Branche, Top-Story: 09.12.2008

Camelot: Passende Tools für jede Produktion — von DV bis F35

Mit dem Umzug im Sommer 2008 hat sich das Berliner Rental-Haus Camelot deutlich vergrößert, das Equipment-Angebot ausgebaut und neue Abläufe etabliert. Im Gespräch mit film-tv-video.de geben Rainer Hercher und Steffen Scheid Einblicke, wie Camelot aktuelle Branchentrends bewertet und in die Ausrichtung und Marktpositionierung des Unternehmens einfließen lässt.

Als erster Anbieter der F35 im deutschen Rental-Markt setzte Camelot ein Zeichen dafür, wie sich das Unternehmen künftig positionieren will. Ursprünglich kommt Camelot aus dem EB-Bereich, hat sich aber seit der Gründung im Jahr 1997 immer weitere Betätigungsfelder und eine breitere Kundenbasis erschlossen. Camelot setzt im Unterschied zu anderen Verleihern in Deutschland nicht auf reines Dry Hire, sondern vermietet und vermittelt neben Equipment auch komplett ausgestattete, drehbereite Teams. Basis für diese komplette Aufnahmedienstleistung ist ein Pool aus freischaffenden Kameraleuten, Ton- und Kameraassistenten sowie weiterem Produktionspersonal. »Nicht nur unsere Kunden profitieren von diesem breiteren Angebot, sondern auch wir als Unternehmen, denn aus dem ständigen Kontakt und Dialog mit unseren eigenen Teams erhalten wir sehr viel wertvolles, direktes Feedback aus der Praxis«, beschreibt Geschäftsführer Rainer Hercher die Vorteile dieser Kombination.

Beim Equipment setzt Camelot auf Hersteller- und Formatunabhängigkeit: »Uns ist es wichtig, für jeden Zweck das passende Werkzeug und das passende Format anbieten zu können. Das muss und will Camelot leisten.« So finden sich unter den rund 100 Kameras und Camcordern die Camelot im Angebot hat, allein schon im oberen HD-Bereich die F35 und weitere Geräte von Sony (HDW-F900R, HDW-750, PDW-700), aber auch zwei Red Ones und von Panasonic der P2-HD-Camcorder AJ-HPX3000 sowie weitere HD-Camcorder (AJ-HDX900 und AJ-HPX500 (Test)). HD-fähige Kompakt-Camcorder hat Camelot von Canon, JVC, Panasonic und Sony im Programm, außerdem gibt es bei Camelot umfassendes SD-Equipment, jede Art von Kamerazubehör, Licht und Ton.

Darüber hinaus erstreckt sich das Spektrum des Unternehmens mittlerweile auch über den ganz klassischen Kamera-Rental-Bereich hinweg in neue Bereiche. »Das Zentrum unserer Aktivitäten bleibt die Videoproduktion auf unterschiedlichen technischen Levels, aber der Service-Bereich, in dem wir ergänzende Dienstleistungen anbieten, wächst mit den Entwicklungen im Markt ebenfalls an«, erklärt Steffen Scheid, Business Development Manager des Unternehmens.

Was das in der Praxis bedeutet, zeigt ein Rundgang durch die neuen Räume von Camelot. Neben dem Verleihbereich mit einem innovativen, offenen Gerätepool, Nachtschleusen, Setup- und Bereistellungsboxen, findet sich hier auch ein neutraler Raum, in dem Interviews geführt werden können sowie ein Multifunktionsraum, der für Vorführungen, Schulungen und Greenscreen-Aufnahmen genutzt wird. Der Aufbau eines separaten, dezidierten Greenscreen-Raums als kompakte Alternative zu einem großen Greenscreen-Studio ist beschlossene Sache: »Das realisieren wir auf Anregung unserer Kunden. Ebenso machen es die aktuellen Marktentwicklungen nötig, dass auch wir als Verleiher uns auf file-basierte Workflows einstellen«, erläutert Steffen Scheid. So sind die Räume von Camelot per Gigabit-Ethernet vernetzt und es finden sich auch im Ausleih- und Rückgabebereich Möglichkeiten, Daten zu überspielen und zu sichten sowie Laptops anzuschließen. »Wir müssen das Daten-Handling für unsere Kunden vereinfachen und als Schnittstelle zur Postproduction fungieren — ein enger Kontakt zu den jeweils beteiligten Posthäusern wird ohnehin immer wichtiger«, konstatiert Rainer Hercher. »Wir wollen keine eigene Postproduction aufbauen, aber das Kopieren und Sichten von Material ist heute einfach ein notwendiger Teil unserer Dienstleistung.«

