Branche, Interview, Postproduction, Top-Story: 27.06.2013

Postproduction-Trends: Die Branche ändert sich — ob sie will oder nicht

Wolfgang Lempp ist Mitgründer und Managing Director des britischen Unternehmens FilmLight, das in Deutschland vor allem durch das Color-Grading-System Baselight bekannt ist. film-tv-video.de hat mit dem gebürtigen Deutschen und langjährigen Postproduction- und VFX-Kenner über aktuelle Trends und Tendenzen in der Film- und Postproduktions-Industrie gesprochen.

Als einer der Gründer von FilmLight, kann Wolfgang Lempp auf langjährige Erfahrungen im Bereich VFX und Postproduction zurückblicken. »Seit es Mitte der 80er Jahre technisch möglich wurde, Filmbilder zu digitalisieren und damit neue Möglichkeiten für die nachträgliche Bearbeitung zu eröffnen, gab es natürlich eine rasante und dramatische Entwicklung in diesem Markt«, blickt der Experte zurück.

Lempp hat 1986 die Computer Film Company mitgegründet und 1997 dann sein aktuelles Unternehmen FilmLight. Aus dem Bereich Motion Control kommend, hat er maßgeblich an der Entwicklung von Technologien und Produkten mitgewirkt, die als Meilensteine der VFX- und Digitalfilm-Entwicklung gelten können und eine wichtige technische Grundlage für zahllose bekannte und erfolgreiche Filme bildeten. So wurden etwa erste rudimentäre Elemente eines Software-Farbkorrektursystems beim Animationsfilm »Chicken Run« eingesetzt, aus denen sich später die beiden Produkte Truelight und Baselight entwickelten.

»’Chicken Run’ war für uns der Archetyp des Digital Intermediate: Gedreht wurde auf Film, dann wurden die gelungenen Passagen digitalisiert und postproduziert. Diesen Arbeitsablauf wollten wir abdecken: mit dem Scanner am Anfang und den Farbwerkzeugen in der Postproduction.«

In den Anfängen stand bei FilmLight also das Thema Digital Intermediate im Fokus. »Wir konnten uns gar nicht vorstellen, dass unser Color-Grading-System auch in anderen Bereichen Fuß fassen würde. Der Northlight-Scanner war daher zunächst unser Hauptprodukt«, berichtet Lempp. Allerdings erkannten die Londoner Coloristen, die in der Werbung tätig waren, schnell das Potenzial der Color-Grading-Lösung Baselight und begünstigten die Weiterentwicklung des Systems indirekt mit immer neuen Wünschen und Anforderungen an das Produkt. So ist auch das Unternehmen FilmLight gewachsen: von anfänglich sieben Mitarbeitern auf nunmehr rund 75 Mitarbeiter.

»In der Werbung ist unsere Grading-Lösung Baselight mittlerweile erfolgreicher als im Digital-Intermediate-Bereich, auch im TV-Bereich wird viel mit Baselight gearbeitet«, sagt Lempp.

BERUFLICHER WERDEGANG WOLFGANG LEMPP

Wolfgang Lempp ist 1954 in Deutschland geboren. Während seines Physikstudiums in München mit Schwerpunkt Teilchenphysik, beschäftigte er sich privat mit Elektronik und Computern. Über einen Freund kam er in Kontakt mit der Filmindustrie: Bei den Dreharbeiten zu »Die unendliche Geschichte«, die auf dem Bavaria-Gelände bei München stattfanden, wirkte er als Elektroniker an der Steuerung des Drachen Fuchur mit und wird in den Credits des Films als »Special Effects Electronic Design Engineer« genannt.

Im Rahmen der Dreharbeiten freundete er sich mit der dort ebenfalls tätigen britischen Motion-Control-Crew an und ging mit diesem Team Mitte der 80er Jahre nach Großbritannien. Dort arbeitete er zunächst als Software-Entwickler bei Arkadon, einem Unternehmen, das Motion Control Rigs entwickelte und unter anderem auch diverse technische Lösungen für Spielfilm-Produktionen wie »Aliens« schuf.

