Branche, Top-Story: 06.03.2012

Es ist was faul in dieser Branche: Rental-Krise als Indikator

Die Film- und Fernsehbranche übt noch immer eine große Anziehungskraft aus und viele sehen hier die Chance, irgendwie groß raus zu kommen und irgendwann zu denen in der Branche zu gehören, die richtig Kasse machen. Doch ein Blick hinter die Kulissen offenbart rasch die massiven strukturellen Probleme der Branche in Deutschland. Die Situation lässt sich am Beispiel des Rental-Marktes gut verdeutlichen.

Für den 11.02.2012 war die Insolvenzversteigerung bei der Brunner & Eisenreich Filmatelier Betriebs GmbH in Puchheim bei München anberaumt. Das Insolvenzverfahren war am 16.11.2011 eröffnet worden und mit der Versteigerung im Februar wurde — nach fast 40 Jahren Firmengeschichte — ein vorläufiger Schlusspunkt für ein weiteres traditionsreiches Unternehmen der Filmbranche gesetzt.

Nun ist diese Branche nicht gerade arm an Firmenpleiten — man denke nur an die zahlreichen Problemfälle der letzten Jahre im Postproduction-Bereich — aber derzeit scheint sich tatsächlich ein strukturelles Problem zu offenbaren, das nicht nur einzelne Unternehmen betrifft, sondern einen großen Teil der Branche: Hier in Deutschland und zwar durchaus als deutsches Spezifikum, ganz jenseits der Kodak-Insolvenz und der wirtschaftlichen Probleme von Sony und Panasonic, die natürlich alle auch einen Schatten auf die Branche werfen.

Brunner & Eisenreich steht keineswegs allein da: Die Kunden von Panther Rental etwa erreichte Mitte Februar eine E-Mail, in der das Unternehmen bekanntgab, dass Panther Rental, der Vermietbereich des gleichnamigen Dolly-Herstellers, an die Cine-Mobil GmbH/Bavaria Production Services GmbH verkauft wurde. Dass das nicht ganz freiwillig geschah, zeigt ein Blick in die von Panther veröffentlichten Zahlen der letzten Jahre: Die Panther GmbH insgesamt hatte 2009 rund 1,52 Millionen Euro und 2010 etwas mehr als 820.000 Euro an Jahresfehlbeträgen zu verkraften, arbeitete also kräftig defizitär.

Schon 2011 hatte Panther sein tschechisches Tochterunternehmen Panther Rental Prag an Arri Rental verkauft. Beim Käufer Arri Rental wiederum sieht es auch nicht gerade rosig aus: Arri Rental hat für das Geschäftsjahr 2009 einen Jahresfehlbetrag von 1,76 Millionen Euro ausgewiesen und für 2010 einen Fehlbetrag von 1,51 Millionen Euro. Auch Arri Rental machte in den vergangenen Jahren also kräftige Verluste — ist aber anders als Panther in ein größeres Firmengeflecht eingebettet.

Nehmen wir mit Cinegate noch einen weiteren Anbieter aus dem Rental-Bereich dazu: für das Geschäftsjahr 2009 wies das Unternehmen einen Fehlbetrag von rund 733.000 Euro aus.

All diese Zahlen sind veröffentlicht und mit geringem Aufwand für jedermann zugänglich: Allein Panther, Arri Rental und Cinegate haben also in den Geschäftsjahren 2009 und 2010 mehr als 6,3 Millionen Verluste erlitten. Die Zahlen für das abgelaufene Jahr 2011 sehen dem Vernehmen nach in der ganzen Rental-Branche nicht viel besser aus, als die in den Vorjahren.

In einer Branche, in der das Rental-Geschäft traditionell eine große Rolle spielt, kann das nicht gesund sein — auch wenn es natürlich Rental-Unternehmen gibt, die in den Geschäftsjahren 2009, 2010 und 2011 Gewinne erwirtschaftet haben. So etwa auch Cine-Mobil: Diese Bavaria-Film-Tochter hat nach Verlusten im Geschäftsjahr 2008/2009 dann im Folgejahr rund 88.000 Euro als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ausgewiesen und 2010/2011 knapp 50.000 Euro — bei einem Umsatzerlös, der jeweils über 8 Millionen Euro lag, ist das aber auch nicht gerade berauschend.

