Editorial, Kommentar, Top-Story: 28.08.2008

Reingerutscht

Einen digitalen Fotoapparat zu kaufen, ist kein Problem: Rein in den Laden, Geld auf den Tisch, schon ist man up-to-date. Aber spätestens wenn der Speicher voll ist, dann muss man eben auch einen einigermaßen zeitgemäßen Computer besitzen — oder einen Dienstleister suchen, der Abzüge herstellen kann. Wenn man sich für den eigenen Computer entscheidet, braucht man eine Backup- oder Archivierungsstrategie — und damit verbunden allerlei Soft- und Hardware. Und es ist Disziplin erforderlich, sonst rächt sich das beim nächsten Plattencrash oder Systemwechsel.

Genauso geht es auch jedem, der im Videobereich vom Band auf P2-, SD-, SxS- oder sonstige Speicherchips umsteigt: So einfach kann man in die Welt von Browsing, Asset Management und Archivierung rutschen.

Dieses Thema finden die meisten Anwender zwar bei weitem nicht so sexy und spannend, wie die kreativen Parts beim Aufnehmen und Bearbeiten des Bildmaterials — aber je weiter sich nonlineare Arbeitsweisen auch in der Akquisition durchsetzen, je weiter sich die Inhalte und die Träger dieser Inhalte von einander entfernen, um so wichtiger wird die Verwaltung, Organisation, Sicherung und Archivierung des Materials.

Hier liegen derzeit auch große Probleme: Was beim Einzelarbeitsplatz noch relativ gut und preiswert funktioniert, weil es mittlerweile die passenden Softwares gibt, artet bei größeren Infrastrukturen schnell zu aufwändigen und kostenintensiven Lösungen aus. Einer der Gründe liegt dabei sicher in den gleichzeitig wachsenden Ansprüchen der Anwender: Alles soll schneller und effektiver ablaufen und es reicht ja nicht, die gewohnten Abläufe mit IT-Komponenten umzusetzen. Zusätzlich sollen auch möglichst viele Nutzer gleichzeitig auf neu eingespieltes Material zugreifen können. Wenn schon, denn schon — so scheint hier das Motto zu lauten. So ist auch die Industrie mit dem Drang in Richtung IT in etwas reingerutscht, was viele am Anfang unterschätzten und nicht voraussahen.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Wenn früher in der Bearbeitung etwas schief ging, dann war das ärgerlich, aber meistens behebbar — man hatte ja schließlich noch die Originalbänder. Heute muss man möglichst früh im Bearbeitungsprozess Sicherheitskopien erzeugen, wenn man eine ähnliche Fall-Back-Sicherheit haben will. Das bedeutet, dass man eben weiteres Geld für eine automatisierte Lösung in die Hand nehmen muss. Was zum nächsten Industrietrend führt: Der Investitionsbedarf verschiebt sich derzeit von der Akquisition in die Postproduktion und die Infrastruktur. Camcorder werden immer wartungsärmer, besser und billiger, das hier eingesparte Geld wandert aber in die leistungs- und volumenhungrige Datenhaltung mit ihren kurzen Produktzyklen und ihrem permanentem Update- und Upgrade-Bedarf.

Der Erfolg der speicherchip-basierten Aufnahmesysteme zeigt jedoch, dass die Anwender mehr Vorteile in der Anwendung der neuen Technologien sehen, als Nachteile. Momentan kann man jedoch mit einiger Berechtigung behaupten, dass die nachgeordneten Systeme in puncto Preisentwicklung und einfacher Bedienung den Speicherchip-Camcordern deutlich hinterher hinken. Zwar werden Festplatten und Speicherchips immer günstiger, aber die Gesamtkosten von Datenhaltung und -handling wachsen. Hier öffnet sich Raum für weitere Veränderungen in der Branche — und vielleicht sogar für den nächsten Paradigmenwechsel.

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