweiz zur Seite. »Wir haben mit André Fischer und Stefan Weitzer zwei profunde Branchenkenner im Boot«, sagt Said Bacho und ist sich sicher, dass der Markt die Signale, die man damit aussende, durchaus verstanden habe und darauf vertraue, dass Grass Valley den Broadcast-Bereich Ernst nehme und optimal bedienen wolle.

Man habe auch Wert darauf gelegt, dass es für die Kunden jeweils nur einen Ansprechpartner gebe — und zwar für die komplette Produktlinie — und nicht zwei. »Das vereinfacht den Kontakt zu den Kunden enorm«.

Aktuelle Deals

Die neue Struktur und die Bemühungen, den Kontakt zu den Kunden so einfach und direkt wie möglich zu gestalten, haben sich aus der Sicht von Said Bacho schon ausgezahlt: So konnte Grass Valley in den vergangenen Monaten etliche wichtige Deals für sich entscheiden. Beispiele dafür: Der WDR stattet aktuell zwei Studios in Düsseldorf und zwei seiner Übertragungswagen aus Köln mit Kayenne und Karrera Mischern, NVision-Kreuzschienen und Kaleido-Multiviewersystemen aus. Bonito TV aus Köln investierte in einen Kayenne-Mischer, Kaleido-Multiviewer und Kameras der LDX-80-Serie für das Studio 449. Sowohl die TV Dienstleister TopVision aus Berlin und RT.tv aus Köln, als auch die Broadcast Rental Spezialisten Lang AG und Bert Blümer investierten unter anderem in die neue LDX-86-XtremeSpeed Kamera zur Produktion nationaler und internationaler Sport-Events. Die Deutsche Welle in Berlin investiert neben anderen Produkten ebenfalls in Kameras der LDX-80-Serie von Grass Valley.

Dass die Broadcast-Branche derzeit etliche Herausforderungen zu bestehen habe, steht für Bacho außer Zweifel. »Will man in einem solchen Umfeld weiter wachsen, muss man der Konkurrenz Marktanteile abnehmen«, so Bacho. Das habe im aktuellen Jahr auch gut funktioniert und Grass Valley sei gewachsen. »Wir haben, weltweit betrachtet, mehr prozentuales Wachstum erzielt, als der Markt in seiner Gesamtheit, also haben wir den Konkurrenten Umsatz abgenommen.«

Service und Support

Auch im Bereich Service und Support hat Grass Valley aus der Sicht von Said Bacho etliches auf den Weg gebracht: So wurden alle Service-Mitarbeiter für die komplette Produktpalette geschult und zudem baue man das Channel-Dealer-Netz aus, damit der lokale Händler und Grass-Valley-Partner vor Ort den Kunden ebenfalls Support leisten könne. »Für uns ist es wichtig, dass auch unsere Partner Service und Support bieten können« sagt Bacho, »und ich glaube, wir haben uns in diesem wichtigen Bereich weiterentwickelt. Probleme kann es in der Praxis mit Produkten immer wieder mal geben, aber die Frage ist eben, wie man damit umgeht.«

Darüber hinaus stehen diversen Kunden neuerdings Technical Account Manager zur Verfügung, die sich als persönliche Ansprechpartner um alle relevanten Support-Themen dieser Kunden kümmern.

Zentrale Produkte: 4K-Live und IP

Was die Produkte betreffe, habe Grass Valley in jüngster Zeit schon etliche Meilensteine erreicht: Innerhalb der neuen LDX-Kameralinie hebt Said Bacho besonders die Highspeed-Kamera hervor, weist aber auch auf die neue 4K-Live-Kamera hin, die in Kürze verfügbar werde.

»Weil unsere 4K-Kamera drei 2/3-Zoll-Sensoren nutzt, ist es deutlich einfacher, die Kamera in bestehende Live-Produktionen zu integrieren. Damit verfolgen wir einen anderen Ansatz als unsere Mitbewerber. Wir haben unsere Kamera nicht für den  Cinematography-Markt konzipiert, sondern wollten ganz klar den Broadcast-Markt bedienen«, führt Said Bacho aus. »Mit unserer 4K-Kamera wird man arbeiten können, wie mit einer HD-Kamera: Schwenken und Zoomen wird mit dieser Kamera ebenso problemlos möglich sein, wie der direkte Einsatz von bestehenden B4-Mount-Optiken. Damit sind wir zwar nicht die ersten, die eine 4K-Kamera liefern, aber die ersten, die sich bei 4K auf Live-Broadcasting konzentrieren.« Bacho glaubt, dass dieses Konzept genauso wie die Funktionalität, Kameras über Software-Optionen zu skalieren, von anderen Herstellern übernommen wird. »Dieser Ansatz hebt die Live-Produktion in 4K auf ein neues Level«, konstatiert Bacho, und ergänzt, dass auch die Qualität der 4K-Live-Kamera durchaus imposant sei.

Er geht davon aus, dass der Markt im kommenden Jahr mit ersten größeren Projekten in 4K investieren werde, wenngleich das noch im überschaubaren Rahmen stattfinden werde. »Wir wissen, dass in der zweiten Hälfte 2015 mehrere kleine 4K-Studios und auch einige 4K-Ü-Wagen gebaut werden und in Betrieb gehen sollen. 4K-Interesse verzeichnen wir derzeit weniger von den Broadcastern direkt, als vor allem von TV-Dienstleistern, von Produktionhäusern und –Facilities, besonders im Segment Sport«, sagt Bacho.