1986 war Lempp dann einer der Mitgründer der britischen Computer Film Company (CFC), die er zusammen mit Dr. Mike Boudry und Neil Harris gründete. CFC hatte eine eigene Hard- und Software-Entwicklung, die unter anderem einen Filmscanner entwickelte, für den Mike Boudry 1995 mit einem technischen Oscar ausgezeichnet wurde. CFC entwickelte sich zudem über die Jahre zu einem der wichtigsten Postproduktions- und VFX-Häuser in London mit einem Schwerpunkt im Bereich Compositing, bis das Unternehmen im Jahr 1997 an das heute noch bestehende Postproduktionsunternehmen Framestore verkauft wurde.

Zu diesem Zeitpunkt wechselte Lempp als Berater ans High Tech Center Babelsberg, kehrte aber zwei Jahre später nach einer wechselvollen, aber nach eigenen Angaben auch sehr lehrreichen Erfahrung zurück zu Framestore CFC. 1999 wurde dann die Entwicklungsabteilung von Framestore CFC als eigenes Unternehmen ausgegliedert. Das war die Geburtsstunde von FilmLight, wo Wolfgang Lempp seither als Mitgeschäftsführer tätig ist.

Das erste Produkt von FilmLight war der Scanner Northlight, der zum Zeitpunkt der FilmLight-Gründung praktisch schon fertig entwickelt war. Wolfgang Lempp wurde, zusammen mit zwei Kollegen, mit einem technischen Oscar für diesen neuen Filmscanner ausgezeichnet. Zum Zeitpunkt der Firmengründung gab es zudem erste Produktideen für Truelight und Baselight, die später ebenfalls mit technischen Oscars und weiteren Preisen ausgezeichnet wurden.

In jüngster Zeit weitet FilmLight unter der Leitung von Managing Director Wolfgang Lempp seine Produktlinie im Bereich Farb-Management mit dem On-Set-System Flip und Grading-Plug-Ins weiter aus.

Filmindustrie am Scheideweg

Aus der Sicht von Lempp gibt es in der Film- und TV-Industrie nach wie vor viele Optimierungsmöglichkeiten, gerade was die Produktivität und Effizienz im Produktionsprozess betrifft. Vieles sei hier handgestrickt und nicht effizient, so Lempp. »Eigentlich handelt es sich gar nicht um eine Industrie im engeren Wortsinn. Es gibt in unserer Branche noch Abläufe und Produktionsweisen, die in anderen Bereichen – etwa in der Autoindustrie – schon längst nicht mehr vorstellbar wären. Das Ausmaß der Verschwendung von Material und Arbeitsleistung ist unglaublich«, so Lempp. Hier will FilmLight ansetzen und mit seinen Produkten für mehr Effizienz sorgen, aber auch für Geschäftsmodelle, die den Kunden solides und rentables Arbeiten erlauben.

Die Branche ändert sich unter vielen Aspekten

»Allein schon durch die immer leistungsfähigeren Computer-Komponenten ändert sich die ganze Branche — und mit der Branche ändern auch wir uns«, erläutert Wolfgang Lempp. »In den Anfängen unserer Entwicklung mussten wir sehr viel Zeit und Mühe investieren, um überhaupt ausreichend leistungsfähige Rechnersysteme konfigurieren zu können, die schnell genug für das Arbeiten mit Bilddaten waren. Damals brachte jeder neue Prozessor noch willkommene Leistungssteigerungen mit sich, die für unsere Systeme sehr wichtig waren. Mittlerweile ist das im Grunde kein Thema mehr, mit dem wir uns intensiv beschäftigen müssten. Heute geht es bei uns viel mehr um die Tiefe der Tools, die wir anbieten, um die Bedienbarkeit und um die Optimierung der Workflows, die wir für die Kunden entwickeln.«

Dabei ist sich Lempp durchaus im Klaren darüber, dass diese Entwicklung Chancen, aber auch Risiken für ein Unternehmen wie FilmLight birgt: »Irgendwann wird das iPhone — vielleicht in der Version 9 oder 10 — genug Processing-Power haben, um damit prinzipiell auch professionelles Color Grading realisieren zu können: Die Geräte werden generell immer kleiner, bieten mehr Leistung und benötigen weniger Strom. Als Anbieter professioneller Systeme muss man angesichts solcher Entwicklungen in der Lage sein, Mehrwert zu bieten und neue Lösungsansätze zu liefern«, sagt Lempp.