Woran liegt es, dass es derzeit im Rental-Bereich so kräftig knirscht? Ganz sicher steckt die Branche mitten in einem dramatischen, sich beschleunigenden technischen Wandel: Wenn ganze TV-Serien mit DSLRs als Hauptkameras gedreht werden, dann geht das natürlich an den Herstellern und am Rental-Bereich nicht spurlos vorüber. Als einzige Erklärung ist das aber letztlich doch ein bisschen dünn.

Was könnte also sonst noch dahinter stecken? Ganz konkret ist das ein ruinöser Unterbietungswettbewerb, in dem einerseits die großen Marktteilnehmer auf der Kundenseite die Preise diktieren und in dem gleichzeitig einige Marktbeteiligte auf der Anbieterseite auf deutlich mehr Ressourcen und Rückhalt zurückgreifen können als andere.

So hat etwa Cine-Mobil, also die Bavaria-Tochter, die im Rental-Bereich aktiv ist, offenbar noch ausreichende Mittel und Möglichkeiten, um neben Panther Rental auch den — vermutlich ebenfalls defizitären — Rental-Bereich der Berliner Union-Film zu übernehmen.

Dann hat Cine-Mobil vielleicht einfach geschickter im Markt agiert als andere? Schon möglich, ein Blick hinter die Kulissen lohnt aber in jedem Fall.

Cine-Mobil gehört zur Bavaria Film GmbH. Die Anteilseigner der Bavaria Film GmbH sind — nur zur Erinnerung — mehrere öffentlich-rechtlichen TV-Sender, die über ihre jeweiligen Tochterfirmen an der Bavaria Film GmbH beteiligt sind. Das führt zu einer sehr komplizierten Gemengelage, ein grober Einblick in die Verquickungen folgt im weiteren Verlauf dieses Beitrags. Die Kurzform vorab: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind — zumindest indirekt — sowohl Käufer, als auch Anbieter in vielen Bereichen der Medienproduktion, auch im hier beispielhaft ausgewählten Rental-Bereich.

Diese Situation könnten sie — zumindest theoretisch — bei mangelnder Kontrolle ausnutzen: Etwa, indem sie die Marktpreise durch eigene, anbietende Tochterunternehmen drücken, somit sehr hohe Rabatte im Markt durchsetzen und die rabattierten Leistungen dann durch andere Tochterunternehmen wieder günstig einkaufen. Die dadurch erzielten höheren Gewinne der einkaufenden Töchter könnte man nutzen, um wiederum die eigenen anbietenden Töchter zu stützen — etwa, in dem man bestimmte Leistungen wiederum zu regulären Listenpreisen nur bei eigenen Töchtern kauft, oder in dem man die Verluste der Anbietertöchter eben im Gesamtkonzernabschluss ausgleicht.

Um den tatsächlichen Markteinfluss der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten im Produktions- und somit im Rental-Bereich einschätzen und verstehen zu können, soll hier beispielhaft ausgeführt werden, wie das Rental-Unternehmen Cine Mobil in die Bavaria Film GmbH eingebunden ist, wie sich die Beteiligungsverhältnisse der Muttergesellschaft darstellen und welche Verbindungen hier bestehen.

