Blick in die Alpen: Stereo-3D bei TPC in Zürich
Der Schweizer Broadcast-Dienstleister TPC hat auf der Basis von Quantels Pablo-System ein Business-Modell entwickelt, das Stereo-3D-Produktionen nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich interessant machen soll. film-tv-video.de war vor Ort.
TPC gehört zu den Technologie-Pionieren in Europa: So entwickelte und realisierte der Schweizer Broadcast-Dienstleister schon früh interessante Konzepte für anspruchsvolle HD-Produktionen. Es kann daher kaum verwundern, dass sich TPC derzeit auch intensiv mit Stereo-3D-Technik auseinandersetzt.
Sascha Klement, Leiter Business Development bei TPC, ist sich sicher, dass Stereo-3D auch für Broadcaster großes Potenzial habe, weiß aber auch um die Schwierigkeiten, diese Technologie voranzubringen: »Derzeit sind alle großen Broadcaster damit beschäftigt, ihre alten SD-Straßen auf HD umzustellen, was Geld und Ressourcen verschlingt. Wir versuchen deshalb mit neuen Konzepten und konkreten Business-Plänen aufzuzeigen, wie sich 3D trotzdem schon heute einsetzen lässt. Das ist reine Pionierarbeit.«
Wie kann ein solches Konzept aussehen? Die Antwort darauf erschließt sich besser, wenn man zunächst einen Schritt zurückgeht und fragt, welche Bereiche sich besonders gut für Stereo-3D-Produktionen eignen. Aus der Sicht von Sascha Klement sind das neben großen Events auch Imagefilme, etwa in der Autoindustrie oder im Tourismus. »Die Nachrichten des Tages werden wir wohl auch in Zukunft nicht in Stereo-3D sehen«, konstatiert Sascha Klement.
Mit dieser Sicht des Marktes im Hinterkopf und auf Basis einer analytischen Bestandsaufnahme, hat man sich bei TPC dazu entschieden, Stereo-3D von der Postproduktionsseite her aufzuzäumen. Aus Sicht von Sascha Klement und seinem Team gibt es nämlich gerade hier viele Engpässe, weil eine anspruchsvolle Stereo-3D-Nachbearbeitung viel Knowhow, aber auch teure Postproduction-Systeme erfordere – und beides eben keineswegs auf breiter Basis vorhanden sei.
TPC selbst arbeitet schon seit vielen Jahren mit verschiedenen eQ- und iQ-Systemen von Quantel und so lag die Idee nahe, auch bei Stereo-3D-Technologie auf Equipment von Quantel zu setzen. Das Unternehmen entschied sich also, in ein Pablo-System zu investieren, dieses aber nicht als festinstallierte Suite zu betreiben, sondern als mobile Einheit zu konzipieren. Die mobile Technik bietet TPC zusammen mit dem Knowhow der eigenen Stereo-3D-Abteilung nun auch externen Kunden an.
Sascha Klement urteilt: »Quantels 3D-Option zu erlernen ist nicht aufwändig, aber es ist viel Erfahrung erforderlich, um ein gutes Resultat zu erzielen.« Mit dem Pablo-System, in das TPC Anfang des Jahres 2010 investierte, wurden schon mehrere Stereo-3D-Projekte realisiert, weitere sind schon fest geplant. Die Produktionen wurden und werden mit Partnern oder als Auftragsproduktionen für verschiedenen Kunden realisiert. »Dafür bieten sich auch Showroom-Projekte oder Werbeproduktionen in 3D an«, so Sascha Klement. Dabei soll das mobile Color-Grading-System Pablo jeweils in die bestehende Infrastruktur beim Endkunden integriert werden.
Um es auf den Kern zu reduzieren: TPC glaubt, dass man mit dem mobilen Pablo-System zum einen die eigene Auslastung verbessern, aber auch dazu beitragen kann, einen größeren Stereo-3D-Markt zu entwickeln. In der Stereo-3D-Akquisition ist TPC mit seinem Team zwar ebenfalls aktiv, doch Klement sagt auch ganz klar, dass man sich insbesondere bei Mehrkamera-Produktionen nicht als Vorreiter sehe.
Stereo-3D bei TPC
»Wir haben uns in den Anfängen zunächst in einem kleinen Team mit Stereo-3D beschäftigt«, führt Sascha Klement aus, »und haben aus unserer Postproduktionsgruppe heraus einen Pool von Leuten aufgebaut, die sich intensiv mit der neuen Technologie beschäftigt haben.«
Einer davon ist Donovan Courtney, der als 3D-Consultant für TPC 3D-Produktionen plant, Teams zusammenstellt und dann über die komplette Produktion hinweg betreut. Aus seiner Sicht ist ein funktionierendes Team bei Stereo-3D-Produktion noch notwendiger als bei einer ganz normalen Produktion, weil man eben in vielen Bereichen noch Neuland betrete und darauf angewiesen sei, Hand in Hand zu arbeiten.