Einer dieser Ansätze liegt nach FilmLight-Lesart eben darin, dass das Farbmanagement inklusive Color Grading von der Postproduktion in die Produktion wandert: »Unsere Produktentwicklung zielt heute viel stärker in Richtung Set: Wir bringen nun verstärkt Werkzeuge für das Farbmanagement aus der Postproduktion heraus in die Produktion. Die Kunden wollen erste Ergebnisse ihrer Arbeit möglichst früh sehen, im besten Falle schon direkt am Set. FilmLight ist daher längst kein reiner Anbieter von Postproduction-Equipment mehr«.

Eines der Anliegen von FilmLight ist es dabei, das Grading und das Farbmanagement aus der Postproduction-Falle zu holen: Einmal dort angekommen kann man nämlich oft nur noch in sehr begrenztem Umfang mit dem Material arbeiten — und oft genug ist die Kommunikation zwischen Produktion und Postproduktion mangelhaft oder sogar von Missverständnissen geprägt. Das führt in der Praxis oft auch dazu, dass bestimmte Aufgaben in diesem Bereich doppelt ausgeführt werden: Statt die am Set schon gefundenen Looks nutzen und verfeinern zu können, wird das Ganze dann in der Postproduction noch einmal von Grund auf nachgebaut.

Stattdessen sollte man dem Thema Farbmanagement im gesamten Produktionsverlauf Bedeutung verleihen, Aufmerksamkeit widmen und eine durchgehende Basis schaffen, findet Wolfgang Lempp: »Nur wenn Farbmanagement ein kontinuierliches Thema während des gesamten Produktionsablaufs ist, kann man Effizienz und Kreativität bei der Gestaltung eines Filmlooks miteinander verbinden. Das Ziel muss es letztlich sein, den Look schon vor der ersten Aufnahme festzulegen, ihn dann am Set auch sehen und optimieren zu können, diese am Set geleistete kreative Arbeit in vollem Umfang zu bewahren und in der Postproduction nur noch Verfeinerungen auf Basis der vorher schon geleisteten Arbeit vornehmen zu müssen«.

Dafür hat FilmLight Spinoff-Versionen seines Grading-Systems Baselight entwickelt, die schon am Set effektiveres Arbeiten ermöglichen sollen. Lempp ist sich aber sicher, dass dies nicht das Ende des Color Gradings in der Postproduktion bedeute: »Die High-End-Konsole in der Post wird es immer geben, aber zusätzlich eben auch jene Systeme, die schon beim Dreh die Möglichkeit bieten, zu sehen, wie das Endprodukt aussehen kann und wird.«

Hersteller dürfen nicht nur reagieren, sondern müssen Impulse geben

Viele Anstöße für neue Produkte kommen von den Kunden, doch letztlich sei es die Aufgabe von FilmLight, daraus eine Synthese zu bilden. »Es reicht nicht aus, nur den Kunden hinterher zu laufen – als Unternehmen muss man mehr bieten und Ansätze entwickeln, die der Kunde so noch gar nicht formuliert hat«, ist Lempp überzeugt und nennt als Beispiel das FilmLight-Produkt Flux.

Die Basis von Flux ist eine Speicherlösung, die auf den ersten Blick gar nicht so anders aussieht, als andere Speicherlösungen, so Lempp. »Was wir bei diesem Produkt aber entwickelt haben, ist ein Management-Layer, das es erlaubt, die Masse von Daten, die heutzutage in der digitalen Produktionswelt anfallen, mit Flux höchst effizient zu organisieren und auch die Metadaten besser zu verwalten, sodass weniger Fehler gemacht werden«, erläutert Lempp. »In größeren Projekten werden ja in der Praxis viele Petabyte von Filmaufnahmen und Zusatzdaten erzeugt, die zueinander in einer Beziehung stehen, Stills, Zusatzmaterial, Metadaten. Außerdem geht es darum, schon einmal erbrachte Arbeitsleistungen nicht wiederholen zu müssen. Es muss und darf heute eigentlich nicht mehr sein, dass die schon während des Drehs am Set geleistete Arbeit in der Postproduction noch einmal erbracht und zum Beispiel bestimmte Looks erst wieder gefunden und nachgebaut werden müssen.«

Firmenvideo von FilmLight zum Thema Flux.

