Branche, Broadcast, Top-Story: 01.08.2013

Trainings-Camp: Neue Workflows beim Konföderationen Cup

Der Konföderationen Cup findet immer ein Jahr vor der Fußball-WM statt und gilt als Testlauf für Stadien, Technik und Abläufe — auch in puncto TV-Übertragung. Beim Konföderationen Cup in Brasilien testete der Host-Broadcaster, der die Fußball-WM in Brasilien produzieren wird, unter anderem auch das Zusammenspiel von Adobe-Schnittplätzen mit EVS-Servertechnik. Die Kölner Firma Moov-IT war mit Technik, eigener Software und Technikspezialisten an dieser Pilotproduktion beteiligt.

Wenn im Bereich Fußballübertragung neue Technologien eingesetzt werden sollen, müssen diese zuvor unter realistischen Bedingungen ausprobiert werden — das erfordern schon die in diesem Bereich üblichen, hohen Zuschauerzahlen und Lizenzkosten. Bei Weltmeisterschaften sind die Ansprüche besonders hoch und deshalb wird seit einigen Jahren stets im Vorjahr der WM und jeweils vor Ort im Austragungsland der kommenden WM, der Konföderationen Cup als heißer Test durchgeführt.

In diesem Jahr realisierte etwa Sony im Rahmen dieser Veranstaltung eine 4K-Testproduktion und der Systemintegrator Sono Studiotechnik aus München baute für den Host Broadcaster einen mobilen Produktionscontainer, der als Vorbild für weitere Container dienen soll, die dann im kommenden Jahr bei der WM in den Stadien in ganz Brasilien eingesetzt werden sollen.

Auch im Bereich Highlight-Schnitt und Streaming betrat der Host Broadcaster beim diesjährigen Konföderationen Cup Neuland. So wurden etwa von jedem Spiel Highlight-Schnitte mit Adobe-Premiere-Pro-CC-Schnittplätzen im Zusammenspiel mit EVS-Servern realisiert, die schnellstmöglich nach Spielende verfügbar sein mussten. Zudem wurden neue Wege beschritten, um via Web noch während des laufenden Spiels, mit möglichst geringer Verzögerung, kurze Clips mit spannenden Spielszenen inklusive Kommentar in verschiedenen Sprachen anbieten zu können. Für Integration und Test der für diese Anforderungen notwendigen Infrastruktur, war der Kölner Dienstleister Moov-IT verantwortlich.

Warum neue Softwares und Workflows?

Das Ziel des Host Broadcasters war es, in möglichst kurzer Frist nach Spielschluss den Lizenznehmern einen Highlight-Zusammenschnitt des jeweiligen Spiels anbieten zu können, der alle wichtigen, markanten Szenen aus dem gesamten Spielverlauf beinhaltet. Das wäre mit der bisher eingesetzten Technik kaum realisierbar gewesen, etwa weil diese noch umfassende Kopiervorgänge erforderte. Mit der neuen Technik konnten die Abläufe wesentlich beschleunigt werden. Das Gleiche gilt für die kurzen Highlight-Clips die fürs Web produziert wurden: In möglichst kurzer Zeit Clips aus dem laufenden Spiel mit Kommentar in verschiedenen Sprachen online anbieten zu können, erforderte neue Technik und optimierte Workflows.

Die prinzipielle Lösung in beiden Workflows besteht darin, mit der Schnitt-Software schon während der noch laufenden Aufzeichnung zentral auf das Material zugreifen zu können, das auf den EVS-Servern gespeichert wird — und es ohne Kopier- und Transkodiervorgänge zu verarbeiten. Das klingt sehr viel einfacher, als es in der Praxis ist, etwa weil man hierbei mit wachsenden Dateien arbeiten muss. Sämtliche Produktionsprozesse greifen hierbei auf die gleichen Daten zu, was einen sehr leistungsfähigen Speicher voraussetzt.

Setup vor Ort, Anforderungen ans Testsystem

In Brasilien wurde durchgängig in 1080i60 produziert. Als Produktions-Codec hatte der Host Broadcaster AVC-Intra mit 100 Mbps festgelegt, als Wrapper MXF-OP1a. Der Host Broadcaster legte großen Wert darauf, dass das gesamte Material unter diesen Vorgaben gespeichert, verarbeitet und wieder ausgegeben wurde, ohne Zwischenformate oder andere Codecs nutzen zu müssen.