»Die Produktionslandschaft hat sich mit den digitalen Kameras und dem Siegeszug der Wohnzimmer-Postproduction geändert. Das muss man aufgreifen und umsetzen«, meint Steffen Scheid. »Der Entwicklungstrend in der Produktion geht ganz klar zum file-basierten Arbeiten, zu IT-basierten Technologien. Das fragen unsere Kunden zunehmend an und das müssen wir abbilden. Dabei genügt es auch nicht mehr, einfach einen Camcorder auf den Tresen zu stellen, sondern es gehören auch Beratung, Schulung und Service dazu, wenn man als Dienstleister bestehen will.«

HD-Jahr 2008

»Für uns war 2008 eindeutig ein HD-Jahr. Wir haben weiter in HD und in damit verbundene Technologien investiert: F35 und Red One etwa erfordern auch anderes Zubehör, angefangen von Objektiven mit PL-Mount bis zu anderen Speichermedien und Support-Systemen«, resümiert Rainer Hercher. »Aber die Investitionen haben sich gelohnt, denn in diesem Jahr wurde das HD-Equipment auch intensiv angemietet. Für die Sat.1-Serie »Dr. Molly & Karl« etwa lieferte Camelot das HDCAM-Equipment. Zwei 3000er von Panasonic aus unserem Haus kamen in diesem Jahr beispielsweise bei in Berlin gedrehten DVD-Spielfilmproduktionen für den internationalen Markt zum Einsatz. Dafür ist dieser Camcorder-Typ wegen seiner 24p-Funktionalität besonders gut geeignet. Dabei wurde teilweise mit zwei Kameras und P+S-Adapter gedreht, die bandlose Produktion mit P2-Karten in HD-Auflösung brachte hier Workflow-Vorteile im straffen Drehplan: Ein 90-Minüter wird bei dieser Art von Produktion innerhalb von rund 12 Drehtagen abgedreht.« Insgesamt drei DVD-Produktionen dieser Ausprägung hat die Produktionsfirma Zeitsprung Entertainment Jahr 2008 mit P2-Camcordern realisiert, die Camelot bereitgestellte hatte: »Upstairs«, »Shoot the Duke« und »Lucky Fritz«.

F35 gut im Markt etabliert

»Unsere F35 kam in diesem Jahr schon bei zehn Produktionen zum Einsatz. Das waren in der Mehrheit Werbeproduktionen, aber auch fiktionale Projekte wie ein türkischer Kinofilm, für den wir unsere F35 in die Türkei vermietet haben«, zieht Rainer Hercher Bilanz. »Wir haben die F35 mit einer Hands-On-Woche eingeführt und sie wurde sehr gut angenommen«, erläutert Steffen Scheid: »Das Testmaterial, das wir in dieser Woche produziert haben, überzeugte seither schon viele Kunden, die F35 zumindest in Betracht zu ziehen — weil diese Kamera sehr filmische Bilder ermöglicht.«

Die F35 wird zu einer vergleichbaren Tagesmiete angeboten wie eine 35-mm-Filmkamera und so wird sie auch eingesetzt: Mit Camelots Kamera produzierte etwa die Joschmid Filmproduktion einen Werbespot für die Württembergische Versicherung, eine britische Werbefilmproduktion drehte mit der F35 in Berlin, während die Postproduktion in Soho erfolgte. In beiden Fällen gab unter anderem der problemlose Workflow mit Kassetten im Format HDCAM SR den Ausschlag, nicht auf Film und nicht mit der Red One zu drehen.

Ob die Kostenersparnis, die oft als wichtiger Grund für die digitale Produktion gilt, tatsächlich erreicht wird, hängt von vielen Faktoren der jeweiligen Produktion ab, so die Erfahrungen bei Camelot. Das Potenzial dafür besteht aber in jedem Fall: Wenn es um die Materialkosten und das Processing geht, aber auch bei der Teamgröße. Die F35 arbeitet nämlich mit sofort vorführbaren Kassetten und kann wie eine Videokamera bedient werden, wofür ein Kameramann und ein Assistent ausreichen: Man braucht also keinen zusätzlichen Digitaltechniker, DIT, Data-Wrangler oder »Filer«, wie bei anderen digitalen Systemen. In der HDCAM-SR–Kassette liegt auch ein anderer Vorteil: Zeitersparnis. Man braucht kein Kopierwerk wie beim Filmdreh und man muss die Daten nicht aufbereiten, um sie in voller Auflösung sehen zu können.