IP-Infrastrukturen im Kommen

»Broadcaster und Networks interessiert derzeit ein anderes Thema noch mehr als 4K — und das ist die Nutzung der IP-Technologie im Broadcast-Umfeld. Das eine Thema wird dabei aber durchaus in das andere greifen«, analysiert Said Bacho. »SDI ist aber als Schnittstelle keineswegs passé«, zeigt sich Bacho überzeugt: »Wenn man zurückblickt, gab es viele Technologien, denen man ein baldiges Ende voraussagte, die aber immer noch in nennenswertem Umfang existieren, weil sie eben auch bestimmte Vorteile vorzuweisen haben. Das wird bei SDI nicht anders sein. Natürlich geht die Entwicklung im Broadcast-Bereich in Richtung IP, aber das wird ein längerer Prozess sein«, glaubt Bacho.

Als einen der Treiber für die Bewegung hin zu IP macht Bacho aber die 4K-Produktionstechnologie aus: »Mit IP-basierten Infrastrukturen kann man die Masse an Daten, die 4K mit sich bringt, flexibel und bezahlbar übertragen. Ein anderer Grund: Broadcaster müssen heute ihre Inhalte auf unterschiedlichsten Kanälen verfügbar machen, und zwar schneller und billiger als je zuvor. IP ist hierfür eine Lösung«, so Bacho. »Bei Grass Valley gehen wir davon aus, dass es eine längere Übergangsphase geben wird, in der man hybrid arbeiten wird. Außerdem verfolgen wir einen offenen Ansatz, unterstützen aktiv die Standardisierung und entwickeln etwa mit Pegasus aktuell ein Steuerungssystem, das klassische SDI-Produkte ebenso steuern kann, wie IP-Switches unterschiedlichster Hersteller. Für den Anwender darf und wird es keinen Unterschied geben, ob er IP- oder SDI-Signalströme schaltet. Im Idealfall wird er auch gar nicht merken, ob er innerhalb seiner Hybrid-Umgebung ein Baseband- oder ein IP-Produkt steuert.«

Glaubt Bacho daran, dass man SDI in den kommenden Jahren mit Standards wie 6G-SDI oder 12G-SDI noch weiter ausreizen kann? Für ihn stellt sich die Frage letztlich anders: »Im Moment fokussieren wir uns eher auf IP und weniger darauf, die Lebenszeit von SDI zu verlängern«, sagt Bacho und ergänzt, dass man aus diesem Grund das Budget der Entwicklung eben eher auf die Zukunft ausrichte. Er ist sicher: »Kameras, Router, Server und alle die anderen Produkte werden künftig IP-Schnittstellen haben, und deshalb konzentrieren wir uns auf IP.«

Perspektiven

Gefragt nach den generellen Perspektiven des Broadcast-Marktes, antwortet Said Bacho, dass die Konsolidierung, die sich unter anderem in vielen Übernahmen und Mergern gezeigt habe, noch nicht zu Ende sei. Dieser Prozess werde noch weitergehen, glaubt Bacho, denn der Markt wachse nicht stark genug, um die Vielzahl an Firmen am Leben zu erhalten, die derzeit hier aktiv sind.

Dennoch sieht Bacho perspektivisch auch Wachstumschancen, die darüber hinausgehen, nur noch in bestimmten Regionen zuzulegen oder Mitbewerbern Marktanteile abzunehmen. Solche Chancen sieht Bacho für die Broadcast-Hersteller darin, sich stärker auf die Entwicklung von Software-Technologien zu konzentrieren. Angesichts der Situation bei den Broadcastern, die ihre Inhalte mittlerweile auf zig unterschiedlichen Devices bereitstellen müssen, gehe es darum, die passenden Tools dafür zur Verfügung zu stellen.

»Der Markt braucht Produkte, die es ermöglichen, Kanäle flexibel und günstig mit Content zu versorgen. Dafür braucht es software-basierte Systeme und die werden wir liefern. Der Name Grass Valley steht natürlich für eine lange Geschichte von Hardware, und darauf sind wir auch sehr stolz. Aber mittlerweile investieren wir in R&D mehr als 50 % unseres Budgets in Software-Produkte. Das heißt keineswegs, dass dezidierte Broadcast-Hardware verschwinden wird, aber Software-Produkte werden eine wachsende Rolle spielen. Mittlerweile kommen ja selbst klassische Hardware-Produkte wie Kameras nicht mehr ohne Software-Upgrade-Optionen aus. Dieser Trend wird sich weiter verstärken, was man auch an unserem Cloud-Playout-System GV Stratus sehen kann. Beim Thema Cloud sehen wir ebenfalls eine — wenn man so will — hybride Technik: Unsere Kunden wollen ihren Content lokal speichern, aber die Playout-Steuerung, das Management und Monitoring werden via Cloud erfolgen. Dabei setzen wir zur Realisierung der Gesamtlösung unter anderem auf die Azure-Plattform von Microsoft.«

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