Als zentraler Speicher für die Aufzeichnung wurde ein EVS-SAN-System eingesetzt. Steuerung und Verwaltung oblagen einem Content-Management-System, das auf der EVS-Software IP Director basiert.

Aus Kosten-, Effizienz- und Zeitgründen sollte das Material auf dem EVS-Server in den weiteren Bearbeitungsschritten nicht dupliziert und/oder auf andere Plattformen überspielt werden. Stattdessen sollte das Material inklusive aller Metadaten auf dem Server zwar für alle zugänglich und nutzbar, aber eben auch sicher gespeichert sein und nicht verändert werden.

Rückblick

Bisher wurde bei vergleichbaren Produktionen meist so gearbeitet: Szenen, die in den Highlight-Schnitt eingebaut werden sollten, mussten zunächst auf dem EVS-System markiert und dann in Form eines Kopiervorgangs an den Schnittplatz übertragen werden. Dabei war in einigen Fällen auch noch eine Umkodierung erforderlich. Das erfordert zusätzliches, leistungsfähiges Equipment und zusätzlichen Speicherplatz, außerdem nimmt diese Arbeitsweise zusätzliche Zeit in Anspruch.

Der fertige Beitrag musste dann wieder gerendert, gewandelt und auf das Playout-System übertragen werden.

Vorentscheidungen

Um die oben genannten neuen Anforderungen realisieren zu können, hätte man theoretisch den Highlight-Schnitt mit einer Software erledigen könne, die direkt auf dem EVS-System läuft. So etwas gibt es in Form des EVS-Schnittsystems Clean Edit. Es zeigte sich aber, dass damit die Anforderungen an Effekte und Gestaltung nicht zu erfüllen waren. Also galt es, eine andere Schnitt-Software so an die EVS-Systeme anzubinden, dass alle Anforderungen erfüllt werden konnten. Hier fiel die Wahl auf Premiere Pro CC.

EVS: IP Link for Adobe

Als Brückenpfeiler für die Verbindung zwischen den EVS-Servern und Premiere Pro diente die Software »IP Link for Adobe«, die EVS erstmals im Rahmen der NAB2013 angekündigt und gezeigt hatte.

Mithilfe dieses Plug-Ins ist es möglich, direkt innerhalb eines Fensters in Premiere Pro die Clips zu sichten, die auf dem EVS-Server gespeichert sind — und sie innerhalb von Premiere Pro CC zu schneiden, ohne dass hierfür Kopiervorgänge nötig wären. Der große Vorteil dieser Art der Integration besteht in der nativen Einbindung des Materials auf dem EVS-Server ohne Zeitverzögerung. Es müssen hierfür keine zusätzlichen Tools benutzt, besondere File-Strukturen berücksichtigt oder spezielle CMS-Systeme eingesetzt werden.

Nachdem hiermit die Grundlagen gelegt waren, bestand die konkrete Anforderung für Moov-IT beim Konföderationen Cup darin, fünf Adobe-Editing-Systeme mit Hilfe des neuen EVS-Plug-Ins an das EVS-Speichersystem anzubinden. »Diese Kombination musste sicher gewährleisten, dass die Highlight-Schnitte innerhalb kürzester Zeit nach Abpfiff bereit standen«, erläutert Moov-IT-Geschäftsführer Wolfgang Felix. Es ging also beim Konföderationen Cup für Moov-IT darum, zu beweisen, dass man mit der gewählten Technik den Highlight-Schnitt beschleunigen und dabei auch alle anderen Anforderungen erfüllen konnte, die eine Großproduktion wie die Fußball-WM stellt.

Logging, Schnitt, Bereitstellung

Jan Fröhling, bei Moov-IT verantwortlich für Systemplanung, erläutert, dass bei der Produktion des Konföderationen Cups mit einer Vorversion von Premiere Pro CC gearbeitet wurde, die Adobe dann kurze Zeit später in der finalen Version veröffentlichte.

