Branche, Broadcast, Interview, Report, Studie, Top-Story: 20.07.2011

Ergebnisse der »Großen Broadcast-Umfrage« 2011

Was sind die großen, wichtigen Broadcast-Themen und -Trends des Jahres 2011? Devoncroft Partners und film-tv-video.de haben dazu 639 deutsche Branchen-Insider im Rahmen einer interaktiven Online-Aktion befragt. Joe Zaller von Devoncroft fasst die ersten Ergebnisse zusammen.

B_0711_BBC_2011Der Übergang von SD zu HD ist für Broadcaster in Deutschland nach wie vor der wichtigste, bestimmende Trend. Hype-Themen wie Stereo-3D landen — trotz des derzeit sehr hohen Marketingdrucks in diesem Bereich — bei der Umfrage deutlich dahinter und haben derzeit noch wenig konkreten Einfluss auf das Tagesgeschäft.

Rund 600 Branchen-Insider aus Deutschland haben positiv auf ein entsprechendes Mailing von film-tv-video.de reagiert und an einer Online-Befragung teilgenommen, die Devoncroft Partners jährlich durchführt. Weltweit wurden im Rahmen der »Großen Broadcast-Umfrage« sogar mehr als 8.000 Personen aus der Broadcast-Branche in mehr als 100 Ländern befragt.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Ergebnissen, die den deutschsprachigen Markt betreffen. Die Teilnehmer der Umfrage kommen aus den Bereichen Sender, Kabel/Satellit/IPTV, Playout-Center und Systemintegratoren.

Übersicht der Toptrends

Eines der wichtigsten Ergebnisse der großen Broadcast-Umfrage ist der »Industry Global Trend Index«. Um diesen für Deutschland zu ermitteln, sollten die Befragten aus einer Liste von 15 Trends auswählen, welche »am wichtigsten«, »am zweitwichtigsten« und welche außerdem noch »sehr wichtig« für ihr jeweiliges Geschäftsfeld sind. Die Antworten wurden in der Auswertung gewichtet, um so einen Trend-Index erstellen zu können. Das Ziel der Umfrage bestand darin, echte, längerfristige Trends jenseits von kurzfristigen Hype-Themen zu ermitteln: also Entwicklungen, die für das Geschäftsfeld der Anbieter tatsächlich relevant sind.

Die oben stehende Tabelle zeigt die Ergebnisse der Umfrage für Deutschland. Darin sind die Antworten aller Teilnehmer der Umfrage eingeflossen, die auf der Kunden- und nicht auf der Herstellerseite stehen.

Es zeigte sich, dass drei große Trends aus Sicht der Befragten einen deutlich höheren Stellenwert haben, als alle anderen aktuellen Entwicklungen:

•    Übergang zu HDTV
•    File-basierte, bandlose Workflows
•    Multiplattform-Distribution

Der Zwang, den Übergang zu HD um- und fortzusetzen, sowie die Anforderung, effizienter zu produzieren und mit file-basierten Workflows Kosten zu sparen, dominieren also weiterhin das Business — das ist das gleiche Bild, wie schon im Vorjahr. Auf Platz drei hält sich die Vorstellung, per Multiplattform-Distribution neue Umsätze generieren zu können.

Übergang zu HDTV hat höchste Priorität

Eines der wichtigsten Ergebnisse der Studie: In Deutschland spielt der Übergang von SD zu HD nach wie vor die wichtigste Rolle — in diesen Bereich wird in den kommenden 12 bis 18 Monaten der Großteil der Budgets fließen. Schon im Vorjahr hatte die Studie für diesen Trend im deutschen Markt den Platz 1 ermittelt — ganz im Unterschied zu den Ergebnissen in anderen Ländern. In den USA etwa spielt der Übergang zu HD zwar auch noch eine große Rolle, als Toptrend gaben die Befragten dort allerdings das Thema Multiplattform-Distribution an.

Warum ist der Übergang zu HDTV in Deutschland wichtiger als in anderen Ländern? Die Studie ermittelte, dass bis dato erst 40 % der Broadcast-Kunden diesen Schritt umgesetzt haben. Das ist zwar ein recht hoher Anteil, er liegt aber unter dem Prozentsatz, den andere Länder in diesem Bereich schon erreicht haben, wie etwa die USA. Somit kann die Branche in Deutschland noch stärker mit weiteren HD-Upgrades und -Investitionen rechnen, als in anderen Teilen der Welt. Außerdem geben 14 % der Befragten in Deutschland an, dass ihre Infrastruktur noch analog sei. Der Übergang zu HD wird also nicht nur unmittelbar, sondern auch auf absehbare Zeit noch den Großteil des Business ausmachen, das im Broadcast-Bereich ansteht.

