IABM: Broadcast-Verband auf Wachstumskurs
Die International Association of Broadcast Manufacturers (IABM) liefert aktuelle Marktzahlen und weitere Services für Firmen aus der Broadcast-Industrie. film-tv-video.de hat sich anlässlich einer Präsentation der jüngsten IABM-Marktstudie mit CEO Roger Stanwell über die aktuelle »Global Market Survey« und den Verband insgesamt unterhalten.
Die IABM zählt knapp 300 Mitglieder und kann mit ihrem Gründungsjahr 1976 als gut etablierte Brancheninstitution gelten — dennoch sind keineswegs alle ihrer Aktivitäten bekannt. Das liegt auch daran, dass dieser Verband über viele Jahre sehr stark britisch fokussiert war und etwa im deutschsprachigen Markt eher im Verborgenen agierte. Erst in den vergangenen Jahren nahmen mehr und mehr Firmen Notiz von der IABM, die sich nun auch deutlich internationaler präsentiert. Der Ursprung der IABM liegt darin, dass sich einige Hersteller eine Interessensvertretung gegenüber dem Messeveranstalter des TV Symposiums in Montreux wünschten — das mittlerweile selbst schon seit etlichen Jahren Geschichte ist. Zusammen mit anderen Verbänden ist die IABM einer der Veranstalter der Broadcast-Messe IBC und bietet ihren Mitgliedern Rabatte auf die Standfläche, wenn sie dort ausstellen. Die IBC ist wichtig für die IABM, weil sie auch eine wichtige Einnahmequelle für den Verband darstellt — aber die Aktivitäten des Verbands reichen deutlich über die Messe hinaus.
Die 300 Mitgliedsfirmen der IABM repräsentieren rund 80% des Branchenumsatzes, weil praktisch alle Großen unter den rund 1.400 Broadcast-Herstellern, die es weltweit gibt, dem IABM angehören. Derzeit sind rund 25 Firmen mit Hauptsitz in Deutschland IABM-Mitglieder, hinzu kommt, dass bei einigen Verbandsmitgliedern ohnehin nicht die Hauptniederlassung den aktiven Part in der IABM spielt. Die IABM ist in den vergangenen Jahren besonders auch in Deutschland gewachsen und konnte dort etliche neue Mitglieder gewinnen. Das war einer der Gründe, weshalb der Verband vor kurzem außer im amerikanischen Boston auch in München und Düsseldorf vor deutschen Vertretern seiner Mitgliedsfirmen seine Aktivitäten präsentierte und unter anderem seine »Global Market Survey« präsentierte. Das ist eine Umfrage unter den Mitgliedsfirmen, die Prognosen zur Geschäftsentwicklung in der Broadcast-Branche beinhaltet.
Die IABM sieht es als eine ihrer Aufgaben, Zahlen über die Branche zu liefern. Das geschieht in verschiedenen Formen, eine davon ist eben die »Global Market Survey«, deren Ergebnisse der Verband zum Verkauf anbietet. Die IABM befragt hierfür im Zweijahres-Rhythmus Broadcast-Hersteller aus aller Welt zu aktuellen Trends und Entwicklungen und lässt die Antworten der Umfrage von Ernst&Young professionell auswerten. Einige der Ergebnisse der jüngsten Umfrage gab die IABM nun bei Ihrer Präsentation bekannt.
Broadcast-Markt: Zahlen und Trends
Als die IABM im September 2008 erstmals zur IBC einige der Ergebnisse ihrer Studie bekanntgab und die Verfügbarkeit der Umfrage ankündigte, war die Broadcast-Welt noch in Ordnung. Nur wenige Tage später wurde jedoch die gesamte Branche und mit ihr die IABM von der Finanzkrise überrollt: Es ist offensichtlich, dass die Ergebnisse der Studie nun in einem ganz anderen Licht betrachtet werden müssen.
Das gibt auch Roger Stanwell, CEO der IABM, unumwunden zu. Er glaubt aber dennoch, dass die Studie auch durch die jüngsten Ereignisse bei weitem nicht wertlos und Makulatur geworden sei: »Die absoluten Zahlen sind mit der Finanzkrise natürlich weit gehend hinfällig, was bleibt, sind aber die Trends und die Verhältnisse der Zahlen zueinander.« Aus Stanwells Sicht gibt die Umfrage also weiterhin eine Richtung vor, auch wenn derzeit niemand sagen könne, wie sehr sich nun die Realität von den Prognosen entferne. Dass es einen Versatz geben wird, das bezweifelt natürlich auch die IABM nicht, doch wie alle in der Branche hofft man beim Herstellerverband, dass sich der Markt auch wieder beruhigt.