Flip ist ein anderes Produkt, von dem FilmLight glaubt, dass es die Effizienz am Set erhöhen kann. Flip ist ein On-Set-System, mit dem sich schon beim Dreh der spätere Look des Materials visualisieren lässt. Flip wendet vorher definierte Looks auf das Rohmaterial an, zeigt also schon am Set, wie das fertige Material aussehen könnte. Am Set kann der Look dann weiter verfeinert und optimiert werden und die so erstellten, ersten individuellen Gradings der einzelnen Takes können gespeichert werden. Die Daten werden in Form von BLG-Files abgelegt und können später im Color Grading direkt weiter verwendet werden. Die Ideen und visuellen Vorgaben, die von Regie und DoP am Set entwickelt wurden, bleiben also erhalten und bilden die Basis des Final Grade. »Der gewünschte Look, der schon am Set festgelegt wurde, lässt sich also mit Flip direkt in die Post übertragen und dort weiter nutzen. Das ist an sich nichts Neues, aber bei Flip funktioniert das ganz einfach, sodass es die Leute auch tatsächlich nutzen — und hier können wir uns natürlich auch von den Billig-Konkurrenten unterscheiden«, erklärt Wolfgang Lempp.

Flip wird in Deutschland aktuell etwa bei der Produktion von »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« sowie »Verbotene Liebe« eingesetzt.

Firmenvideo von FilmLight zum Thema Flux.
Neue Marktstrukturen: Color Grading für die Massen?

Aus der Sicht von Wolfgang Lempp wächst der Color-Grading-Markt weiter: »Wir haben uns mit FilmLight schon immer im High-End bewegt«, sagt Lempp und glaubt, dass dies mit ein Grund dafür sei, dass sein Unternehmen weniger unter den Blackmagic-Aktivitäten im Bereich Color Grading gelitten hat: Seit der Übernahme von DaVinci hat Blackmagic die Software-Lösung Resolve wesentlich aggressiver vermarktet und damit diesen Markt in Aufruhr versetzt. »Das High-End wächst nicht, sondern ist in den vergangenen Jahren konstant geblieben. Uns geht es darum, diesen relativ kleinen Markt optimal zu bedienen, dessen Wünsche und Bedürfnisse perfekt abzudecken. Wir zielen darauf ab, auch anspruchsvollste Kunden zufriedenzustellen. Anbieter wie Blackmagic oder Adobe hingegen verfolgen einen Volumenansatz, sie müssen eine große Zielgruppe erreichen, Masse generieren und neue Märkte für das Thema Color Grading erschließen«, urteilt Lempp. »Wir verfolgen also letztlich einen ganz anderen Ansatz, denn wir sind nicht am Volumenmarkt interessiert, sondern daran, mit neuen Technologien im Dialog mit unseren Kunden die Sprache des Films weiterzuentwickeln. Natürlich müssen wir auch Geld verdienen, aber viele unserer Kunden fordern von uns eben ganz besondere Tools, mit denen sie ihre Geschichten besser erzählen können — und wir liefern diese Tools«.

Als Beispiel nennt Lempp etwa Kunden aus der Mode-Industrie, die sehr hohe Anforderungen an die Bildqualität und ans Grading haben. »Hier geht es eben ganz besonders um die Darstellung von Details und Feinheiten — was den Grading-Systemen natürlich Enormes abfordert«. Lempp ist sich aber durchaus darüber im Klaren, dass es natürlich auch viele Kunden gibt, die solche weit in die Tiefe gehenden Tools gar nicht benötigen und an einer Lösung interessiert sind, die vielleicht weniger bietet, aber eben auch deutlich weniger kostet.

»Neben höchster Echtzeit-Performance und Effizienz, geht es bei uns immer auch darum, die Kreativität voranzutreiben und hier neue Spielräume zu schaffen«, erläutert Lempp.

Dass der Trend hin zu immer billigeren Produkten und speziell auch zu günstigen Kameras viele Anwender begeistert, kann Lempp nicht nachvollziehen: »Das bedeutet doch in letzter Konsequenz, dass die Leistungen der Leute, die mit diesen Kameras arbeiten, auch billiger werden müssen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem man nur schwer wieder herauskommt.«

Firmenvideo von FilmLight zum Thema Flux.
Generelle Techniktrends wirken auch auf das Grading zurück

