Die Profi-Cloud — steht nun ein echter Paradigmenwechsel vor der Tür?
Die Topthemen der IBC deuten sich schon vor der Ausstellungseröffnung an: 4K/Ultra-HD und Cloud-Services unterschiedlichster Art werden wohl das Messegeschehen dominieren.
4K und weitere, noch höhere Auflösungsstufen haben dabei natürlich Auswirkungen auf ein breites Spektrum an Produkten: Kameras und Monitore sind besonders betroffen, für die anderen Bereiche kommen halt noch weitere Raster und höhere Datenraten dazu. Das ist keineswegs despektierlich gemeint, denn das bedeutet natürlich einen großen Schritt für den einzelnen Anwender und auch für bestehende Infrastrukturen in der Produktion, Postproduktion und Distribution.
Noch tiefer werden aber aller Voraussicht nach die immer stärker lancierten, diversen Cloud-Services für Profis die Medienlandschaft verändern, denn sie bringen ganz grundlegende Implikationen für viele Aspekte der Branche mit sich.
Etwas laxer formuliert heißt das: Ob man nun in HD, 4K oder 8K produziert, die grundlegenden Geschäftsmodelle der Branche können dabei immer gleich bleiben. Man braucht eine Kamera, die man kauft oder mietet, man braucht Licht- und Ton-Equipment und man braucht Hard- und Software, um aus dem Material einen Film zu machen.
Anders bei den Cloud-Services: Hier geht es nicht nur darum, ob man nun seine Daten lokal speichert oder auf einem virtuellen, entfernten Server ablegt. Das Ganze geht wesentlich tiefer und rührt unter verschiedenen Aspekten an die Grundfesten der Branche. Betrachtet man etwa Modelle wie Adobes Creative Cloud, wo man Software je nach Bedarf mietet und kollaborative Workflows schon angelegt sind, dann bewirken diese nicht nur, dass nun zur IBC2013 auch Autodesk ganz ähnliche Angebote launcht — und viele andere folgen werden. Vielmehr wirft das auch grundlegende Fragen etwa für Handel und Vertrieb auf.
Wenngleich etwas anders gelagert, hat auch Sonys Ci, eine Online-Produktionsplattform für Profis, zumindest großes Potenzial, tiefgreifende Änderungen in der Arbeitsweise weiter Bereiche der Branche zu bewirken. Wenn tatsächlich das gesamte Material, das Teams vor Ort aufnehmen, praktisch gleichzeitig auf einem Online-Speicher aufläuft und dort browser-basiert gesichtet und bearbeitet werden kann, dann ist das ein tiefer Einschnitt in die tradierten Arbeitsweisen: Plötzlich werden dann parallelisierte Workflows für ein breites Spektrum von Produktionen nutzbar, die bisher nur für große Sender im Live-Bereich, etwa bei großen Sportveranstaltungen, realisierbar waren.
Sony hat diese Idee nicht als erster entwickelt, hat aber die Möglichkeit, das Ganze von der Kamera angefangen, als integrierte Lösung aufzuzäumen: Keine Frickel- und Bastellösung mit zahllosen Zubehörteilchen, vielen verschiedenen Ansprechpartnern und Problemen an jeder Schnittstelle, sondern eine Lösung aus einem Guss, die zumindest einen großen Teil der Anwendungsfälle zufriedenstellend abdeckt. Noch ist Ci keineswegs an diesem Punkt angekommen, aber immerhin hat sich Sony schon mal auf den Weg gemacht.
Wollen die Anwender eine solche Lösung? Können sie sich vom Gedanken trennen, das Material auf einem physischen Träger besitzen zu müssen? Was ist mit der Sicherheit und Exklusivität der eigenen Aufnahmen? Stehen in der Praxis überhaupt ausreichende Bandbreiten zur Verfügung? So stellen sich ganz zweifellos noch etliche kritische Fragen — aber auch beim Aufnehmen auf Speicherkarten und in der file-basierten Produktion haben sich diese Fragen gestellt, aber beides hat sich dennoch vergleichsweise schnell durchgesetzt: Weil den Bedenken eben auch Vorteile entgegenstanden und -stehen.
So zeichnet sich derzeit ein weiterer Paradigmenwechsel in der Medienproduktion ab, der tiefer gehen kann, als ein paar Pixel mehr oder weniger.
Sie werden sehen.
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