Einer der faszinierenden Aspekte von Stereo-3D ist aus seiner Sicht die Entwicklung einer neuen Bildsprache, die es nun zu finden gilt. »Die richtige Bildsprache kann man aber letztlich nur finden, wenn man die Produktion sehr gut plant«, erklärt Courtney, »denn in Stereo-3D funktioniert die Redensart »fix it in the post« weniger denn je. Wenn bei der Aufzeichnung grundlegende Gestaltungsrichtlinien nicht beachtet und etwa die Konvergenzebene falsch positioniert wird, lässt sich dies in der Postproduction nur schwer oder gar nicht korrigieren – und in der Folge kann man dann eben auch sehr wenig mit dem Material experimentieren«.
Nicolas Sieber, Senior Editor Postproduction, hält das Color- und Depth-Grading in der Postproduction für einen zentralen Faktor um eine erfolgreichen Stereo-3D-Produktion zu schaffen. »Man muss beim 3D-Balancing immer zwei Kameras zueinander matchen, um eine Ausgangsebene fürs Color Grading zu haben. Nicht zuletzt deshalb haben wir uns mit Pablo für ein Tool entschieden, dass in diesem Bereich sehr gute Möglichkeiten eröffnet«, so Sieber. Der gesamte Workflow in der Post sei entscheidend – und bei Pablo sehr schlank und leistungsfähig ausgelegt: Beide Ströme werden jederzeit mitgeführt, es gibt einen Echtzeit-3D-Output und auch beim Depth Grading, wo es um die Tiefenwirkung der Bilder geht, liefert Pablo Echtzeit-Tools.
Ganz generell sind sich Courtney und Sieber einig, dass es bei einer Stereo-3D-Produktion einige grundlegende Dinge gebe, die man immer im Hinterkopf behalten sollte: Wie ist die Tiefenwirkung einer Szene? Wie schaffe ich es, eine Tiefenlogik zu schaffen? Was soll vorne am Bildschirm, was auf dem Bildschirm, was dahinter zu sehen sein?
Beim Schnitt: Kann man von der einen auf die andere Szene schneiden, ohne dass dabei ein Tiefensprung entsteht? Passt das Balancing von linkem und rechtem Auge? Was soll am Schluss im Depth-Grading noch möglich sein und erreicht werden? Fragen, die man schon in einem möglichst frühen Stadium beantworten sollte, so die beiden TPC-Experten.
Aktuelle Stereo-3D-Produktionen
Die ersten Stereo-3D-Einsätze hat das Pablo-System bei TPC schon hinter sich. Dabei setzte TPC neben dem eigenen Team auch auf das Know-how externer Spezialisten, darunter Alaric Hamacher und Christian Witschi.
Eine der ersten Stereo-3D-Produktionen entstand beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel: TPC installierte vor Ort, direkt am Fuße der steilen Abfahrtsstrecke, sein Pablo-System. Vier verschiedene 3D-Kamerasysteme zeichneten dann den Abfahrtslauf auf, zusätzlich war ein Hubschrauber im Einsatz, der mit zwei Red-Kameras als kreiselstabilisiertem Kamerasystem bestückt war.
Das so aufgezeichnete Material, schnitten und bearbeiteten Nicolas Sieber und Fabian Hochreutener dann vor Ort in Rekordzeit und legten den Film auf einem FTP-Server ab. Über Nacht realisierte dann Dolby das Sounddesign der Produktion. Auf diese Weise entstand ein fünfminütiger Film, den Red Bull Media schon am Tag nach dem Dreh mit einem digitalen Projektionssystem von Dolby in Kitzbühel präsentieren konnte. Die Stereo-3D-Bilder wurden hierfür als Tif-Datei aus Quantels Pablo exportiert und für die Wiedergabe ins Projektionssystem importiert.
Ein anspruchsvolles Projekt, das laut Sascha Klement nur deswegen innerhalb seines sehr engen Zeitrahmens umzusetzen war, weil man dank der erfahrenen Mitarbeiter eben gerade in der Postproduction sehr schnell und effektiv arbeiten konnte.
Eine andere, sehr anspruchsvolle Live-Produktion realisierte TPC mit der Aufzeichnung der »Budo-Gala«. Das ist eine Kampfkunstshow, die als aufwändig inszenierte Martial-Arts-Vorführung vor rund 7.000 Zuschauern in Basel stattgefunden hat. Bei dem großen Event ging es darum, mit mehreren Rigs die bewegungs- und actionreichen Auftritte verschiedener Budo-Kämpfer in Szene zu setzen.
