Die Sache mit dem Klimaschutz
Die Fußball-EM ist vorbei, nun steht die in Deutschland nicht mehr ganz so populäre Tour de France an – und in etwas mehr als einem Monat folgt mit den Olympischen Spielen in Peking das nächste sportliche Großereignis. Laut einer Pressemitteilung von Panasonic vom Jahresanfang trägt bei Olympia in China jedes P2-Produkt im Vergleich zu einem bandbasierten Produkt dazu bei, zwei Tonnen CO2-Ausstoß zu vermeiden. Setzt man das ins Verhältnis dazu, was der Bau und Betrieb der Sportstätten sowie der Transport von Menschen und Ausrüstung während der Olympischen Sommerspiele für die CO2-Emission und die Umwelt insgesamt bedeutet, wird klar: Das ist albern und pharisäerhaft. Aber es geht noch besser.
Während der NAB2008 waren nämlich grüne Themen generell angesagt: Noch nie zuvor wiesen so viele Firmen in ihren Pressekonferenzen oder Broschüren darauf hin, dass ihre Produkte ökologisch verträglich hergestellt würden und dass man selbstverständlich dafür kämpfe, die Ressourcen der Erde zu bewahren und zu schützen. Solche Verlautbarungen haben in Las Vegas einen ganz besonderen Klang: In einer Stadt, in der man mit dem Stretch-Hummer vorfahren kann, wo die ganz Stadt vom Brummen der Klimaanlagen zu vibrieren scheint, wo mitten in der Wüste Golfplätze in saftigem Luxusgrün strahlen und jedes der Themenhotels mehr Strom benötigt, als eine ganze deutsche Kleinstadt. Nach der Anreise per Flugzeug singt dort eine Branche in klimatisierten Suites das hohe Lied des Umweltschutzes: Das ist in etwa so, als hätte Harald Juhnke einst während des Oktoberfestes verkündet, sich künftig dafür einzusetzen, dass kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden soll.
Das Thema aber ist virulent und es kann ganz sicher nicht schaden, wenn es in einer Branche auf die Tagesordnung kommt, in der die Austauschzyklen für Produkte immer kürzer werden, in der Workstations, Kameras oder Server immer schneller auf dem Gerätefriedhof landen. Tatsächlich kann man aber der Eindruck gewinnen, dass das Thema derzeit eher für PR-Zwecke ausgeschlachtet und in schönen Broschüren präsentiert wird, die natürlich auf Recyclingpapier mit Pflanzenfarben gedruckt wurden. Manchmal fehlt nur noch der Hinweis, dass das Ganze im Kartoffeldruck erfolgte und damit gleichzeitig eine Kooperative ökologisch wirtschaftender, allein erziehender, an Anämie leidender Hochlandindianer unterstützt wird, um das Ganze vollends ins Kabarettistische kippen zu lassen.
»Eco friendly« und »Green« sollen die Systeme jetzt werden, mit Methoden produziert, die umweltschonender, mit Materialien, die schadstoffärmer sind. Das wäre sehr wünschenswert, es gibt aber eine Glaubwürdigkeitslücke, die schon in Goethes Faust auf den Punkt gebracht ist: »Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube«.
Man kann es auch positiver sehen: Immerhin beschäftigt sich die Branche nun mit einem Thema, das noch bis vor kurzem nur den »grünen Spinnern« zugeschrieben wurde. Die kommende IBC widmet dem Thema Umweltschutz und Ressourcen in der Medienbranche sogar eine eigene Vortrags-Session. Darin soll es unter anderem darum gehen, wie künftig Recycling und Rücknahme von Produkten gehandhabt werden sollten. Weiter soll diskutiert werden, ob CO2-Programme tatsächlich wirksam sind, ob Energiesparprogramme spürbare Kostenersparnisse bringen und auch, ob es vertretbar ist, ausrangiertes Equipment, das bei uns nicht mehr erwünscht ist, an ärmere Länder abzugeben oder gar zu verkaufen. Und das alles bei einer Broadcast-Messe — vor wenigen Jahren noch undenkbar.
Wie meist im Leben lohnt auch der Blick hinter die eigene Fassade. Es wird wohl kaum einen Leser dieses Newsletters geben, der nicht im Keller oder sonst wo irgendwelche alten Geräte lagert, die »eigentlich« noch funktionieren, aber eben nicht mehr den aktuellen Ansprüchen genügen — und auch für die Schreiber dieser Zeilen trifft das zu. Wohin soll bloß all dieser »Müll«? Und wären wir bereit, für »ökologischere« Camcorder mehr zu bezahlen?
Während in Talkshows noch darum gestritten wird, ob die steigenden Energiekosten einen realen oder nur spekulativen Hintergrund haben, wird klar: Erst wenn’s an den Geldbeutel und die Bilanz geht, beschäftigen sich auch jene mit Umwelt- und Ressourcenschutz, die vorher milde über andere lächelten, die schon versuchten, im Kleinen ihren Teil beizutragen.
Noch gibt es beim Thema »Green Initiatives« in der Branche eine größere Lücke zwischen Worten und Taten, als sie ohnehin üblich ist. Aber wenn hier Bewegung in den Markt kommt, kann das ganz sicher nicht schaden.
Sie werden sehen.