»In vielen Fällen ist die F35 einfach die bessere Wahl und passt besser zu den Anforderungen der jeweiligen Produktion«, sagt Rainer Hercher.

Trotz der momentanen Vorteile für die Produktion mit Kassetten in HDCAM SR sieht Rainer Hercher eine klare Entwicklung in Richtung bandloser Aufzeichnung — auch bei Kameras wie der F35 von Sony oder der D-21 von Arri. »Ein filmmagazinartiges System wäre sicher am besten, die Entwicklungen bei Codex etwa schätzen wir als sehr vielversprechend ein. Aber es wird wohl noch eine Weile dauern, bis hier eine optimale Lösung kommt«, glaubt Steffen Scheid.

In einem anderen Bereich steht aus Sicht von Camelot der Wechsel in die file-basierte Aufnahme auf breiter Front unmittelbar bevor: Dem Disc-Camcorder PDW-700 von Sony trauen die Berliner Rental-Experten zu, mit der SD-Option Digi Beta endgültig den Todesstoß versetzen. Gleichzeitig bringt dieser Camcorder aber auch HDCAM-Geräte in Bedrängnis und kann zudem im 16-mm-Filmbereich Boden gut machen.

Der Umschwung zur digitalen Aufnahmetechnik hat aus Sicht von Rainer Hercher nicht deshalb so lange gedauert, weil die Kameraleute und Assistenten damit nicht klargekommen wären, sondern weil Produzenten, Herstellungsleiter und Entscheider in der Management-Ebene lange Zeit Vorbehalte hatten, skeptisch waren und die Vorteile nicht sahen. Dennoch diagnostiziert Hercher derzeit einen klaren Trend weg vom 16-mm-Film: »In diesem Bereich werden HD-Kameras auf breiter Front und in wachsendem Maß eingesetzt, auch wenn es 16-mm-Film noch für eine lange Zeit geben wird.«

Red One bei Camelot

»Wir haben auch zwei Red Ones, die wir ebenso gerne vermieten, wie unsere anderen Kameras«, sagt Rainer Hercher, schränkt aber gleichzeitig ein: »Wenn die Red das richtige Tool für den jeweiligen Zweck ist.« Hercher betrachtet die Red One aber auch als Katalysator: »In jedem Fall brachte die Red One einen großen Schub für die digitale Produktion: Unsere Kunden stellen heute weniger die Frage, ob sie auf Film oder digital drehen sollen, als die Frage: Red oder etwas anderes?«

Vorteile der Red One sieht man bei Camelot vor allem in der hohen Bildrate von bis zu 120 fps. Rainer Hercher relativiert aber den Hype um die Digitalkamera aus den USA: »Wir bekommen viele Anfragen für unsere Reds, aber die Welt ist nicht nur rot …«

»Wenn man die Red One mit Camcordern wie dem 3000er von Panasonic vergleicht, dann ist sie eigentlich gar nicht so günstig wie es zunächst scheint, denn das ganze Zubehör kostet extra. Außerdem ist die Red One auch ein Zeitfresser: Das fängt bei der Beschaffung an, geht über die Beratung, den Setup, den Workflow und das Rendering weiter. Wenn man das alles einrechnet, dann stellt sich heraus, dass die Red One auch keine Wundermaschine ist, sondern eben eine Kamera mit einigen Vorzügen, aber auch mit einigen Nachteilen«, resümiert Rainer Hercher die bisherigen Erfahrungen mit der Red One. Er merkt weiter an, dass auch nicht jeder Kameramann mit dem Look von 35-mm-Film zurechtkomme und mit der geringeren Schärfentiefe gut umgehen könne. Unabdingbar sei bei der Arbeit mit der Red One außerdem eine enge Kooperation mit der Postproduction und ein realistischer Test im Vorfeld des jeweiligen Projekts: »Dann zeigt sich in der Regel schnell, ob die Red das richtige Werkzeug ist. Manchmal ist das der Fall und manchmal eben nicht.«