Schon vor der Veranstaltung hatte TPC mit einem Si-2K-Kamerapärchen Material zu diesem Thema gedreht und daraus einen Trailer für die Veranstaltungsreihe produziert. Bei der eigentlichen Gala waren dann zwei 3D-Rigs im Einsatz: eine Steadicam mit Freestyle-Rig direkt auf der Bühne und zusätzlich ein P+S-Rig auf einem Panther-Dolly, der rund um die Bühne bewegt werden konnte.
»Es war für uns das erste Mal, dass wir eine Veranstaltung dieser Art realisierten, bei der man letztlich den Ablauf nicht beeinflussen und nichts wiederholen konnte. Die Einstellungen mussten einfach sitzen«, resümiert Nicolas Sieber. Bei den Proben für die Gala war ein TPC-Team vor Ort und stimmte sich eng mit den Veranstaltern ab. Bei der eigentlichen Gala arbeitete TPC dann mit einem Focus Puller, der mit dem Fernbediensystem C-Motion bei beiden Kamera-Rigs die Schärfe nachführte. »Auch unser Stereographer arbeitete mit einer C-Motion-Remote, um die Konvergenz zu steuern«, berichtet Nicolas Sieber, der bei dem Event die Regie führte.
Ein weiteres Stereo-3D-Projekt ist mehr oder weniger aus den ersten Testaufnahmen entstanden, die TPC realisierte: »Dabei geht es um die alte Junkers JU52, von der es in der Schweiz noch vier Stück gibt«, berichtet Sascha Klement. Aus den Aufnahmen von der alten Wellblech-Maschine Tante JU vor beeindruckenden Schweizer Landschaften, entsteht nun ein Dokumentarfilm, der zum Jahresende als 3D-Blu-ray verfügbar werden soll. Wie so oft im Dokumentarfilmbereich ist dann aus dem JU52-Projekt ein weiteres Filmprojekt entstanden, bei dem TPC gemeinsam mit einem Partner eine Produktion für die Schweizer Tourismus Organisation umsetzte.
Die Erfahrungen mit diesen Produktionen gaben TPC letztlich genug Vertrauen, in Stereo-3D zu investieren und an das Potenzial der neuen Technologie zu glauben. Ein weiteres großes Ziel könnten für die Schweizer die Olympischen Spiele in London sein: Als Dienstleister war TPC unter anderem schon für den Host-Broadcaster in Vancouver tätig, und für London wünscht sich Klement, dort ebenfalls Stereo-3D produzieren zu dürfen. »Bis dahin müssen wir allerdings noch eine ordentliche Wegstrecke zurücklegen«, urteilt Klement – auch wenn das Ziel sehr attraktiv ist.
TPC: Facts & Figures
TPC (tv productioncenter zürich ag) ist eine Tochtergesellschaft der SRG SSR idée suisse – und somit eine Tochter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Schweiz. Der öffentlich rechtliche Rundfunk ist in der Schweiz als Verein organisiert, dem der Bund die Aufgabe übertragen hat, im öffentlichen Interesse Rundfunk und Fernsehen zu betreiben.
TPC fungiert als technischer Dienstleister für das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehen, wird darüber hinaus aber auch im Auftrag Dritter tätig. Kunden von TPC sind neben SF und SRG SSR idée suisse weitere TV-Stationen in der Schweiz und im Ausland sowie Unternehmen aus Industrie, Dienstleistung und öffentlicher Verwaltung.
Als größter Schweizer Produzent für audiovisuelle Medien deckt TPC das komplette AV-Leistungsspektrum ab: Neben Fernseh- und Videoproduktionen in SD und HD bietet TPC auch Dienstleistungen im IT-basierten eMedia-Bereich an. In den TPC-Werkstätten werden Dekorbauten für Messen, Events und für TV- und Videoproduktionen hergestellt.
Die Auseinandersetzung mit neuen Produkten und Technologien wird bei TPC groß geschrieben. So setzten die Schweizer schon frühzeitig für die SRG den HD-Kanal HD Suisse um und realisierten einige spektakuläre Opern-Inszenierungen in HD. Im Wintersport und speziell bei Abfahrtsrennen gehört TPC ohnehin zur ersten Garde und produzierte etwa bei den Olympischen Spielen in Vancouver das Weltsignal aller zehn alpinen Skirennen – mit bis zu 41 Kameras. TPC war bei Olympia bereits mehrfach im Einsatz und erhielt dafür 2006 vom Internationalen Olympischen Komitee die »Olympic Golden Rings«.
3D now
TPC hat unter der Web-Adresse www.do3dnow.com Infos über Stereo-3D zusammengefasst.
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