»Unsere Systeme werden von den Anwendern unter anderem auch so genutzt, dass für die Kino- und die TV-Auswertung unterschiedlich gegradet wird«, erläutert Wolfgang Lempp. »Die aktuellen Entwicklungen im Display-Bereich sind dabei sehr interessant. Teilweise ist es heute schon so, dass die Zuschauer auf ihren privaten Displays bessere Bildqualität sehen können, als im Kino. Darüber wird in der Industrie normalerweise nicht so gerne gesprochen, aber wir müssen diese Realität akzeptieren. Dabei spielt auch eine Rolle, dass beim filminteressierten Zuschauer zuhause letztlich immer topaktuelle Technik steht, während bei den Kinobetreibern solche kurzen Investitionszyklen nicht realisierbar sind. Letztlich konkurriert also in vielen Fällen topaktuelle Consumer-Technik beim Endkunden mit schon in die Jahre gekommener Kinotechnik.«

Was das fürs Kino der Zukunft bedeutet, wagt auch Lempp nicht vorauszusagen. »Ich glaube aber, dass sich dieser Techniktrend nicht aufhalten lassen wird. Und der Kinobesuch bietet ja letztlich auch keine vergleichbare kollektive, soziale Erfahrung, die beispielsweise ein Konzertbesuch bietet. Persönlich finde ich das schade, denn ich bin quasi im Kino aufgewachsen.«

Was bedeutet das fürs Grading? Vielleicht wird es in Zukunft noch wichtiger, jeweils eine für Heim-Displays optimierte Filmversion herzustellen, als bisher. Das Grading für individuelle Displays und den Heimmarkt könnte also zunehmend wichtiger werden.

Gleichzeitig gibt es auf der Aufnahmeseite einen Trend in Richtung Raw und High Dynamic Range (HDR). Auch hierdurch wird das Grading gefördert und gefordert, weil man eben noch mehr mit dem Material arbeiten muss, um auf den Displays zuhause bei den Zuschauern eine gute Darstellungsqualität zu erreichen.

»Wenn man sehr nah vor einem der neuen 4K-Displays sitzt, kann man unglaubliche Details erkennen — und ich denke, dass es auch im Auflösungsbereich durchaus noch Potenzial gibt, die Bildqualität weiter zu steigern«, so Lempp. Auch diese Entwicklung könnte aber letztlich für das Kino kontraproduktiv verlaufen: Wenn man im Kino sitzt, hochaufgelöstes Material sieht und nicht den idealen Abstand zur Leinwand hat, kommt von der guten Auflösung letztlich gar nichts oder nicht mehr viel beim Zuschauer an. »Langsam erreichen wir unter verschiedenen Aspekten physikalische Grenzen. Auch die Dynamic Range, die wir überhaupt noch wahrnehmen können, ist endlich.«

Ist mit dieser Art von »Ende der Technik« auch das Ende des Filmbereichs insgesamt erreicht? »Keineswegs«, sagt Wolfgang Lempp: »Man kann alles immer noch besser und benutzungsfreundlicher machen — und einen guten Film werden sich die Menschen auch in Zukunft noch ansehen, selbst wenn es irgendwann keine relevanten technischen Verbesserungen in der Filmtechnik mehr geben würde.«

Chancen in der Nische

Lempp ist sich zudem sicher, dass der Markt aus technologischer Sicht noch längst nicht ausgereizt sei: »Eine Industrialisierung des Herstellungsprozesses von Film ist aber unvermeidlich — und weil wir hier von einem sehr speziellen Bereich reden, wird es auch für kleinere Unternehmen immer wieder Chancen geben, ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln.«

»Ich vergleiche die VFX– und die High-End-Filmbranche gern mit der Formel 1: Das ist ein vollkommen verrückter Zirkus, mit einigen komplett irrwitzigen Aspekten, der aber so lange funktioniert, wie es genügend Zuschauer und Werbewirkung einerseits, sowie begeisterte Branchenteilnehmer andererseits gibt. Glücklicherweise gibt es eben hier wie dort Kunden, die bereit sind, für besondere Leistungen auch zu bezahlen. Wie in der Formel 1 gibt es auch in der Filmindustrie Nischen für kleine, innovative Firmen, in denen diese erfolgreich agieren können. Diese Chance sehen wir auch weiterhin für FilmLight.« 

Metadaten-Handling: Neue Chancen für Kunden und Anbieter?