Die Zahlen, die die IABM noch im Sommer 2008 ermittelte, waren durchaus vielversprechend: Auf 25 Milliarden Euro taxierte Ernst&Young auf Basis der Antworten aller teilnehmenden Unternehmen das kumulierte, aktuelle Jahresumsatzvolumen aller Broadcast-Hersteller. Das durchschnittliche, weltweite Wachstum für die nächsten Jahre wurde auf jährlich fünf bis sechs Prozent prognostiziert.
Aufgrund der Entwicklungen seit der IBC2008, kann das sicher nicht mehr als realistisch gelten. Letztlich gehe es nun um die Frage, wann die Talsohle der aktuellen Krise erreicht sei, mein Roger Stanwell und ergänzt, dass er durchaus daran glaubt, dass die Branche ganz generell noch weiter wachsen kann und wird: »We do believe in principal that the rebound will happen,« meint Roger Stanwell. Ein Knick in der Entwicklung der Gesamtwirtschaft sei unvermeidbar, erläutert Stanwell, aber wie sich das im einzelnen auswirke, sei völlig unklar: »In Großbritannien bricht derzeit der Markt bei Luxusgütern und teureren Anschaffungen stark ein, aber der Flachbildschirmabsatz bleibt unverändert,« illustriert Stanwell diese Sicht der Dinge.
Nach den Zahlen der IABM weisen insbesondere Südamerika, aber auch Afrika, Indien und China nach wie vor sehr hohe Wachstumsraten auf, die sich aus Sicht der IABM auch in der aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht verflüchtigen, sondern nur reduzieren dürften. »Wenn sich die prognostizierten Zahlen des Broadcast-Marktes in China und Indien nun im Angesicht der Kapitalkrise halbieren, reden wir dort immer noch von zehn bis zwölf Prozent Wachstum«, macht Roger Stanwell Hoffnung.
Für den US-Markt prognostizierte die IABM schon vor der Kapitalmarktkrise einen leichten Rückgang, für Europa ein moderates Wachstum. Wegen der Größe und des Entwicklungsgrads dieser Märkte lässt sich in diesen Regionen allerdings auch ohne Wachstum nach wie vor viel Geld verdienen, meint Roger Stanwell. Der IABM-CEO ist zudem überzeugt, dass der Broadcast-Markt auch weiterhin für Investoren interessant bleibe: »Wir befinden uns schon geraume Zeit in einer Phase der Konsolidierung, aber diese Marktbereinigung macht den Sektor sogar wieder interessanter für Investoren, die sich in diesem Markt umsehen.«
Die IABM stellte in ihrer Umfrage auch die Frage, womit denn in Zukunft am ehesten Geld verdient werden könne. Nahezu einhellig bescheinigten demnach die Befragten dem Bereich »Professional Services« sehr hohes Potenzial. Dazu zählt der Verband Beratung, Support, Managed Services aber auch Equipment-Vermietung. Glaubt man diesen Ergebnissen, werden die Professional Services — also von der Herstellerseite aus betrachtet das Paket aus Beratung, Planung, Systemintegration, Installation und Inbetriebnahme — künftig mehr als ein Drittel des Geldes einspielen, das in der Branche auf der Herstellerseite verdient wird. Bis in die Größenordnung von 10 Milliarden US-Dollar reichen hier die Prognosen. Roger Stanwell untermauerte diese Zahlen mit Aussagen von Naomi Climer, die bei Sony auch für diesen Bereich zuständig ist und davon ausgeht, dass Sony im Bereich Professional Services weiter wachsen werde.
Eine weitere interessante, von der IABM ermittelte Zahl beschreibt die unterschiedliche regionale Verteilung in diesem Bereich: In Europa wird demnach schon jetzt mit Services doppelt so viel Geld verdient, wie mit Produkten. In den USA ist das laut IABM noch anders, dort verdienen die Hersteller mit Produkten noch doppelt so viel wie mit Services.
Weitere, detailliertere Informationen zu den angerissenen und weiteren Themen enthält die kostenpflichtige IABM-Umfrage »Global Market Survey«.