Beteiligungen, Verbindungen, Anteile

Die Anteilseigner der Bavaria Film GmbH sind der Westdeutsche Rundfunk über die WDR Mediagroup mit 33,35 %, der Südwestrundfunk über die SWR Holding mit 16,67 %, der Mitteldeutsche Rundfunk über die Drefa Media Holding mit 16,64 %, die LfA Gesellschaft für Vermögensverwaltung des Freistaates Bayern mit 16,67 % und die Bavaria Filmkunst GmbH mit 16,67 %. Hinter der zuletzt genannten Bavaria Filmkunst GmbH steht der Bayerische Rundfunk, das zeigt schon ein Blick auf die Führungspositionen: Geschäftsführer der Bavaria Filmkunst war in den vergangenen Jahren Lorenz Zehetbauer, der Verwaltungsdirektor des Bayerischen Rundfunks, den Aufsichtsrat bildeten Prof. Dr. Thomas Gruber, der bis vor kurzem amtierende Intendant des Bayerischen Rundfunks und Bernd Lenze, der Vorsitzende des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks.

Die Bavaria Film GmbH gehört also indirekt zum weit überwiegenden Teil den öffentlich-rechtlichen Sendern und wird von diesen beherrscht, auch wenn das über Zwischenfirmen organisiert ist. Wie eng ist aber die Anbindung in der Praxis? Ein Gefühl dafür vermittelt ein Blick in den Aufsichtsrat der Bavaria Film GmbH.

Dort sitzen: Monika Piel (Vorsitzende), Dr. Otto Beierl, Peter Boudgoust (Stv. Vorsitzender), Dr. Karl Gerhold, Prof. Dr. Thomas Gruber, Monika Grüning, Marc Haug, Walter Hölzl, Martin Hülskamp, Marianne Hundsöder, Verena Kulenkampff, Bernd Lenze, Prof. Dr. Gisela Losseff-Tillmanns, Ulrich Müller, Michael Schneider (Stv. Vorsitzender), Alfred Spitzer, Herbert Tisler und Prof. Dr. Karola Wille.

Das ist eine illustre Runde aus vier aktuellen und Ex-Intendanten der am Unternehmen beteiligten öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten, zwei Vertretern der LfA, fünf Personen aus Rundfunkverwaltungen und Rundfunkräten, dem Landesbeauftragten der katholischen Bischöfe in NRW sowie sechs Mitarbeitervertretern der Bavaria Film GmbH und von deren Tochterunternehmen, darunter dem Leiter der Abteilung Presse und Kommunikation, dem Ausbildungsleiter für Medienberufe und dem Leiter der Bavaria-Werkfeuerwehr. Diesen Personen obliegt es also, die Geschäfte der Bavaria Film GmbH zu überwachen und abzusegnen.

Die Bavaria Film GmbH erzielte im Geschäftsjahr vom 01.02.2010 bis zum 31.01.2011 Umsatzerlöse in Höhe von rund 17,6 Millionen Euro, im Jahr davor waren es rund 17,2 Millionen. Die Bilanzsumme liegt in diesem Zeitraum mit rund 125,6 Millionen Euro leicht unter dem Vorjahresniveau von 126,8 Millionen Euro. An die Gesellschafter erfolgte eine Gewinnausschüttung in Höhe von rund 4,5 Millionen Euro. All diese Zahlen stammen aus dem offiziellen, veröffentlichten Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.02.2010 bis zum 31.01.2011.

Die Bavaria Film GmbH selbst hält Anteile an 54 Unternehmen, von denen ihr 19 zu 100 % gehören, wie etwa die Cine-Mobil. 21 weitere Unternehmen gehören der Bavaria Film GmbH zu 50 % oder mehr. Einige der Bavaria-Töchter werden im Jahresabschluss 2010/2011 explizit hervorgehoben: »Aus den Töchtern und Beteiligungsgesellschaften im Produktionsbereich erzielt die Bavaria Film GmbH im Rahmen der bestehenden Ergebnisabführungsverträge bzw. Dividendenausschüttungen ein Beteiligungsergebnis in Höhe von TEUR 3.351 (Vorjahr: TEUR 4.030). Davon entfallen TEUR 1.939 auf die Ausschüttung der Bavaria Fernsehproduktion GmbH, deren Ergebnis jeweils zur Hälfte den Gesellschaftern ZDF Enterprises GmbH und Bavaria Film GmbH zusteht. Die Produktionstochtergesellschaften First Entertainment GmbH, Satel Film GmbH, Saxonia Media Filmproduktionsgesellschaft mbH, Saxonia Entertainment GmbH, MotionWorks GmbH, Colonia Media Filmproduktionsgesellschaft mbH und die Maran Film GmbH haben positiv zur Ertragslage beigetragen, während die Askania Media Filmproduktion GmbH auf Grund der Verlustübernahme negativ zum Beteiligungsergebnis beigetragen hat. Die Ottonia Media GmbH und die Tag/Traum Filmproduktion GmbH & Co KG haben infolge der Abschreibungen auf den Beteiligungsbuchwert einen negativen Ergebnisbeitrag geleistet.«