Wolfgang Lempp glaubt, dass es im Bereich der Metadaten-Verwaltung viele Missverständnisse gibt: »Beim Thema Metadaten gehen viele Hersteller her und bieten einfach ein Maximum an Metadaten an, das parallel zu den Bilddaten aufgezeichnet werden kann. Es ist aber leider gar nicht so, dass schon allein das Sammeln vieler Metadaten automatisch eine Verbesserung im Produktionsprozess mit sich bringen würde. Vielmehr geht es darum, diese Daten ohne großen Aufwand verfügbar zu machen — und das kann nur über die Zusammenarbeit verschiedener Hersteller oder eben über Standardisierung funktionieren.«

Beides ist nicht leicht umzusetzen, so Lempp: »Viele Hersteller sind extrem darauf bedacht, in erster Linie ihre Assets zu schützen. Sie haben deshalb letztlich gar kein Interesse daran, mit anderen an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. Wir sehen  heute immer mehr, dass sich die Unternehmen wegen ihrer Patente gegenseitig verklagen — doch das ist aus meiner Sicht kein konstruktiver Weg«.

Erst wenn es von der Kundenseite her ausreichenden Druck auf die Hersteller gebe, entstünden auch Lösungen für solche Probleme, so Lempp. Das könne man an der Entwicklung des DCI-Standards für die digitale Kinoprojektion ablesen: »Die Studios hatten ein großes Interesse an der Etablierung dieses Standards, denn sie wussten, dass ihre Existenz davon abhing, diese Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Nur deshalb hat es auch funktioniert«.

Perspektive der Postproduktion

»Der Postproduktionsindustrie ging es eigentlich noch nie wirklich gut«, meint Wolfgang Lempp. Vor Jahren habe die Industrie zwar von außen betrachtet gut verdient, dafür seien andererseits das Equipment und damit die Investitionsvolumina sehr hoch gewesen. Zudem sagt Lempp, waren in der Industrie viele Geldgeber unterwegs, die letztlich ohne kommerziellen Fokus tätig waren: Leute, die für eine Weile ihr Geld in ein Postproduktionshaus steckten, um dann nach einiger Zeit wieder vom nächsten Investor abgelöst zu werden. »Das ist im Grunde nichts Neues und aktuell durchleben wir zusätzlich auch eine extreme Konsolidierung, die das kommerzielle Umfeld vollkommen verzerrt: Jemand, der aktuell versucht, ein tragfähiges Business in der Postproduktion zu etablieren, tritt in Konkurrenz zu Firmen, die Millionen verlieren. Das kann eigentlich nicht gutgehen«, resümiert Lempp.

Wie die Zukunft der Branche aussehen wird, wagt auch er nicht zu prognostizieren, aber er stellt in jedem Fall fest, dass es einerseits Überkapazitäten am Markt gebe und gleichzeitig immer billiger zu erwerbende Software-Systeme, die immer mehr Funktionalität für immer weniger Geld bieten. Er ist sich dennoch sicher, dass jemand, der einen besonderen Service und ein besonders Angebot bietet, nach wie vor in der Branche erfolgreich sein kann — wenngleich vielleicht auch nicht mehr im ganz großen Stil. »Die eigentliche Postproduktions-Dienstleistung ist meiner Meinung nach nicht skalierbar: Man hat letztlich keine Vorteile, wenn man unzählige Niederlassungen betreibt und viele Angestellte hat«, so Lempp.

Die Visual Effects Industrie sieht Lempp mit ähnlichen Problemen konfrontiert, auch deshalb, weil hier eine große globale Konkurrenz herrsche und der Markt teilweise mit Steuererleichterungen und Subventionen zusätzlich beeinflusst werde. »Das ist für mich kein Zeichen einer gesunden Entwicklung«.

Marktpolarisierung?

Lempp geht davon aus, dass sich der Markt weiter polarisieren werde: Am unteren Ende der Skala werde es künftig immer mehr und vielfältigere Bewegtbildinhalte geben. Im oberen, hochwertigen Segment werde sich das aktuelle Niveau an Inhaltsproduktion dagegen halten — sowohl qualitativ wie quantitativ. »Ich sehe hier Parallelen zu einem ganz anderen Bereich: Heutzutage ist es sehr einfach geworden, ein Buch zu schreiben und es auch selbst zu publizieren. Es gibt also viel mehr Bücher und Inhalte, als noch vor wenigen Jahren denkbar. Trotz dieser objektiv viel breiteren, besseren Möglichkeiten für den einzelnen, gibt es aber nicht wesentlich mehr erfolgreiche Schriftsteller oder gute Bücher. Ganz genauso verhält es sich auch in der Filmbranche. Einen guten Film zu machen, ist so schwer wie eh und je.«

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Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller

Bildrechte
FilmLight (17), Nonkonform (10), NHB (1)

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