Landleben mit Breitbandanschluss
Man sagt den Deutschen nach, dass sie das Landleben gern romantisch verklären und dass sich die Mehrheit der Bevölkerung im Grunde nach einem Leben auf dem Land sehne. Wer aber in ländlichen, dünner besiedelten Zonen Deutschlands lebt und versucht, dort einen schnellen Internet-Zugang zu bekommen, der beißt in der Regel auf Granit: Solange die Anbieter anderswo mit gleichem Aufwand mehr Kunden gewinnen können, kann man auf dem Einödhof — Idylle hin oder her — noch lange auf einen DSL-Anschluss warten. Aber es gibt Hoffnung und die resultiert daraus, dass einerseits die EU in Brüssel Druck aufbaut und andererseits der Rohrkrepierer DVB-T als Nebeneffekt eine neue Möglichkeit eröffnet hat.
Zwar wurde über die vergangenen Jahre das DVB-T-Netz immer enger geknüpft und bis Ende des Jahres 2008 sollen weitere 22 Sendeeinrichtungen umgerüstet werden, womit dann rund 90 % der Haushalte in Deutschland DVB-T nutzen könnten — wenn sie denn nur wollten. Letzteres ist aber nur bei relativ wenigen Haushalten der Fall. Die Zahlen schwanken — je nach Quelle — zwischen rund 5 und 10 % der Fernsehhaushalte, der Rest versorgt sich über Kabel, Satellit und zu einem immer noch sehr kleinen Teil über DSL mit Fernsehprogrammen. Laut einer Infratest-Umfrage aus dem Vorjahr gibt es in Deutschland nur etwa 1,7 Millionen TV-Haushalte, die ausschließlich über DVB-T Fernsehprogramme empfingen — wie viele davon mit der Qualität unzufrieden sind und mit technischen Problemen kämpfen, darüber gibt es leider keine repräsentativen Aussagen.
Problematisch wirkt sich auf DVB-T aus, dass die meisten Zuschauer nicht freiwillig zu dieser Technik kommen: Erst wenn das jeweils regional verfügbare analoge Antennenfernsehen abgeschaltet wird, wechselt ein Teil der Haushalte zu DVB-T. Das sind aber laut Statistik überwiegend ältere Alleinlebende mit geringem Einkommen — mithin nicht gerade die bevorzugte Zielgruppe privater Programmanbieter. Hinzu kommt, dass es für die TV-Betreiber nach Expertenaussagen im ländlichen Raum derzeit deutlich teurer ist, einen Haushalt statt per Kabel oder Satellit via DVB-T zu erreichen: Ungefähr sechsmal so hoch sind demnach die Kosten auf der Betreiberseite bei DVB-T gegenüber Kabel. Mehr Kosten für weniger interessante, kleinere Zielgruppen — das kann nicht funktionieren.
So kommt es, dass in den Ballungsräumen bis zu 24 Programme via DVB-T zur Verfügung stehen, in manchen ländlichen Gegenden dagegen oft nur die Öffentlich-Rechtlichen zu empfangen sind. Die privaten Anbieter sparen sich diese Kosten lieber. In der Folge liegen in einigen Regionen Deutschlands ganze Frequenzbereiche ungenutzt brach — und genau diese Frequenzbereiche könnte man für Breitband-Internet nutzen.
Noch wehren sich die TV-Anbieter dagegen, aber in Brandenburg gibt es bereits ein Pilotprojekt hierzu und die Stuttgarter Landesanstalt für Kommunikation bereitet einen Feldversuch vor.
Der Widerstand der TV-Anbieter gegen die Nutzung der brachliegenden Frequenzen könnte unter dem wachsenden Druck aus Brüssel und der ständig schwebenden Drohung, die EU könnte das Thema Frequenzverteilung an sich ziehen, schnell einbrechen. Da außerdem praktisch alle Sender — derzeit ganz besonders gut in öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen zu besichtigen — penetrant Werbung für die eigenen Online-Angebote machen, ist auch der interne Interessenkonflikt bei den Rundfunkanbietern vorprogrammiert.
So rückt das Landleben mit Breitband-Internet-Zugang in greifbare Nähe: Vielleicht die beste Nebenwirkung der DVB-T-Einführung.
Sie werden sehen.