Belden kauft Grass Valley
Das ursprünglich in der Kabelproduktion wurzelnde US-Unternehmen Belden hat im Broadcast-Bereich schon zwei Unternehmen übernommen: 2009 war das der Glasfaserspezialist Telecast und 2012 der Modular- und Processing-Anbieter Miranda. Auch Hirschmann gehört zu Belden. Nun hat das Unternehmen ein bindendes Angebot in Höhe von 220 Millionen US-Dollar zur Übernahme von Grass Valley abgegeben.
Das Ziel von Belden ist es, Grass Valley bis zum 31. März 2014 zu einem Kaufpreis von 220 Millionen US-Dollar zu übernehmen. Zu diesem Zweck hat Belden den Eigentümern von Grass Valley — also dem Investment-Unternehmen Francisco Partners — ein Übernahmeangebot unterbreitet. Nun sollen noch Gespräche mit den Arbeitnehmervertretungen erfolgen und dann eine endgültige Vereinbarung getroffen werden.
Belden will Grass Valley mit Miranda verschmelzen, die Marke Grass Valley aber weiterführen. Das kombinierte Unternehmen soll Miranda-President Marco Lopez leiten.
Die Übernahme kann im Grunde als fest vereinbart gelten und wird so auch stattfinden, wenn nicht behördliche Einwände das verhindern sollten — was aber als ziemlich unwahrscheinlich gelten kann.
Belden verspricht sich nach eigenen Angaben von der Übernahme Grass Valleys und der Verschmmelzung mit Miranda einen besseren Marktzugang und die Möglichkeit, übergreifende Lösungen anbieten zu können.
Wer ist Belden?
Belden ist ein im Jahr 1902 gegründetes Unternehmen, das seine Wurzeln in der Produktion von Elektrokabeln hat. Phasenweise gehörte Belden zu einem größeren Unternehmensverbund, ist aber seit 1993 wieder selbstständig und verfolgt seither eine Wachstumsstrategie: Lag der Umsatz 1993 noch unter 400 Millionen US-Dollar, erreichte er im Jahr 2000 durch eine Mischung aus organischem Wachstum und Firmenübernahmen 1,1 Milliarden US-Dollar.
Im Jahr 2003 erzielte Belden dann 827 Millionen US-Dollar Umsatz und fusionierte im Jahr darauf mit der Cable Design Corporation, die zum größten Teil einer Investmentgruppe gehört (Golder, Thoma, Cressey Fund II). Seit 2007 hat Belden acht Unternehmen übernommen, darunter Telecast, Hirschmann und Miranda.
Derzeit ist Belden nach eigenen Angaben damit befasst, sich endgültig von einem Kabelhersteller zu einem Signalübertragungsanbieter zu wandeln, der Kabel, Schnittstellen und Netzwerkprodukte anbietet. Ob das bedeutet, dass alle Bereiche von Grass Valley fortgeführt werden, dazu sagt der Käufer noch nichts, es erscheint aber ziemlich wahrscheinlich, dass es nicht das gesamte derzeitige Portfolio von Grass Valley und Miranda parallel weiter geben wird, denn es gibt hier durchaus auch Überlappungen.
Wer ist Grass Valley?
Derzeitiger Eigentümer von Grass Valley ist das Finanzunternehmen Francisco Partners. Seit Mai 2010 hatten Technicolor — als früherer Besitzer von Grass Valley — und Francisco Partners über eine Übernahme verhandelt und diese Transaktion in mehreren Zwischenschritten zum 1. Januar 2011 umgesetzt.
Grass Valley wurde beim Verkauf an Francisco Partners mit einem Wert von 100 Millionen US-Dollar taxiert. Diese Summe floss aber nicht am Stück, sondern mit Abschlägen im Rahmen eines gestaffelten, komplexen Deals (Details finden Sie in einer früheren Meldung). Laut Pressemitteilung wurde aber die Transaktion zwischen Francisco Partners und Technicolor, anders als ursprünglich geplant, zum 1. Januar 2011 endgültig abgeschlossen.
Die durchaus wechselvolle Geschichte von Grass Valley reicht aber natürlich noch wesentlich weiter zurück. Einige Infos zu den Stationen des Unternehmens können Sie unter den untenstehenden Links nachlesen. Im folgenden eine geraffte, grobe Zusammenfassung.
Grass Valley wurde 1958 in der gleichnamigen Ortschaft in den USA gegründet. Zehn Jahre später stellte das Unternehmen seinen ersten Videomischer vor, eine Produktkategorie, für die das Unternehmen ab dann viele Jahre lang berühmt sein sollte. Das galt auch in der Zeit ab 1974, als das Unternehmen zu Tektronix gehörte. 1999 verkaufte Tektronix seine phasenweise in Tektronix VND umbenannte Tochter, die den Begriff Grass Valley als Marke weiterführte, an einen privaten Investor. Der machte Grass Valley auch wieder zum Firmennamen. 2002 dann erwarb Thomson das Unternehmen.
Bei Thomson wurde Grass Valley mit diversen anderen Broadcast- und Filmtechnikaktivitäten des neuen Mutterkonzerns kombiniert, die dann aber im Lauf der Zeit alle unter der Marke Grass Valley vermarktet wurden. In dieser Zeit kamen zur Marke Grass Valley auch Produktbereiche hinzu, die Thomson in den Jahren zuvor erworben hatte und deren Wurzeln noch weiter zurück liegen.
In Deutschland waren das die in der Pionierzeit des Fernsehens gegründete Fese AG, aus der die Fese GmbH wurde, dann Bosch Fernsehen und schließlich BTS. BTS und der Broadcast-Bereich von Philips aus den Niederlanden fusionierten später zu Philips BTS. Die deutschen und niederländischen Wurzeln des heutigen Unternehmens Grass Valley kann man noch am deutschen Firmensitz von Grass Valley in Weiterstadt ablesen und daran, dass die Kameraentwicklung und -fertigung von Grass Valley im niederländischen Breda angesiedelt ist.
Thomson baute seinen Broadcast-Bereich nach der Ende 2000 erfolgten Übernahme von Philips-BTS durch weitere Zukäufe aus und benannte diesen gesamten Bereich dann nach der 2002 hinzugekauften Tochter Grass Valley. Der Mutterkonzern Thomson insgesamt ging schließlich zu weiten Teilen Pleite und firmierte die noch rettbaren professionellen Aktivitäten dann nach einer anderen zugekauften Tochter in Technicolor um. Technicolor schließlich verkaufte Grass Valley an Francisco Partners.
Nun wird also Grass Valley aller Wahrscheinlichkeit nach »A Belden Brand«.
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