Red-Welle in Deutschland rollt weiter
Rental-Anbieter in Deutschland bestätigen eine rege Nutzung der digitalen Filmkamera in unterschiedlichsten Einsatzbereichen, sehen aber weiterhin auch Märkte für andere Kameras am High-End der Aufnahmetechnik.
Die digitale Kamera Red One hat seit ihrer ersten Vorstellung eine große Fangemeinde, die teilweise mit fast religiösem Eifer diese Kamera preist und praktisch alle Zumutungen, die der Hersteller den Interessenten aufbürdet, nahezu klaglos schluckt: Terminverschiebungen, Änderungen der Spezifikationen, extrem lange Lieferzeiten ohne Nennung eines genauen Datums, Bugs jeder Art. Dieses Phänomen ergründen zu wollen, ist so schwierig wie nutzlos.
Ein davon unabhängiger Blick auf die Fakten belegt aber, dass die Red One weite Kreise gezogen hat und immer noch zieht. Nun kehrt langsam etwas mehr Normalität im Umgang mit der Kamera ein, der Hype verlagert sich auf die vor ein paar Tagen angekündigten, zukünftigen Produkte von Red Digital Cinema (siehe Meldung) und bei der Red One stehen konkrete Produktionen im Vordergrund.
Trotzdem rollt die Red-Welle weiter — und das bestätigen auch die etwas weniger enthusiasmierten, pragmatischeren Marktteilnehmer, die sich die Red One nicht aus Liebhaberei als »Kamera-Baby« oder Hobby-Gerät gekauft haben, sondern um damit Geld zu verdienen: die Rental-Häuser.
Mit elf Red Ones in der Vermietung ist der Ludwig Kameraverleih wahrscheinlich der größte Anbieter dieser Kamera mindestens in Deutschland, vielleicht sogar darüber hinaus in Europa. »Unsere Reds waren im Sommer komplett durchgebucht, wir hatten eine enorme Nachfrage zu verzeichnen, nun normalisiert sich das langsam,« erläutert Martin Ludwig. Eine der Produktionen, die mit einer Red aus Ludwigs Vermietpark in Berlin gedreht wurde, ist der 45minütige Pilotfilm zur geplanten RTL-Serie »Brains« über Hirnchirurgen, ein »Medical-Drama«. Für »faszinierende Visualisierungen von bildgesteuerten Operationen am Gehirn« — so der Pressetext —, aber auch für alle anderen Szenen, wurde durchgehend die Red One eingesetzt: Laut RTL erstmalig in einer deutschen TV-Produktion.
Produziert wurde der Pilotfim von UFA (Norbert Sauer) und Teamworx (Nico Hofmann), Regie führte Roland Suso Richter (»Dresden«, »Der Tunnel«). Die verantwortlichen Produzenten sind Jörg Winger und Klaus Zimmermann. Verantwortliche Redakteurin bei RTL ist Melanie Brozeit unter der Leitung von Barbara Thielen.
Aktuell wäre eine Red One von Ludwig auch fast bei einem ARD-Vorzeigeprojekt zum Einsatz gekommen: Studio Hamburg wollte den nächsten NDR-»Tatort« mit der Red One drehen, hat das Projekt dann aber im letzten Moment zumindest für dieses eine Mal auf konventionelle Technik umgestellt (siehe Meldung).
Martin Ludwig sieht aber immer noch ein weites Feld darin, im Markt über digitale, bandlose Workflows zu informieren: »Weniger auf der technischen und der Operator-Ebene, als vielmehr im Management-Bereich und in der Führungsebene der Produktionen, fehlen oft noch entscheidende Informationen, um wirklich unabhängig das jeweils beste Medium und den passenden Workflow auswählen zu können.«
Bei Cinegate, wo neun Red Ones in der Vermietung bereitstehen, ist man mit der Marktakzeptanz der Kameras sehr zufrieden. Da etwa bei der Kölner Niederlassung von Cinegate mittlerweile rund 65 % des Umsatzes aus dem HD-Bereich kommen, passt auch die Red One gut ins Portfolio des Unternehmens. »Besonders wer aus dem Bereich der elektronischen Aufnahme kommt, und auch im Umgang mit PCs und Software aufgewachsen ist, der hat einen leichten Zugang zur Red One,« sagt Michael Abert, der die Cinegate-Niederlassung in Köln leitet. Die digitale Technik erfordert aber aus Sicht von Abert eine enge Zusammenarbeit zwischen Produzent, Verleiher, DoP, Regie und Postproduction: »Nur wenn man schon im Vorfeld stärker kommuniziert und kooperiert, als es früher zwischen den einzelnen Bereichen üblich war, dann stellt sich auch der gewünschte Erfolg ein und die Vorzüge der Digitaltechnik kommen zum Tragen.«
Volker Rodde, seit kurzem ebenfalls mit zwei Red Ones im Verleihprogramm, ist über den Zuspruch sehr erfreut: »Die Kamera stößt auf sehr hohes Interesse, aber man muss doch recht viel in die Weiterbildung im eigenen Unternehmen und auch auf der Kundenseite investieren, wenn man auf einem hohen professionellen Niveau arbeiten will — was unverändert unser Anspruch ist.« Geändert hat sich aus der Sicht von Volker Rodde der technische Zugang zur Produktion: »Bei der Planung einer HD- oder Digital-Film-Produktion fängt man in der Postproduktion an. Daher ist die Partnerschaft mit Postproduction-Anbietern heute für einen Verleiher sehr wichtig, um den jeweils richtigen Workflow zu finden.« Teilweise komme man nicht umhin, sich auch zusätzliches Knowhow ins Haus zu holen, meint Rodde: »Wir haben uns einen Arbeitsplatz mit Final Cut Pro aufgebaut, schon um selbst intensiv testen und vorführen zu können.« Insgesamt sieht Volker Rodde die Red One auf dem Weg zur Normalität, was aber bei dem unorthodoxen Ansatz der Kamera eher ungewöhnlich sei. Eine von Volker Roddes Red Ones geht in Kürze für einen Monat zu Dreharbeiten nach Chile.