Erfolgskontrolle »Industry Index«
Die große Umfrage »Global Market Survey« richtet den Blick in die Zukunft — mit allen Unwägbarkeiten, die jede Prognose in sich trägt. Mit dem »Industry Index« bietet die IABM ihren Mitgliedern aber auch eine belastbarere Datensammlung an — und somit eine schöne Möglichkeit, zu prüfen ob denn die früher prognostizierten Zahlen tatsächlich eingetreten sind. Der Industry Index wird nämlich aus anonymisierten, kumulierten Umsatzzahlen erstellt, die von den teilnehmenden Unternehmen angeliefert werden, sowie aus öffentlich zugänglichen Bilanzzahlen. Daraus ergeben sich belastbare Zahlen die wiederum den teilnehmenden Firmen zur Verfügung stehen: Wer mitmacht, erhält auch die Ergebnisse. Derzeit sind das rund 70 Mitgliedsfirmen der IABM.
Marketing-Umfrage der IABM
Auch zum Thema Marketing führte die IABM eine Erhebung unter ihren Mitgliedern durch. Glaubt man den Zahlen der IABM, gibt die Branche pro Jahr rund 440 Millionen US-Dollar für Marketing-Aktivitäten aus, im Durchschnitt 3,5 % des Umsatzes — was laut IABM im Vergleich zu vielen anderen Branchen recht üppig ist. Über die Hälfte ihrer Marketingbudgets lassen die Firmen im Durchschnitt für Messeauftritte liegen: Kumuliert insgesamt rund 250 Millionen US-Dollar pro Jahr. Den Löwenanteil hiervon wiederum verschlingen mit 70% der Messebudgets die beiden großen Branchenmessen IBC und NAB: Das sind rechnerisch rund 170 Millionen US-Dollar Marketingausgaben für zwei Branchen-Events.
Zum Vergleich: Lediglich 20% der Marketingausgaben fließen laut IABM-Umfrage in der Broadcast-Branche in Anzeigenwerbung, den Rest teilen sich weitere Aktivitäten wie Direct Mailings, Sponsorships und Events.
Dass die Hersteller über die Hälfte ihres Marketinggeldes für Messen ausgeben, erstaunte die Macher der IABM auch deshalb so stark, weil sich die meisten Hersteller eigentlich unzufrieden über die Messen äußerten und immer wieder alternative Möglichkeiten in der Diskussion stünden: 71% der befragten Marketingverantwortlichen fanden demnach, dass die Messen zu teuer und zu ineffektiv seien.
Zu welchem Zweck geben die Broadcast-Hersteller also gut 250 Millionen US-Dollar jährlich für ihre Teilnahme an Messen aus? Um bestehende Kunden zu treffen, antwortet laut IABM-Umfrage die Mehrzahl der Befragten darauf. Erst an zweiter Stelle folgt das Ziel, neue Kundenkontakte zu generieren.
Die Zeiten, in denen Messebesucher über die Messeflure schlendern und zufällig an einem kleinen Stand ein schönes Produkt oder einen interessanten Hersteller entdecken, sind allerdings ohnehin leider vorbei, urteilt Roger Stanwell, sodass die Hersteller neue Möglichkeiten finden müssten, um während einer Messe neue Kunden zu gewinnen. Er führt weiter aus, dass mehr als die Hälfte der Firmen in der Befragung zugaben, dass sie gar keine Verbindung zwischen Messe-Leads und späteren Verkäufen herstellen können, weil Ihnen die Technik oder die Manpower dazu fehle.
Letztlich kann man die Situation vielleicht so zusammenfassen: Niemand ist richtig zufrieden mit den Messen, aber zumindest derzeit hat auch noch keiner echte Alternativen entwickelt oder wirklich die Konsequenzen daraus gezogen, auch wenn verschiedene Hersteller immer wieder mit neuen Möglichkeiten experimentieren — stattdessen wird über die Kosten gejammert.
IABM: Mehr als Zahlen
»We’re one of the best kept secrets in the industry«, meint Roger Stanwell, wenn er darauf hinweist, dass der IABM weit mehr sei, als es zunächst den Anschein habe. So bietet der Verband neben den kostenpflichtigen Studien eine ganze Reihe weiterer Services an: etwa technische Newsletter, die sich an die CTOs von Firmen richten. John Ive, Technical Director der IABM, erklärt deren Ansatz damit, dass man versuche, aktuelle technische Trends aufzugreifen und zu diskutieren.
Fasst man alle Aktivitäten der IABM zusammen, hat es durchaus seine Berechtigung, wenn auf der Website der IABM steht, dass der Verband die »authorative voice of the industry« sei. »We exist to help you do your business better«, ergänzt CEO Roger Stanwell, der damit auch einen wichtigen Unterschied zu technischen Organisationen wie etwa der SMPTE oder der EBU anspricht. Der IABM geht es demnach nicht darum, die letzten Bits und Bytes zu diskutieren, sondern darum, für die Hersteller die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, um besser arbeiten zu können.