Entwicklung zu file-basierten Infrastukturen gewinnt an Bedeutung

Als weiteren wichtigen Trend in Deutschland macht die Studie den Übergang zu file-basierten Infrastrukturen aus. Er ist getrieben von dem Ziel, effizientere Workflows und Infrastrukturen zu erreichen — und Kosten zu sparen. Schon in der Vorjahresstudie hatte sich das gleiche Bild gezeigt: Es ging den Befragten bei diesem Thema primär darum, Kosten zu sparen und zusätzliche Erträge zu ermöglichen. Diese Vorgabe resultiert aus der Wirtschaftsrezession der vergangenen Jahre, nun da die Konjunktur wieder angesprungen ist und sich die Wirtschaft erholt, bleiben die Budgetvorgaben im Technikbereich aber weiterhin knapp und die Priorität liegt weiterhin auf der Kosteneinsparung.

Im Jahr 2011 wird die Broadcast-Wirtschaft in Deutschland laut Befragung weiterhin neue Workflows etablieren, die zunehmend auch IP-Technologien und file-basierte-Abläufe einbinden. Die Bedeutung dieser Technologien hat massive Auswirkungen auf die Broadcast-Industrie und wird Arbeitsabläufe und Produktentwicklungen gleichermaßen betreffen. Die wachsende Bedeutung von IP-Technologien im deutschen Markt unterstreicht auch den Bedarf an Mitarbeitern mit anderen Fähigkeiten und Berufsbildern, da traditionelle Broadcast-Technologien immer mehr durch IT-orientierte Arbeitsabläufe ersetzt werden.

Multiplattform-Distribution wird wichtiger

Im Zeitalter leistungsfähiger Smartphones und hochauflösender Tablet-PCs ändern sich auch die Anforderungen an Broadcaster: Wenn es für die Endkunden immer einfacher wird, Videoinhalte von ganz unterschiedlichen Content-Aggregatoren abzurufen, müssen die Broadcaster und Rechteinhaber neue Wege finden, ihre Inhalte gewinnbringend zu vermarkten. Deshalb ist in den vergangenen Jahren eine steigende Bedeutung für das Thema Multiplattform-Distribution zu verzeichnen. Nicht umsonst steht dieser Trend im Jahr 2011 schon an dritter Stelle relevanter Trends in Deutschland.

In anderen Ländern, etwa den USA, steht dieser Trend sogar schon an erster Stelle, wobei dort der Übergang zu HD auch schon weiter fortgeschritten ist. Insofern dürfte auch in Deutschland das Interesse an dieser Entwicklung in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Das wird deutliche Auswirkungen auf die Branche haben: Private TV-Sender machen im Rahmen dieser Entwicklung rund um den Globus neue Einnahmequellen aus, die darauf basieren, ein und denselben Content auf ganz unterschiedlichen Plattformen anzubieten. Gebührenfinanzierte Broadcaster sehen darin neue Möglichkeiten, ihren Informations- und Bildungsauftrag besser erfüllen und die Legitimation für die Gebühren sichern zu können.

Auch auf der Herstellerseite haben die Anforderungen der Multiplattform-Distribution Auswirkungen: Zunehmend werden Lösungen entwickelt, mit denen sich Inhalte automatisiert für ganz unterschiedliche Plattformen aufbereiten, optimieren und ausgeben lassen. Eine wachsende Rolle spielt dabei auch die Verknüpfung mit dem Anzeigenbereich in der Form, dass inhalts- und themenverwandte Anzeigen parallel zu den Inhalten platziert werden sollen.

Die größte Herausforderung im Zusammenhang mit Multiplattform-Distribution besteht darin, ein geeignetes Business-Modell zu finden. Im Vergleich dazu muten der Übergang zu HDTV und zu file-basierten Workflows vergleichsweise simpel an: Sie bringen üblicherweise rasch einen konkreten Nutzen — sowohl was die Kosten, wie auch die Effizienz betrifft.

Fazit

Die Geschwindigkeit des technologischen Wandels innerhalb der Broadcast-Industrie ist unerbittlich. Die Ergebnisse der großen Broadcast-Umfrage aus Deutschland bestätigen, dass sich diese Region in einer sehr dynamischen Entwicklung befindet.

Broadcaster in Deutschland müssen vielerlei Herausforderungen bestehen. Sie befinden sich inmitten des Übergangs zu HD, der vermutlich noch einige Zeit dauern wird. Gleichzeitig müssen sie mit der Einführung file-basierter Strukturen ihre Arbeitsabläufe überdenken und neu aufsetzen. Zusätzlich müssen sie neue Geschäftsmodelle entwickeln und  Infrastrukturen schaffen, die es ermöglichen, mit der mehrfachen Auswertung desselben Contents zusätzlichen Umsatz zu generieren.