In Brasilien arbeitete das Team mit folgendem Workflow: Schon während der Spiele wurden mit IP Director die Highlights geloggt. Diese Logging-Informationen waren dann über das IP-Director-Panel in den Schnittsystemen sofort sichtbar. Der jeweilige Editor konnte also in der Thumbnail-Liste die geloggten Szenen sehen und daraus sofort seinen Schnitt realisieren. Dabei konnten die Editoren auf die wachsenden Files auf den EVS-Servern zugreifen, was für eine deutliche Beschleunigung sorgte. Jan Fröhling erklärt weiter: »Das Transferieren und Umkodieren von Material war in unserem Fall nicht mehr nötig, weil wir direkt auf den EVS-Speicher zugriffen.«

So wurde die geforderte, kürzere Zeitspanne zwischen Spielende und Bereitstellung des Highlight-Schnitts erreicht. Die fertigen Highlight-Sequenzen wurden gemäß Produktions-Codec mit Adobe Premiere CC in AVC-Intra 100 / MXF-OP1a generiert und standen nach der Fertigstellung im EVS-Netzwerk wieder für alle dort aktiven Nutzer zur Verfügung.

30-Sekünder für mobile Auswertungen

Das zweite Projekt, das Moov-IT für den Host Broadcaster im Zusammenspiel mit den Adobe-Editoren testete, war die Erstellung kurzer Highlight-Clips, die während des noch laufenden Spiels jeweils unmittelbar zuvor geschehene, wichtige Ereignisse aus dem Spielverlauf zusammenfassten.

Die Clips sollten jeweils per Voice-Over mit Kommentar versehen werden und möglichst rasch nach wichtigen Spielereignissen wie etwa Foul, Tor oder Elfmeter verfügbar werden. »Wir haben für diese Anwendung eine eigene Software geschrieben, die ein Management zwischen dem Main-Edit und mehreren anderen Workstations ermöglicht«, erläutert Jan Fröhling.

Bei der WM plant der Host Broadcaster, solche Clips in verschiedenen Sprachen anzubieten, deshalb musste die von Moov-IT entwickelte Lösung so ausgelegt sein, dass man gleichzeitig parallel verschiedene Sprachversionen produzieren kann. Man kann also mit der hierfür entwickelten Lösung den bildidentischen Clip an mehreren Premiere-Stationen gleichzeitig per Voice-Over vertonen. Dabei wird an den Voice-Over-Stationen nur der Ton gespeichert und die jeweilige Tonspur dann beim Playout des Clips synchron zu den Bildern ausgespielt.

Das wurde auch umgesetzt und war nur möglich, weil Workflow und Technik so aufgesetzt waren, dass viele Prozesse parallel stattfinden konnten: Der Editor arbeitet am Finishing seines Clips, während parallel schon der Voice-Over stattfindet. »Die Titel, Intros und Effekte dieser Clips wurden alle in Adobe erstellt, auch die Audiospur. Das Management der Jobs, das Bewegen der Daten und ähnliches wurde hingegen mit unserer Software umgesetzt«, erläutert Jan Fröhling. Konkret sah das so aus: MoovIT installierte drei Adobe-Workstations, die jeweils einen Daten-Feed mit Event-Informationen erhielten.

Fazit

Die kurzen Zeitfenster in der Berichterstattung, die der Host Broadcaster umsetzen wollte, wären mit den bisher verwendeten Lösungen nicht realisierbar gewesen. Der Testdurchlauf in Brasilien zeigte, dass sich mit der Kombination aus Adobe Premiere Pro CC und EVS-Systemen bei einer Sport-Großveranstaltung wie der WM auch hinter den Kulissen neue Höchstleistungen umsetzen lassen — bei gleichzeitiger Einsparung von bisher erforderlichen Arbeitsschritten und Speicher-Hardware. Die endgültige Entscheidung des Host Broadcasters, ob das auch bei der WM umgesetzt wird, steht allerdings noch aus. Alle Verantwortlichen zogen aber insgesamt ein positives Resümee der Testproduktion.

Das EVS-Firmenvideo erläutert die Funktionsweise von IP Link for Adobe.
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