Wenn man alle Produktionen zusammennimmt, die mit den Red-Kameras dieser drei Verleiher bisher hergestellt wurden, ergibt sich ein bunter Mix: Von der Dokumentation über Werbung und TV-Movies ist eigentlich alles dabei. Auch Produktionen, die thematisch eher 35-mm-Filme wären, aber das Budget dafür nicht aufbringen können, werden gern mit der Red One realisiert. Ludwig, Cinegate und Rodde haben neben der Red One aber auch jeweils High-End-Kameras von Sony im Programm: Die F35 bei Ludwig und Cinegate, die F23 bei Rodde. Mit Roddes F23 wurde etwa die Sat.1-Produktion »Griechische Küsse« realisiert (siehe Meldung). Alle drei Verleiher sind sich einig, dass es auch für diese gegenüber der Red One deutlich teureren Kameras von Sony oder auch für die D-21 von Arri einen Markt gibt.
Aus Sicht von Martin Ludwig sucht die F35 noch ihren genauen Zielmarkt und hier wird sich laut Ludwig der Werbemarkt herauskristallisieren. Dennoch rechnet Ludwig damit, dass sich die F35 innerhalb von zwei Jahren amortisieren müsse, denn danach seien wahrscheinlich die Vorteile, die diese Kamera heute gegenüber anderen Systemen noch biete, von anderen eingeholt. Einen der Vorteile, die alle Anbieter hier sehen, ist der Echtzeit-Workflow: Anders als bei der Red One, wo man Daten umkopieren und decodieren muss, wenn man die volle Bildqualität in der Wiedergabe sehen will, kann man bei der F23 und F35 einfach das HDCAM SR-Band aus dem angedockten SRW-1 nehmen und in einen Player einlegen, schon kann man die volle Bildqualität sehen.
Michael Abert stimmt seinem Konkurrenten Ludwig insofern zu, als auch er glaubt, dass sich der Markt für Kameras wie die F35 und die D-21 von Arri noch im Aufbau befinde, er meint aber, dass es auch längerfristig einen Markt für das High-End der Kameratechnik geben werde.
Volker Roddes Ansatz differiert, was man schon daran sehen kann, dass er seine F23 nicht gegen eine F35 austauschte, als diese verfügbar wurde. »Die F23 ist eine tolle Kamera, die bei meinen Kunden gut ankommt und ich sehe momentan keinen Grund, auf die F35 umzusteigen«, meint Rodde, der derzeit in seinem Bereich keinen nennenswerten Markt für den Einsatz einer F35 sieht. Mit Roddes F23 wurde der TV-Movie »Griechische Küsse« realisiert (siehe Meldung), der in Kürze bei Sat.1 läuft.
Gemeinsam ist allen befragten Verleihern die Sichtweise, dass es im Rental-Geschäft wichtig sei, sowohl die Red One wie auch eine F23/F35 im Programm zu haben.
Dem stimmt letztlich auch Jürgen Schaum zu, dessen Unternehmen Chroma wohl als einziges in Deutschland und wahrscheinlich auch darüber hinaus sowohl eine eigene F23, wie eine eigene F35 besitzt. Derzeit setzt die Josefine Filmproduktion die F35 des Hamburger Unternehmens für Hermine Huntgeburths neuen Film »Koras Hochzeit« ein. Die Regisseurin ist bekannt durch Filme wie »Bibi Blocksberg«, »Die weiße Massai« oder »Teufelsbraten«. Jürgen Schaum: »Wir sehen Einsatzgebiete für beide Kameras, für die F35 eher im szenischen, kino-orientierten Bereich, für die F23 im Werbe- und TV-Bereich sowie im Stereo-3D-Markt, den wir nun angehen werden. Wir bekommen aber durchaus auch Anfragen nach der Red-Kamera, die wir wahrscheinlich ebenfalls anschaffen werden.«
Die Postproduction von Chroma ist jedenfalls auf das Arbeiten mit Red-Daten eingerichtet. So hat Robin Schmude von Chroma einen Workflow erarbeitet, der das Color Grading am Nucoda Filmmaster direkt mit nativen Red-Daten ebenso erlaubt, wie das Arbeiten mit F35- und F23-Aufnahmen. »Unser Ziel ist es, für jeden Zweck das optimale, hoch qualitative Tool zu haben und bei den Kameras sind das für uns am oberen Ende die F35, die F23, der HDCAM-Camcorder HDW-F900R und in Zukunft wohl auch die Red One«, resümiert Jürgen Schaum.