Privatwirtschaftliche Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen

Insgesamt stellt sich die Frage, in wie weit öffentlich-rechtliche Anstalten — direkt oder indirekt über ihre privatwirtschaftlichen Beteiligungen — als Anbieter auf einen Markt einwirken sollten, aus dem sie wiederum selbst Leistungen zukaufen.

Dazu hat das Bavaria-Aufsichtsratsmitglied Prof. Dr. Karola Wille, die amtierende Intendantin des MDR, im Jahr 2004 — also zu einer Zeit, als sie noch juristische Direktorin dieses Senders und nicht im Bavaria-Aufsichtsrat war — einen sehr interessanten Vortrag gehalten, in dem es um die Kontrollmöglichkeiten bei privatwirtschaftlichen Senderbeteiligungen ging, etwa durch Rechnungshöfe. Die Abschrift des Vortrags enthält unter anderem folgende Aussage: »Letztlich ist die entscheidende Frage: Ist das Gesamtsystem der Kontrolle geeignet, um die notwendige Transparenz zu schaffen und den Grundsätzen von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu genügen.« Der Kika-Skandal, in den der MDR maßgeblich verwickelt ist, hat ja mittlerweile hinreichend gezeigt, dass dieser Aspekt offenbar bisher nicht einmal innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender ausreichend umgesetzt war. Um wie viel größer ist dann aber vermutlich der Spielraum bei den über Zwischenfirmen abgekoppelten, privatwirtschaftlichen Aktivitäten?

Prof. Dr. Karola Wille schloss ihren Vortrag aus dem Jahr 2004 mit zwei Bemerkungen ab: »Privatwirtschaftliche Beteiligungsunternehmen sind mittlerweile ein wichtiger und immanenter Bestandteil des Agierens von öffentlich-rechtlichen Anstalten im dualen System. Zweifellos müssen die Anstalten bei diesen Betätigungen Augenmaß wahren und die verfassungsrechtlichen Vorgaben dauerhaft sicherstellen. Dazu gehört auch ein System der Gremien- und Finanzkontrolle mit angemessenen Regularien, das den Besonderheiten solcher unternehmerischer Betätigungsmöglichkeiten Rechnung trägt.«

An dieser Stelle kann man eigentlich nur noch anfügen: Dann mal frisch ans Werk, denn Betätigungsfelder gäbe es durchaus — und das nicht nur beim MDR und beim Kika. Es kann — generell gesprochen — ganz sicher nicht schaden, mal nachzuschauen, ob mit den rund 7,5 Milliarden Euro Gebührengeld, die derzeit jährlich von der GEZ an die Sender verteilt werden, das Richtige getan wird — wozu das Ruinieren der rein privatwirtschaftlichen und nicht von öffentlich-rechtlichen Anstalten betriebenen Aktivitäten unserer Branche ganz sicher nicht gehört.

Empfehlungen der Redaktion:

22.12.2010 – Koppfilm insolvent, Verbindung zu Kika-Betrugsverdacht
29.01.2010 – Unregelmäßigkeiten bei der Bavaria?
08.06.2005 – Schleichender Verfall

Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller

Bildrechte
Brunner & Eisenreich, Panther Rental, Bavaria Film GmbH, MDR/Stephan Flad, MDR, Kika, Nonkonform

Schlagwortsuche nach diesen Begriffen
Branche, Top-Story